Berlin. August Diehl ist als Philosoph Karl Marx im Film „Der junge Karl Marx“ ab 2. März im Kino zu sehen. Es ist die Rolle seines Lebens.

Es war im Jahr 2000, kurz nach seinem ersten Film „23“, als August Diehl als Shooting-Star der Berlinale gefeiert wurde. Von da an ging seine Karriere steil bergauf. 2009 war er in Quentin Tarantinos Oscar-prämiertem Film „Inglourious Basterds“ in einer größeren Rolle als SS-Sturmbannführer Dieter Hellstrom zu sehen. Jetzt hat er seinen Film „Der junge Karl Marx“, der ab 2. März in die Kinos kommt, vorab auf der Berlinale gezeigt. Die Pfunde, die er sich für die Rolle zulegen musste, sind längst wieder herunter. Auch von der Marxschen Mähne ist bei Diehl (41) nichts mehr zu sehen.

Das war eine gute Filmfrisur. War das eigentlich eine Perücke?

August Diehl: Ja. Ich habe schon oft Perücken getragen im Film, wirklich, aber noch nie eine so gute. Ich hatte allerdings auch meine liebe Not damit, weil ich jeden Morgen anderthalb Stunden in der Maske saß. Das Schwierigste waren übrigens die Kontaktlinsen. Marx hatte ja auch schwarze Augen, deswegen wollte ich entsprechende Farblinsen. Das hat aber manchmal 40 Minuten gedauert, bis ich die drin hatte. Ich hatte regelrechte Tobsuchtsanfälle.

War Marx für Sie neu, oder hatten Sie sich schon mit ihm beschäftigt?

Diehl: In der Schule war das natürlich Unterrichtsstoff. Danach habe ich mich mit einigen Persönlichkeiten beschäftigt, aber Marx gehörte nie dazu. Ich glaube, ich habe mal vor vielen Jahren angefangen, „Das Kapital“ zu lesen. Aber wieder aufgehört. Vielleicht hätte ich mich mehr durchboxen müssen. Ich habe mich erst im Vorfeld zum Film wieder mit ihm beschäftigt und dann das „Kommunistische Manifest“ gelesen, das ist überschaubarer und einfacher.

Wie aktuell ist Karl Marx heute?

Diehl: Ich bin eigentlich kein Freund von Aktualisierungen. Für mich muss ein Film nicht „aktuell“ sein. Aber dennoch ist es jetzt genau der richtige Zeitpunkt für einen Film über Marx. Ich fürchte, dass all das, was seit mehreren Jahren passiert, genau das ist, was er immer prognostiziert hat: dass der Kapitalismus ein System ist, das sich immer wieder selbst generiert, wie ein Krebsgeschwür. Ihm zufolge kommt es ja erst in dem Moment zu einem Zusammenbruch und Kollaps, erdbebengleich über die ganze Erde, wenn die Rohstoffe knapp werden. Wie bei einem Alkoholiker, wenn der Körper selber nichts mehr gibt. Ich habe den Eindruck, dass wir jetzt am Anfang dieser Phase stehen.

Was war Ihre erste Reaktion, als das Angebot kam, dass Sie Karl Marx spielen sollten?

Diehl: Ich habe grundsätzlich erst einmal Manschetten. Deshalb bin ich wohl auch erst einmal zurückgeschreckt. Was Verfilmungen über das Leben bedeutender Leute angeht, habe ich echt Angst. Vor allem, wenn es um Menschen geht, die jeder kennt, von denen jeder ein Bild hat. Ich habe deshalb mal einen Schiller abgesagt.

Aber dann haben Sie bei Karl Marx zugesagt.

Diehl: Weil das Drehbuch sich auf einen relativ kurzen Ausschnitt seines Lebens beschränkt. Wir kennen also nur den alten Marx mit dem Wallebart von diesem berühmten Foto. Von seinen jungen Jahren gibt es nur Zeichnungen. Insofern war hier das Äußerliche nicht so das Problem.

Warum hat es eigentlich noch nie einen Film über Marx gegeben?

Diehl: Das habe ich mich auch gefragt. Es gab eine sowjetische TV-Serie, das war’s. Die habe ich teilweise geguckt. Die ist ganz gut gespielt, da geht es Marx aber immer sehr gut, er läuft ‘rum wie ein großer Bourgeois, und wenn ein neues Kind geboren wird, wird es in Spitzen gelegt. Das ist ein totales Propaganda-Ding. Wahrscheinlich ist es aber gar nicht so verwunderlich, dass es sonst bislang nichts gab. Marx ist eine Größe, die stark polarisiert. Ein Film über Marx, das beinhaltet viele Gedanken, viele Dialoge. Und dann ist er ja auch so ziemlich das Unattraktivste, was man sich vorstellen kann. Er bietet so gar nichts Verführerisches, er ist kein Che Guevara, kein Fidel Castro. Das muss man sich erst mal trauen.