Alice Schwarzers Frauenzeitschrift „Emma“ feiert Geburtstag
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Von Sören Kittel
Berlin. Die Geschichte der Frauenzeitschrift „Emma“ ist eng mit Alice Schwarzer verknüpft. Seit 40 Jahren ist es das Magazin der Emanzipation.
Am Anfang war ein Mann, ausgerechnet. Alice Schwarzer saß mit Freunden in einer Runde zusammen, und sie hatten verschiedene Ideen für ein Magazin über Emanzipation. „Amazone“ oder „Nora“ waren die ersten Ideen. „Dann schlug ein Mann Emma vor“, sagt sie, „das war eine Überraschung.“ Alice Schwarzer fand das klassisch und zeitlos weiblich.
Zumindest ist es auch 40 Jahre später noch ein Erfolgsmodell: Denn die Zeitschrift „Emma“ ist nicht nur auch heute noch die bekannteste Zeitschrift für Emanzipation, sondern hat viele Debatten mitangestoßen und mitgestaltet. Ganz nebenbei, so die Zeitschrift, konnte sie sich außerdem auf dem schwierigen Zeitungsmarkt weiterhin behaupten. Immerhin ist ein Viertel der Emma-Leserinnen unter 30 Jahren.
Öffentlicher Schlagabtausch
Für Schwarzer ist mit diesem Jubiläum ein Meilenstein erreicht, an den sie nicht immer geglaubt hat und der sie „wirklich stolz“ mache. Umso mehr ärgert es sie, dass sie noch nicht von allen Journalisten in dieser Funktion wahrgenommen wird. „Die lieben Kollegen“, sagt sie, „versuchen ganz einfach zu ignorieren, dass ich Verlegerin und Chefredakteurin bin.“ Sie werde oft nur als Feministin gesehen, oder manche kennen sie noch als Autorin von „Der kleine Unterschied“. Doch: „Emma wird schlicht ausgeblendet.“
Nun ja, gerade die vergangenen Jahre geriet Alice Schwarzer auch für viele andere Dinge in die Schlagzeilen: Sie traf sich im Jahr 2001 mit TV-Star Verona Feldbusch zum öffentlichen Schlagabtausch, der lange die Feuilletons beschäftigte. So begann der Flirt mit dem Boulevard. Sie berichtete für Bild, war 2007 Prozessbeobachterin im Fall Kachelmann, der vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde.
Steuer-Affäre im Jahr 2013
Heute, sagt sie, interessiere sie die Person Kachelmann wenig. „Es ging bei diesem Prozess vor allem um die Berichterstattung.“ Die sei häufig voreingenommen und herabsetzend der klagenden Frau gegenüber gewesen. Dagegen wollte sie vorgehen. „Die Anzeigen wegen Vergewaltigung sind seither rapide gesunken – weil die Frauen sich nicht mehr trauen.“
„Emma“-Cover – von mutig bis kontrovers
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Da ist sie, die kämpferische Alice Schwarzer, die ihre Sätze am liebsten mit einem hörbaren Ausrufezeichen beendet. Eine Steuer-Affäre im Jahr 2013 überstand sie durch Selbstanzeige und Zahlung von 200.000 Euro mit erhobenem Haupt – wenn sie auch bei Kritikern sofort eine „Kampagne“ vermutete. Trotz der jetzt amtlichen Vorstrafe wird sie in Zukunft weiter in Talkshows sitzen.
Gewalt gegen Frauen
„Ich fürchte“, sagt sie, „es gibt noch reichlich zu tun!“ Sie meint den Kampf gegen die „Pornografisierung, gegen die Gewalt gegen Frauen, gegen den Schönheits- und Jugendwahn und für gleichberechtigte Löhne“. Die Frauenbeschneidung – noch in den 70er-Jahren von Linken als kulturelle Eigenheit gesehen – wird inzwischen weltweit geächtet.
Jeder neunte Soldat der Bundeswehr ist heute eine Frau, und der Spiegel würde nie wieder eine nackte Zwölfjährige drucken (wie 1977). Nicht alle Kämpfe hat sie gewonnen. Das Ehegattensplitting ist noch immer Gesetz, und das Kopftuch ist nach wie vor für viele Menschen nur ein modisches Accessoire, für Schwarzer hingegen werden Frauen darunter „unsichtbar“.
Neue Frauen-Bündnisse
Ähnlich unversöhnlich – nachlesbar in der neuen Ausgabe – ist der Umgang mit jungen Journalistinnen, die Feminismus neu denken wollen. Nach #Aufschrei – einer Aktion im Internet gegen übergriffige Männer – formierten sich neue Frauen-Bündnisse. Diese fremdeln mit Emma und Alice Schwarzer mit ihnen.
Nur so ist ihre Antwort zu verstehen, auf die Frage zu ihren Nachfolgerinnen, auch wenn sie im Grunde recht hat. Schwarzer sagt: „Nachfolgerin in was? In meiner Rolle als Vorbild für viele Frauen? Die wird sich wohl nicht wiederholen. Die ist sowohl individuell wie historisch bedingt. Als Autorin? Als Blattmacherin? Wir werden sehen.“