Köln. Kaum zu schlagen: Lilly Andres ist mehrfache Weltmeisterin im Tischfußball und lebt mittlerweile sogar von ihrer großen Leidenschaft.

Irgendwann kommt das Auge nicht mehr mit, dann kann nur noch das Ohr helfen. Indem es den kurzen trockenen Knall aufnimmt, der entsteht, wenn Lilly Andres den Ball mal wieder ins Tor gehämmert hat. Von hinten nach vorne hat sie die Kugel mit kurzen Pässen gespielt, hat ihren Mittelstürmer in Position gebracht und dann abgezogen. Unhaltbar wie so oft und deshalb kaum zu schlagen am Tisch mit den vier Stangen. Deshalb stehen die Siegerpokale mittlerweile nicht nur bis in den Flur ihrer Kölner Wohnung, deshalb ist sie auch Weltmeisterin geworden. Kicker-Weltmeisterin. Und längst verdient sie Geld mit dem, was einst in der Kneipe als Hobby begann.

Man muss deshalb auch Glück haben, um sie zu treffen in diesen Tagen. „Wenn es im echten Fußball ein großes Turnier gibt, dann gibt es auch bei mir besonders viele Anfragen“, entschuldigt sich die 32-Jährige. „Dann bin ich nur unterwegs.“ Mal testet sie für eine Zeitschrift neue Kicker-Tische, mal gibt sie im Frühstücksfernsehen Tipps. Dann wieder tritt sie für eine große Supermarktkette zu einem Turnier gegen Kunden an. Wer sie schlägt, bekommt 1000 Euro. Was für den Supermarkt weniger gewagt ist, als es klingt. Und an den Wochenenden sind dann ja auch noch die Turniere oder Ligaspieltage. „Es gibt Wochen, da stehe ich jeden Tag mehrere Stunden am Tisch.“

Als Kind hat sie Kickern gehasst

Abzusehen war das nicht. „Als Kind habe ich Kickern gehasst.“ Erst als 20-Jährige kommt sie bei einem Kneipenbummel mit Freunden auf den Geschmack: „Obwohl ich eigentlich nur mitgemacht habe, weil dringend ein vierter Spieler benötigt wurde.“ Das Kickern wird zum Hobby, ist anfangs nicht mehr als das eigentlich verbotene „wilde Kurbeln an der Stange“. Bis sie ein Bekannter zu einem großen Turnier mitnimmt. „Da habe ich gesehen, wie Tischfußball auch aussehen kann.“ Andres beginnt zu trainieren, lässt sich von erfahrenen Spielern in die Geheimnisse der Materie einweihen, lernt Tricks, entwickelt ihre eigene Technik, ihren eigenen Stil. Vor allem beim Torschuss. Mit der Sturmreihe von links über den Platz in die rechte Ecke schießen ist ihr Markenzeichen. Daher stammt auch ihr Spitzname: „Longshot Lilly“.

Nach kurzer Zeit wird der Trainer der Kicker-Damennationalmannschaft auf die junge Frau aufmerksam. „Ich wusste damals gar nicht, dass es so etwas gibt, eine Nationalmannschaft im Kickern.“ Lilly, die eigentlich Petra mit Vornamen heißt, tritt dem Kader bei, wird 2009 auf Anhieb Weltmeisterin mit dem Team und im Doppel, holt Platz zwei in der Einzelwertung. Seitdem spielt sie ganz oben mit, sammelt Titel und Meisterschaften wie andere Leute Rabattmarken.

Aber von den kargen Prämien und Preisen allein kann sie dennoch nicht leben. „Das kann niemand in Deutschland.“

Viele halten den Tischfußball, wie Andres ihn spielt, für Spaß. Für sie ist es „eindeutig Sport“, der Spaß macht. Wer oben mitspielen will, braucht Grundschnelligkeit, gute Hand-Auge-Koordination, Reaktionsfähigkeit und Feingefühl. Das schlaucht. „Nach einem Turniertag ist man körperlich völlig fertig.“ Und psychisch erst recht. „80 Prozent ist Kopfsache“, hat sie festgestellt. „Wichtig ist, wie man auftritt, wenn man am Tisch steht.“

Das Verletzungsrisiko geht gegen null

Um doch noch mit Tischfußball Geld zu verdienen, hat Andres schon vor Jahren mit ihrem damaligen Freund die Firma Kivent gegründet, die so eine Art Komplettpaket rund um das Kickern anbietet: Vermietung, Verkauf und Veranstaltungen. „Es läuft gut“, sagt die gebürtige Mainzerin. Wahrscheinlich auch, weil Lilly eine überaus attraktive Repräsentantin ihres Sports ist. „Klar“, gibt sie zu, „natürlich werde ich auch deshalb für Shows gebucht.“

Wie lange sie noch Stangen mit kleinen Männchen drehen will? „Noch lange“, sagt sie. „Kickern ist ein großer Trend in Deutschland.“ Außerdem lässt es sich bis ins hohe Alter gefahrlos spielen. Kreuzbandriss, Muskelschmerzen? Andres lacht. Alles kein Thema. „Das Verletzungsrisiko beim Tischfußball geht gegen null.“