Amsterdam. Amsterdam leidet massiv unter Krawall-Touristen. Die sollen wegbleiben. Im Kiffer-Paradies greift deshalb bald ein Kiffer-Verbot.

Ein Traum im Frühling: Die Grachten, die Galerien, die Museen, die Bistros und Straßencafés: Amsterdam gilt als eins der beliebtesten Ziele für Touristen. Ob Kurztrip oder auch längere Visite: Die Stadt ist so beliebt, dass sie schon jetzt komplett überlaufen ist. Overtourismus, so heißt die böse Diagnose des Touristenbooms.

Einige Rezepte wurden bereits ausprobiert, um die nervigen Massen abzuschrecken. Jetzt hat sich die Hauptstadt der Niederlande neue Verbote ausgedacht.

Die Stadt, aus denen nicht nur Tulpen, sondern auch berühmte Maler wie Rembrandt, van Gogh oder Vermeer kommen, die Stadt, in der das künstlerische Laissez faire das Lebensgefühl der großen Lässigkeit vorgab, zeigt sich immer unduldsamer im Kampf gegen Radau – und Sauftouristen. Eine Online-Kampagne mit dem Titel „Stay Away“, also „Bleibt weg“, soll junge Männer aus Großbritannien fernhalten, die zum exzessiven Feiern sowie Drogen- und Alkoholkonsum nach Amsterdam kommen.

Wer also als Brite ganz unverbindlich nach „billiges Hotel Amsterdam“ googelt, soll schon mal ein bisschen vor die Pumpe laufen. Und erst recht, sollte das Vorhaben noch deutlicher gemacht werden, zum Beispiel unter Eingaben wie „Junggesellenabschied Amsterdam“ oder „Kneipentour Amsterdam“. Da hören die Stadtverantwortlichen schon das Gegröle im Geiste.

Urlaub in den Niederlanden: Bußgelder statt Highlife in den Gassen von Amsterdam

Statt herrliche Angebote für ein paar Tage außer Rand und Band zu erhalten, würden diese Vergnügungssüchtigen dann allerdings große Augen machen, wenn sie plötzlich auf Websites landen, die vor den Folgen übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums warnen. Keine schönen Angebote zum Bleiben, dafür Begriffe wie „Bußgelder“, „Festnahmen“, „Krankenhauseinweisungen“ oder „Gesundheitsschäden“. Wer will das schon?

„Bleibt weg“ – Amsterdam sagt britischen jungen Männern den Kampf an

Der verbale Rausschmeißer richtet sich zunächst an britische junge Männer, die dafür bekannt seien, dass sie sich exzessiv betrinken und herumpöbeln würden. Alles nur Vorurteile? So etwas lassen die Verantwortlichen der Stadt nicht gelten. 18 bis 35 Jährige hätten sozusagen meist nichts anderes im Sinn, als die Sau rauszulassen. Und dabei in die Gosse zu kotzen. Da müsse ein Riegel vor!

Die Briten werden staunen. Aber längst nicht nur sie. Sie seien nur der Anfang. Keiner bleibe verschont: Die Kampagne soll noch im Laufe dieses Jahres auf potenziell störende Besucher aus den Niederlanden und anderen EU-Ländern ausgeweitet werden. Ex und hopp, dafür will sich Amsterdam nicht mehr hergeben.

Amsterdam greift durch: Kiff-Verbot auf offener Straße – doch es gibt einen Haken

Dass die Stadt mit dem Image der künstlerischen Lockerheit die Daumenschrauben derart anzieht, wirkt für manchen überraschend, der hier die lange die schönsten Freiheit des Geistes erleben konnte, sei aber unumgänglich. „Besucher werden weiterhin willkommen sein, aber nicht, wenn sie sich daneben benehmen und Belästigungen verursachen, so der stellvertretende Bürgermeister Sofyan Mbarki laut einer Pressemitteilung.

Eine der Maßnahmen gegen die großen Probleme des Massentourismus in Amsterdam – lange ja ganz altbekannt als das Kiffer-Paradies schlechthin – ist ein Kiff-Verbot in der Altstadt. Ab Mitte Mai darf dort auf der Straße kein Joint mehr geraucht werden. Wer das alles kontrollieren soll? Darüber kann man später nachdenken. Jetzt ist erstmal Zeit für härtere Bandagen.

Neben dem Kiff-Verbot werden auch im Rotlichtviertel, den „Wallen“, andere Saiten aufgezogen: statt um sechs Uhr morgens, ist um drei Uhr nachts Schluss. In den einschlägigen Etablissements stößt das den Verantwortlichen auf: Genau in diesen drei Stunden liefe das Sex-Geschäft auf Hochtouren, so die Klagen.

PRODUKTION - 30.03.2023, Niederlande, Amsterdam: Menschen demonstrieren gegen das vorzeitige Schließen der so genannten Fenster im Rotlichtviertel und gegen ein Erotikzentrum in der Stadt.
PRODUKTION - 30.03.2023, Niederlande, Amsterdam: Menschen demonstrieren gegen das vorzeitige Schließen der so genannten Fenster im Rotlichtviertel und gegen ein Erotikzentrum in der Stadt. © dpa | Sabine Joosten

Nicht nur in Sachen Öffnungszeiten wird an der Schraube gedreht: Im Innenbezirk De Wallensoll es von Donnerstag bis Sonntag ab 16 Uhr auch keinen Alkohol mehr zu kaufen geben, der auf der Straße konsumiert werden kann.

Amsterdam will Image ändern – mit drastischen Folgen für die 150 Coffeeshops

Nicht nur die, die auf die Pauke hauen wollen, müssen schwer schlucken, wenn ihre Erwartungen von Amsterdam enttäuscht werden. Die neuen Verbote haben auch Auswirkungen auf die etwa 150 Coffeeshops: Sie müssen ab Mai um ein Uhr nachts schließen.

In diesen Coffeeshops wird nicht nur der Stoff für den Joint, sondern auch den so genannten „Space Cake“, Kuchen oder Süßigkeiten angeboten, die mit Cannabis angereichert sind, so fantasiereiche Produkte wie „Super-Skunk“ oder „Master Kush“. Wer darauf steht, will meist nicht ins Rijksmuseum, sondern in den Gassen rumhängen und Krach schlagen, so die Analyse der Stadt.

Freier Geist, Kreativität – dafür stand Amsterdam eine gefühlte Ewigkeit. Und nun hagelt es ein Verbot nach dem nächsten: In diesem Monat noch startet die Kampagne „How to Amsterdam“. Auch dieses wieder eine Kampagne des Verbots, die allerdings deutlich langfristiger angelegt ist: „Visitors Economy Vision 2035“, so der nun ja verschwurbelte Titel, soll Amsterdam bis 2035 zu einem, wie es heißt, verantwortungsvolleren Tourismus führen, so will es die Stadt, die sich jetzt groß im Informieren übt.

Verbote und Warnschilder gehören nun zum Lebensgefühl in Amsterdam

Überall regiert der drohende Zeigefinger, von Warnschildern über soziale Medien, aber auch an öffentlichen Plätzen: Urinieren verboten, Lärmbelästigung verboten, Trunkenheit verboten, Kauf von Drogen bei Straßendealern verboten. Wer in den Hotels in Gedanken versunken auf die Bildschirme schaut, wird auch hier auf den neuen Lifestyle der Verbote eingeschworen.

Urlaub in den Niederlanden immer beliebter – diese Touristen zählen zu den Stammgästen

Zu voll – das betrifft nicht nur Amsterdam, sondern einen großen Teil der Niederlande, die ja auch mit langen Stränden und putzigen Orten Touristen locken. Etwa 20 Millionen Besucher erwartet – mehr als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2019/2020. Viele Amerikaner, Briten, Belgier, Italiener – und vor allem Deutsche reisen auch deshalb in diesem Jahr in die Niederlande.

„2023 wird für uns ein Rekordjahr“, freut sich Geert Dijks, Direktor der Tourismusorganisation Hiswa-Recron. „Die Hotels, die Campingplätze, die Bungalowparks, die Yachthäfen sind voll ausgebucht. Vor allem viele Deutsche wollen in diesem Jahr wieder die Niederlande besuchen. Wir erwarten in diesem Jahr mehr als sechs Millionen vielleicht sogar sieben Millionen Gäste aus Deutschland. Das ist rekordverdächtig.“ Denn vor der Corona-Pandemie haben „nur“ 6,175 Mio. deutsche Gäste die Niederlande für einen Urlaub besucht.

Sollen sich die Anbieter doch freuen. Mit den Touristen kommt schließlich das Geld. Solange sie sich benehmen – alles gut!