Berlin. Im Netz wird schon vom „Schabowski“-Moment gesprochen. Ein junger Mann stellte Merkel die entscheidende Frage zur Homo-Ehe. Wer ist er?

Es war ein zurückhaltend freundlicher Abend im Maxim Gorki, für alle Beteiligten. Kanzlerin Angela Merkel erzählte Brigitte-Chefredakteurin Brigitte Huber und Ressortleiterin Meike Dinklage darüber, wie sie „Gläser gegen das Licht hält“, um zu prüfen ob sie Flecken haben und dass sie froh sei, dass die „Witze über ihre Frisur“ aufgehört haben. Doch dann steht im Publikum ein junger Mann auf und fragt die Kanzlerin, wann er denn seinen Freund „Ehemann“ nennen dürfe, falls er ihn heiraten sollte.

Was dann kam, wird im Internet schon der „Schabowski“-Moment genannt, weil die Kanzlerin ähnlich wie Günther Schabowksi 1989 den Mauerfall plötzlich die Kursänderung im Fall der Homo-Ehe lapidar in ihrer langen Antwort versteckt. Sie sei „offen für Veränderungen“ und spricht schließlich sie von einer „Gewissensfrage“, die „künftig zu klären“ sei.

Frage entstand spontan

Der junge Mann, der den Stein ins Rollen brachte mit seiner Frage, heißt Ulli Köppe, ist 28 Jahre alt und arbeitet als Event-Manager in Berlin. „Ich hatte die Karte für das Maxim Gorki von einer Freundin erst kurz vorher angeboten bekommen“, sagt er unserer Redaktion. Auch eine Frage zu stellen kam ihm lange nicht in den Sinn. Er habe schlicht aufmerksam zugehört.

„Aber plötzlich gab mir Barbara Schöneberger, die auch im Publikum war, das Mikrofon und ich stellte eben die Frage zur Homo-Ehe.“ Immerhin sei es vier Jahre her gewesen, dass sie zum letzten Mal öffentlich Stellung zu dem Thema beziehen musste. „Damals hatte sie mit ihrem Bauchgefühl argumentiert und ich wollte wissen, ob sich das geändert habe.“

Outing in Berlin

Gleich nach der Veranstaltung ist Köppe noch mit einer Freundin etwas essen gewesen und da schon begannen, ihm erste Freunde zu schreiben, dass sie seine Frage gesehen hatten. Doch an dem Abend war noch nicht das Ausmaß abzusehen, die große Kehrtwende in der Causa Homo-Ehe, die vielleicht sogar noch zu einer Abstimmung vor Ende der Legislaturperiode führen könnte. Merkel betonte aber, dass diese Diskussion mit Respekt auch vor denen geführt werden sollte, die anders aufgewachsen sind.

Auch das habe Ulli Köppe imponiert. Er selbst kommt aus dem beschaulichen Saalfeld in Thüringen. Im Jahr 2005 ist er aber nach Berlin gezogen, das fiel zusammen mit seinem Outing, was glücklicherweise bei seiner Familie problemlos ablief. „Drei Monate später habe ich meinen Freund kennen gelernt“, sagt Köppe, „er saß auch neben mir, als ich in der Verantstaltung die Frage stellte.“ Seit 12 Jahren sind sie inzwischen zusammen. Sie hatten sich bereits verlobt, aber Ulli habe seinem Freund damals gesagt, er wolle erst heiraten, wenn es nicht mehr umständlich „eingetragene Lebenspartnerschaft“ genannt werde. „Ich mag diese Bezeichnung einfach nicht.“

Immer wieder Anrufe von Bekannten

Den Dienstag hat Ulli Köppe fast ausschließlich am Telefon verbracht. Immer wieder rief jemand in seinem Büro bei „Blu Media“ an und wollte wissen, ob er derjenige sei, der „diese Frage“ gestellt habe. Er kam kaum dazu, seine Arbeit als Eventmanager zu tun. Dabei bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Er organisiert unter anderem Waggons für den „Christopher Street Day“ in Berlin. Der ist bereits in vier Wochen.

Auch in dieser Hinsicht war es praktisch, dass Angela Merkel gerade jetzt eine Kehrtwende andeutet: Denn es laufen die „Pride“-Wochen, auf Facebook gibt es den Regenbogen-Knopf und in Berlin flattern bald die bunten Fahnen von den Rathäusern. In der nächsten Zeit findet jedes Wochenende irgendwo in Europa eine der Paraden statt: Kommendes Wochenende in Madrid der „World Pride“, in der Wochen darauf in Köln, dann Stuttgart, München und schließlich Berlin. Ulli Köppe wird die meisten davon miterleben – und wird vielleicht etwas häufiger angesprochen als in den Jahren zuvor.