Berlin. Eine Studie belegt: Die Chancen, alt zu werden, sind in Deutschland ungleich verteilt. Bis zu acht Jahre Lebenserwartung macht das aus.

Als Jeanne Calment vor zwei Jahrzehnten im französischen Arles starb, war sie mit 122 Jahren die älteste Frau der Welt. Den Rekord hält sie bis heute. Denn die Lebenserwartung steigt in den meisten Ländern zwar weiter an – doch die Zahl der Menschen, die über 100 Jahre alt werden, stagniert schon seit einiger Zeit. In einer neuen Studie zeigen Experten des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, warum die Lebenserwartung nicht unbegrenzt wachsen wird. In Deutschland wird der Trend bereits jetzt schon schwächer.

„Wir sehen ein leichtes Abflachen“, so Reiner Klingholz, Direktor des Berlin Instituts, bei der Vorstellung der neuen Studie. Neugeborene Jungen haben heute in Deutschland eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 78 Jahren, neugeborene Mädchen von 83 Jahren. Galt bislang, dass die Deutschen pro Jahrzehnt rund drei Jahre an Lebenserwartung hinzugewannen, seien es jetzt nur noch zwei bis zweieinhalb Jahre, so Klingholz.

Altersbedingte Erkrankungen nehmen zu

Der Bremseffekt hat mehrere Ursachen. Biologische Grenzen sind zwar durch den medizinischen Fortschritt beeinflussbar – doch bislang ist es nicht gelungen, menschliche Körper so zu manipulieren, dass ganze Generationen älter als 100 Jahre werden könnten. Ein weiterer wichtiger Faktor: Damit Hochbetagte lange leben können, muss eine Gesellschaft viel Geld und Zeit in Pflege und oft teure medizinische Versorgung investieren.

Altersbedingte Erkrankungen nehmen zu, Krankheiten aufgrund eines gesundheitsschädlichen Lebensstils erzeugen hohe Kosten. Nicht nur in Deutschland: In Großbritannien, wo das Gesundheitssystem besonders stark unter Kostendruck steht, fürchten viele bereits negative Folgen für die Lebenserwartung. Die USA meldeten im letzten Jahr sogar erstmals seit zwei Jahrzehnten keine Steigerung mehr, sondern einen leichten Rückgang.

In Pirmasens sterben die Menschen eher als in Starnberg

Großen Einfluss haben schließlich die sozialen Unterschiede. So beträgt die Differenz in der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Sierra Leone und Japan laut Studie 30 Jahre, zwischen einzelnen Regionen der USA immerhin noch 20 Jahre und zwischen einzelnen Kreisen in Deutschland im extremsten Fall noch acht Jahre. Die Lebenserwartung von Jungen im bayerischen Landkreis Starnberg lag zuletzt bei 81,5 Jahren, in Pirmasens in Rheinland-Pfalz dagegen nur bei 73,4 Jahren.

Grundsätzlich sind die Unterschiede bei der Lebenserwartung zwischen den Bundesländern in den letzten 20 Jahren kleiner geworden. Doch liegen zwischen Spitzenreiter Baden-Württemberg und Schlusslicht Sachsen-Anhalt bei den neugeborenen Jungen noch immer mehr als drei Jahre, bei den neugeborenen Mädchen fast zwei Jahre.

Neugeborene Jungen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen lagen bei der Lebenserwartung zuletzt unter dem deutschen Durchschnitt, Jungen in Hamburg leicht darüber. Mädchen in Berlin und Thüringen lagen im Bundesschnitt, Mädchen in NRW und Niedersachsen unter dem Durchschnitt, Mädchen in Hamburg ebenfalls leicht darunter.