Washington. Als lustiger TV-Familienvater Cliff Huxtable wurde Bill Cosby berühmt. Vor Gericht sieht er sich nun schweren Vorwürfen ausgesetzt.

Der Stuhl, auf dem Bill Cosby seit Montag im Gerichtssaal von Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania sitzt, ist etwas niedriger als der seines Anwalts. Das gibt dem fast 80-Jährigen die Chance, sich zu verstecken, wenn im Zeugenstand Dinge zur Sprache kommen, die den schwarzen TV-Superstar als rücksichtslosen Sex-Täter erscheinen lassen.

Als Andrea Constand, Opfer und Schlüsselfigur im spektakulärsten Promi-Prozess des Jahres, am dritten Prozesstag von der Verteidigung wieder mehr als drei Stunden in die Mangel genommen wurde, machte sich Cosby anders als zuvor nicht klein. Kein Wunder. Angela Agrusa, in Cosbys Anwälte-Team für Attacken zuständig, setzte der 44-Jährigen Physio-Therapeutin aus dem kanadischen Toronto im Kreuzverhör immer wieder mit Fragen zu, die ihre Glaubwürdigkeit bei den zwölf Geschworenen erschüttern soll.

Anwältin bestreitet sexuelle Übergriffe

Agrusas Tenor: Es gab gar keinen sexuellen Übergriff. Cosby und die frühere Basketball-Managerin an einer von Cosby finanziell unterstützten Universität in der Nähe von Philadelphia hatten einen „romantische Beziehung“.

Wie zum Beweis legte die Juristin Dokumente und Telefonlisten vor, die belegen sollen, dass Constand ihre Aussagen gegenüber der Justiz mehrfach korrigiert hat. Mal sei der Vorfall im Januar, mal im Februar, dann wieder im März 2004 geschehen, sagte Agrusa.

Opfer betrachtete Cosby als Mentor

Bei der Frau mit der wilden Naturlocken-Frisur, die die Vorwürfe mit einem emotionalen Ausnahmezustand erklärte, hörte sich das ganz anders an. Andrea Constand beschrieb, wie sie in Cosbys Privathaus in Elkins Park nahe Philadelphia eingeladen war, um mit dem Mann, den sie bis dahin als „Ratgeber“ und „Mentor“ empfand, über die Zeit nach ihrer Karriere im Sport zu reden. Wie Cosby ihr drei blaue Pillen, angeblich „rein pflanzlich“, in die Hand drückte, um zu „entspannen“. Wie ihr dann nach 30 Minuten schwindelig wurde. Wie sie nach Sprach-, Seh- und Koordinationsstörungen kurzzeitig bewusstlos war. Und wie sie beim Aufwachen Cosbys Finger unter ihrem Büstenhalter und in ihrer Vagina spürte.

„In meinem Kopf habe ich versucht, meine Hände und meine Beine zu bewegen. Aber ich war wie eingefroren“, beschrieb Constand mit zittriger Stimme den Moment der Hilflosigkeit. „Ich fühlte mich erniedrigt, ich war völlig durcheinander.“ Cosby, so sagt Constand, habe ihre Hand genommen, um seinen Penis zu massieren.

Staatsanwältin: Cosby setzte Frauen außer Gefecht

Auf den Vorwurf, Cosby habe sie unter Drogen gesetzt und ausgenutzt, soll der seit über 50 Jahren verheiratete Superstar erwidert haben: „Ich dachte, du hattest einen Orgasmus. Hattest du etwa nicht?“.

Staatsanwältin Kristen Feden erkennt in dem Fall ein Muster. Bill Cosby habe seine Opfer (insgesamt 60 Frauen sind seit 2014 mit ähnlichen Geschichten an die Öffentlichkeit gegangenen, die meisten Fälle sind strafrechtlich verjährt) erst benebelt und bewegungsunfähig gemacht - und danach missbraucht.

Verteidiger: Frau machte Cosby Geschenk

Völlig falsch, sagte der zweite Cosby-Verteidiger, Brian McMonagle, und stellte kategorisch fest, dass der 13 Jahre zurückliegende Intim-Kontakt einvernehmlich geschehen sei. So einvernehmlich, dass Andrea Constand danach mit ihren Eltern zu einem Aufttritt Cosbys gefahren sei und ihm sogar ein Geschenk gemacht habe.

Auch später habe die schlanke, 1,83 Meter große Frau den Multi-Millionär nicht wie einen Peiniger behandelt. Anwältin Agrusa präsentierte 72 Telefongespräche zwischen Constand und Cosby. 53 Mal habe die Klägerin den Hörer in die Hand genommen. Warum hat Constand den Kontakt nicht abgebrochen?

„Ich habe gespürt, dass sich Herr Cosby rächen und versuchen würde, mich oder meine Familie irgendwie zu verletzen, wenn ich zur Polizei gegangen wäre.“ Constands Mutter Gianna, die mehrfach mit Cosby über den Vorfall gesprochen hat, wird diese Einschätzung bestätigen. Der Prozess ist auf zwei Wochen angesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen Bill Cosby bis zu 30 Jahre Gefängnis.