Norristown. US-Entertainer Bill Cosby muss sich wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten. Medien müssen draußen bleiben.

Als dem Football-Helden Orenthal James Simpson vor über 20 Jahren der Prozess gemacht wurde, saß ganz Amerika vor den Fernsehgeräten. Alle wollten O. J., der beschuldigt war, seine Frau und deren Liebhaber bestialisch umgebracht zu haben, siegen oder untergehen sehen. Der live übertragene Schauprozess brachte dem Nachrichtensender CNN höhere Einschaltquoten als der erste Irak-Krieg.

Bill Cosby, einst Amerikas Vorzeige-Papa im TV, wird das nicht vergönnt sein. Als der 79-jährige Superstar Montag früh in Norristown/Pennsylvania auf einen Gehstoock gestützt im Gerichtssaal das Eröffnungsplädoyer von Kristen Feden gegen ihn hörte, nahm keine Kamera die Mimik des prominenten Afro-Amerikaners auf.

„Dieser Fall handelt von einem Mann, der seine Macht, seinen Ruhm und seine eingeübten Methoden benutzte, um eine junge Frau in einen handlungsunfähigen Zustand zu versetzen, damit er sich sexuell vergnügen kann“, sagte die Staatsanwältin. Cosby, der sich zum Auftakt von Tochter Keisha begleiten ließ, wird Missbrauch in drei Fällen vorgeworfen. Mögliches Strafmaß: 15 bis 30 Jahre.

Urteil im Cosby-Prozess in zwei Wochen erwartet

Richter Steven T. O’Neill hat den Prozess des Jahres so medienunfreundlich wie möglich gestaltet. Bewegtbilder im Saal sind verboten. Twittern dürfen die Reporter auch nicht.

Der Fall, um den es bis zum Urteil in zwei Wochen geht, führt zurück ins Jahr 2004. Andrea Constand, Basketball-Funktionärin der Temple-Universität in der Nähe von Cosbys Wohnort Philadelphia, fuhr damals schwere Geschütze auf. Cosby, der in Deutschland als Hauptdarsteller in der TV-Sitcom „The Bill Cosby Show“ bekannt wurde, habe ihr Beruhigungspillen verabreicht und sie danach sexuell belästigt.

Im TV spielte Bill Cosby die moralische Instanz

Zu einem Strafverfahren kam es nicht. Staatsanwalt Bruce Castor sah nicht genügend Beweise gegen den millionenschweren Entertainer. Obwohl damals 13 weitere Frauen erklärten, ihnen sei es mit Cosby ähnlich ergangen. Der Star wies alle Vorwürfe zurück. Mit Constand einigte er sich außergerichtlich und zahlte eine bis heute unbekannte Summe Schweigegeld. Akten versiegelt. Fall abgeschlossen.

Bis im Herbst 2014 der Komödiant Hannibal Buress Cosby als Serienvergewaltiger abkanzelte und so eine Ikone vom Sockel stieß. Ein Ventil ging auf und spülte einen hässlichen Fleck nach dem anderen auf die bis dahin weiße Weste von Dr. Cliff Huxtable, Cosbys Paraderolle, in der er als moralische Instanz in Sachen Familie, Erziehung und Werte auftrat.

Bill Cosby gestand 2005 das Gefügigmachen mit Pillen

Am Ende waren es fast 60 Frauen, die den seit mehr als 50 Jahren verheirateten Familienvater als Sex-Täter beschrieben, der seinen Ruhm und sein Geld als Schutzschirm einsetze, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Zugelassen zum Prozess ist aber nur der kurz vor der Verjährungsfrist wieder aufgerollte Fall Constand. Und der hat es in sich.

Wie einer versiegelt gewesenen eidesstattlichen Erklärung Cosbys zu entnehmen ist, hat er bereits 2005 zugegeben, sich in den 70er-Jahren reihenweise Frauen mit sogenannten Quaaludes gefügig gemacht zu haben. Die Pillen wirken beruhigend, senken die Hemmschwelle und sollen das Lustempfinden steigern. Allerdings, darauf besteht Cosby bis heute, seien die intimen Kontakte stets einvernehmlich gewesen.

Bill Cosby sieht sich als Opfer rachsüchtiger Frauen

Constand und alle anderen „Opfer“ bestreiten das. Ihre Beine seien „wie Pudding“ und sie selbst „wie weggetreten“ gewesen, als sich Cosby ihrer bemächtigte, sagte Constand. Ihre Vernehmung und die einer anderen Zeugin wird mit Hochspannung erwartet. Cosby dagegen, der vorgibt, fast blind zu sein, will stumm bleiben. Er sieht sich als Opfer rachsüchtiger Frauen, die seine Karriere zerstören und alte Rechnungen begleichen wollen.

Die Hauptfiguren des Showdowns sind Bezirksstaatsanwalt Kevin Steele und Cosbys Chefverteidiger Brian McMonagle. Der Advokat will die Glaubwürdigkeit Constands erschüttern. Sein Argument: Wenn Cosby denn wirklich so ein Scheusal war, warum hat die inzwischen in Kanada lebende Physiotherapeutin ihn nach der Schlüssel-Begegnung noch mehrfach besucht? Von der Anklage bestellte Psychologen werden erläutern, warum dieses Opfer-Verhalten nicht untypisch ist.

Sorge um Objektivität der Geschworenen

Richter O’Neill hat enge Grenzen gesetzt, was die 480 Kilometer entfernt in Pittsburgh akribisch ausgesuchten zwölf Geschworenen wann im Prozess erfahren dürfen. Wegen des hohen Bekanntheitsgrads Cosbys, der durch die Vorwürfe dramatisch an Reputation eingebüßt hat und künstlerisch auf dem Abstellgleis steht, bestehe die Sorge, dass die sieben Männer und fünf Frauen, darunter nur zwei Schwarze, „voreingenommen sein könnten“, schreiben Lokalzeitungen.