London. Die Attentäter von London sind identifiziert. Einer der Verdächtigen soll aus Pakistan stammen, ein anderer aus Marokko oder Libyen.
Zwei Tage nach dem Terroranschlag in London hat die britische Polizei zwei der drei mutmaßlichen Attentäter identifiziert. Es handele sich um den 27-jährigen Khuram Shazad Butt, einen in Pakistan geborenen Briten, und den 30 Jahre alten Rachid Redouane, der sich als Marokkaner oder auch als Libyer ausgegeben habe, teilte die Polizei am Montag mit. Beide wohnten demnach im Ostlondoner Stadtteil Barking.
Zwölf Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Attentat vom Samstagabend festgenommen, sieben Frauen und fünf Männer. Inzwischen seien alle ohne Anklage entlassen worden, teilte die Polizei am späten Montagabend mit. Zudem kümmerten sich Experten um die Hinterbliebenen der Todesopfer. Sie sorgten sich auch um die Familie einer Person, die als vermisst gilt.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Terroranschlag in London indes für sich reklamiert. Kämpfer des Islamischen Staates hätten die Tat ausgeführt, meldete das IS-Sprachrohr Amak am Sonntagabend in einem Bekenntnis im Internet.
Deutscher Staatsangehöriger schwer verletzt
Auch Deutsche sind indes bei dem Terroranschlag verletzt worden. Eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit trug schwere Verletzungen davon, wie aus dem Auswärtigen Amt in Berlin zu hören war. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière sind insgesamt zwei Deutsche verletzt. Unter den bei dem Anschlag Getöteten ist zudem ein kanadischer Staatsbürger, wie Kanadas Premierminister Justin Trudeau mitteilte, sowie franceinfo zufolge auch ein Franzose.
Bei dem Attentat im Herzen der britischen Hauptstadt waren mindestens sieben Menschen getötet worden, etwa 50 Menschen wurden verletzt. Von ihnen sind laut dem britischen Nationalen Gesundheitsdienst NHS noch immer 21 in kritischem Zustand, berichtet der „Guardian“.
Die Attacke begann am späten Samstagabend gegen 23.08 Uhr deutscher Zeit auf der London Bridge im Zentrum und setzte sich auf dem nahe gelegenen Borough Market fort. Die Täter griffen ihre Opfer zuerst mit einem Kleintransporter und dann mit Messern an.
Zweithöchste Terrorwarnstufe besteht weiter
Die britische Regierung beschloss, die Terrorwarnstufe auf dem aktuell bestehenden zweithöchsten Level zu belassen. Ein Anschlag gilt damit als sehr wahrscheinlich.
Wegen des Angriffs auf das Popkonzert in Manchester vor etwa zwei Wochen hat war das Level für einige Tage auf die höchste Stufe „kritisch“ erhöht worden.
Polizei nimmt zwölf Verdächtige fest
Unterdessen liefen am Sonntag die Ermittlungen auf Hochtouren. Die britische Polizei führte Medienberichten zufolge auch Durchsuchungen im Londoner Stadtteil East Ham durch. Zuvor hatten Beamte bereits insgesamt zwölf Menschen im Bezirk Barking im Osten Londons festgenommen. Wie die Londoner Polizei mitteilte, durchsuchten die Ermittler dort mehrere Wohnungen, darunter laut Medienberichten auch die Wohnung von einem der Attentäter.
In dem durchsuchten Gebäude befindet sich laut Medienberichten offenbar die Wohnung eines der erschossenen Täter. Das berichtet der Sender Sky News, der nach eigenen Angaben drei Nachbarn ein Foto des getöteten Terroristen vorgelegt hat. Die Befragten hätten bestätigt, dass der Mann auf dem Bild ein Nachbar gewesen sei. Auch gegenüber dem „Guardian“ berichteten Anwohner, den Mann zu kennen. Von der Polizei gibt es dazu bislang keine offizielle Stellungnahme.
May kündigt strengere Maßnahmen gegen den Terror an
Großbritanniens Premierministerin Theresa May kündigte unterdessen eine härtere Gangart an. „Jetzt reicht’s“, sagte sie bei der Sitzung ihres Krisenkabinetts am Sonntag.
May forderte mehr Überwachung im Internet. Der „Cyberspace“ biete Extremisten einen Rückzugsort für ihre Machenschaften, sagte sie. Dies dürfe man nicht dulden. Eine internationale Vereinbarung sei zur Bekämpfung des Extremismus notwendig.
Keine Verbindungen zu Manchester
Die drei jüngsten Anschläge in Großbritannien sind nach Einschätzung von May nicht direkt miteinander verknüpft. Es gebe aber einen neuen Trend, „bei dem Terror noch mehr Terror hervorruft“. Man dürfe deshalb nicht länger so tun, als könne alles so weitergehen wie bisher.
London: Die Hauptstadt im Ausnahmezustand
Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden die Angreifer am Borough Market von Sicherheitskräften erschossen – acht Minuten nach Eingang des ersten Notrufs. Die Attentäter hätten Westen getragen, die so aussahen, als würden sie Sprengstoff enthalten. Die Westen hätte sich später jedoch als harmlose Attrappen entpuppt.
Londoner bieten Unterkunft an
Die Polizei sperrte große Areale in der Stadt weiträumig ab und verbreitete auch Verhaltensregeln für den Fall eines Angriffs.
Davon unbeeindruckt boten Londoner über soziale Netzwerke gestrandeten Menschen eine Unterkunft an. Eine Geste, die auch in anderen Städten nach ähnlichen Vorfällen schon viele Menschen beeindruckt hat. Vorsorglich waren drei Krankenhäuser für Opfer bestimmt worden, ein Hotel wurde benannt für Verletzte, die noch laufen können.
Kontrollierte Sprengungen
Londons muslimischer Bürgermeister Sadiq Khan sprach von einer „gezielten und feigen Attacke“ auf unschuldige Londoner und Besucher. Die Polizeipräsenz in der Hauptstadt werde erhöht. Um kurz vor 3 Uhr schrieb er, die Situation sei noch nicht geklärt. Um 2 Uhr hatte es zwei Detonationen gegeben – kontrollierte Sprengungen der Polizei.
Die britische Innenministerin Amber Rudd nannte die Attacke „entsetzlich“. Diese habe sich gegen Menschen gerichtet, die sich mit ihren Freunden und Familien amüsiert hätten. Unter diesen „schwierigen und traumatischen Umständen“ sei sie vor allem der Polizei und den Sicherheitskräften für ihren schnellen Einsatz dankbar, so die Innenministerin.
Wahlkampf wird ausgesetzt
Nach dem Terroranschlag in London hat die Konservative Partei von Premierministerin Theresa May am Sonntag ihren Wahlkampf für die Parlamentswahlen am Donnerstag vorübergehend ausgesetzt, wie ein Sprecher am Morgen mitteilte.
Der Wahlkampf wird am Montag weitergehen, sagte Premierministerin May. Auch Forderung nach einer Verschiebung der Wahl erteilte sie eine Absage. Die Wahl werde wie geplant stattfinden.
Trump fordert Einreiseverbot
US-Präsident Donald Trump habe May noch in der Nacht telefonisch sein Mitgefühl ausgesprochen, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Auf Twitter schrieb Trump: „Was auch immer die Vereinigten Staaten tun können, um in London und im Vereinigten Königreich zu helfen, wir werden da sein“.
Zudem nutzte er die Anschläge, um seine Forderung nach einem Einreiseverbot zu verdeutlichen. „Wir müssen intelligent, wachsam und robust sein. Wir benötigen die Gerichte, um uns unsere Rechte zurückzugeben. Wir brauchen das Einreiseverbot als zusätzliches Maß an Sicherheit“, hieß es in einem weiteren Tweet.
Deutschland und Frankreich an Großbritanniens Seite
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bestürzt über die Anschläge von London und bekundete Solidarität mit Großbritannien. „Wir sind heute über alle Grenzen hinweg im Entsetzen und der Trauer vereint, aber genauso in der Entschiedenheit“, erklärte Merkel am Sonntag. Deutschland stehe im Kampf gegen jede Form von Terrorismus fest und entschlossen an der Seite Großbritanniens.
Der französische Staatspräsidenten Emmanuel Macron schrieb auf Twitter, Frankreich stehe nach der „neuen Tragödie“ an der Seite Großbritanniens. Der russische Präsident Wladimir Putin teilte Premierministerin May mit, angesichts des Londoner Anschlags sollten die gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus verstärkt werden, wie das Präsidialamt in Moskau mitteilt
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kündigte an, man werde keine Angst zeigen: „Die feigen Menschen, die diese Angriffe verübt haben, werden weder unsere Widerstandskraft noch unser Mitgefühl oder unsere Demokratien aushöhlen.“
Beatrix von Storch geht Heiko Maas an
Auf Twitter gab es unterdessen eine Auseinandersetzung zwischen Bundesjustizminister Heiko Mass und der AfD-Vizevorsitzenden Beatrix von Storch. Der SPD-Politiker hatte am Sonntagmorgen auf Twitter geschrieben: „Erschütternd. Erneut ist Großbritannien Ziel eines feigen Anschlages geworden. Unsere Gedanken sind bei unseren britischen Freunden.“ Storch twitterte wenige Minuten später: „Sparen Sie sich Ihr Erschüttert-Unbegreiflich-Stehen_zusammen-In-Gedanken-bei-BLABLA. Sprechen Sie das Problem aus!“ In einem anderen Tweet schrieb sie: „Das Problem heißt: Islam.“
IS sieht Anschlag als Erfolg
Londons Bürgermeister Sadiq Khan rief für Montag (18.00 Uhr Ortszeit/19.00 Uhr MESZ) zu einer Mahnwache im Potters Fields Park auf, um der Opfer des Anschlags vom Samstag zu gedenken. Die Grünfläche liegt am Rathaus an der Themse und unweit der London Bridge, auf der die Terrorattacke am Samstagabend begonnen hatte.
Als Zeichen der Solidarität mit London und seinen Bewohnern wurde in Berlin am Sonntagabend das Brandenburger Tor mit dem „Union Jack“, der britischen Flagge, angestrahlt.
Das letzte Attentat in Großbritannien liegt gerade einmal zwei Wochen zurück: In Manchester hatte am 22. Mai ein Selbstmordattentäter nach einem Auftritt der US-Sängerin Ariana Grande 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Bei einem Benefizkonzert in der nordenglischen Stadt gedachte Grande am Sonntagabend gemeinsam mit Kollegen wie Miley Cyrus und Justin Bieber sowie 50 000 Zuhörern der Opfer dieses Anschlags. Zugleich wollten sie ein Zeichen gegen den Terror setzen. Das Konzert stand unter dem Motto „One Love Manchester“. (bekö/law/nsa/dpa/rtr)