Berlin . Mit 13 riss Julia Dietze als Punkgirl von zu Hause aus. Heute ist sie ein gefeierter Filmstar – und die Neue im „Fack ju Göhte“-Film.

Julia Dietze (36) wirkt noch verschlafen. Erst am Vortag ist sie aus Kalifornien zurückgekehrt, dort war sie mit dem DJ Marcel Dettmann aus dem Berliner Berghain und dessen Familie auf dem Coachella-Festival. Zwei Wochen Wüste, Sand und viel Musik – genau das Richtige nach drei anstrengenden Jahren voller Filmdrehs. „Am wenigstens hat mir der Auftritt von Lady Gaga gefallen“, sagt sie. Grund: Die Sängerin sei in einer „italienischen SS-Uniform“ aufgetreten.

Gleich vier Filme kommen demnächst mit Dietze ins Kino. Ein sicherer Kassenhit ist dabei: „Fack ju Göhte 3“, der am 26. Oktober startet. Im neuen Teil der Lehrer-Klamotte ersetzt sie Karoline Herfurth. Auf Instagram zeigt Dietze sich bei Dreharbeiten mit schwangerem Bauch. „Wer ist wohl der Daddy?“, schreibt sie dazu und deutet damit an, dass Chaoslehrer Zeki Müller (Elyas M’Barek) im neuen Teil Vater werden könnte.

Meisterin im Reiki

2012 feierte Julia Dietze bei der Berlinale ihren internationalen Durchbruch mit dem finnischen Indepen­dentfilm „Iron Sky“, in dem sie die Tochter eines Nazis spielt, die auf dem Mond wohnt. Dietze hatte da bereits Rollen von der Stripperin bis zum Junkie. Doch von dem Angebot in „Iron Sky“ rieten ihr vor allem ihre amerikanischen Branchenkontakte ab. Einen Film zu drehen, der so unkonventionell mit der deutschen Geschichte umgeht, könne ihre Karriere ruinieren. Doch Julia Dietze vertraute ihrer Intuition. Mit Erfolg, in diesem Jahr erscheint der zweite Teil.

Dietze ist in einer Bohemien-Familie aufgewachsen. Ihr Vater Mathias Dietze ist Künstler. „Er ist mein engster Vertrauter“, sagt sie. Ihre Mutter war Meisterin im Reiki, ein esoterisches Konzept, das sich um Lebensenergie dreht. Sie verstarb, als Julia Dietze acht Jahre alt war. Ihre Schwestern waren damals erst vier Jahre und fünf Monate alt. „Mein Vater und ich haben sie gemeinsam großgezogen“, sagt sie. Der frühe Trauerfall hat sie geprägt. „Verlustängste“ habe sie gehabt und den Glauben, dass „Liebe und Schmerz miteinander verbunden sind“. Geholfen habe ihr die Schauspielerei.

Umwege und Verästelungen

„Ich bin in unterschiedliche Charaktere geschlüpft, dadurch konnte ich meine persönlichen Ängste loslassen und heilen“, sagt sie. „Außerdem braucht man als Schauspieler die Liebe zum Menschen, wie ein innerer Voyeur oder Kompass.“ Ihren Weg geht Dietze, die in Marseille geboren wurde und in München aufwuchs, seit jeher eigenwillig. Im Alter von 13 Jahren sollte sie ins Internat, doch sie floh nach Amsterdam und zog in ein besetztes Haus.

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    „Heute würde ich sagen, das war wahnsinnig naiv und nur ein Hilfeschrei, um bei meiner Familie bleiben zu können“, so die Wahlberlinerin. Zwar holte ihr Vater sie bald mit Hilfe der Polizei zurück, das Internat aber war vom Tisch. Punk, Dreadlocks und grüne Haare gehörten für sie allerdings seitdem für Jahre dazu. Die Geschichte von Julia Dietze hat viele Abzweigungen, Umwege und Verästelungen. Wenn sie erzählt, kommt sie von Albert Einstein über Chemtrails-Verschwörungstheorien zu Steven Spielberg. „Wo waren wir noch mal?“, fragt sie dann plötzlich, ohne dass es ihr wieder einfällt.

    Prinzip der Wiedergeburt

    Die Offenheit und Neugier auf das Leben habe sie vom Vater, sagt sie. Auch musikalisch habe er sie inspiriert. Jimi Hendrix und Janis Joplin waren die Helden ihrer Kindheit, The Doors hat sie ein Jahr lang in Dauerrotation gehört – bis ihr Vater die Alben versteckte.

    Und die Mutter? Wie hat die sie geprägt? Schweigen. „Beim Pastakochen hat sie mir als Kind erklärt, dass das Wasser als Dampf aufsteigt, dann Form annimmt, zu Regen wird und als einzelner Tropfen wieder ins Meer zurückfällt“, sagt sie dann. So habe sie ihr die Wiedergeburt erklärt. Julia Dietze muss los. Am Abend hat sie einen Termin auf dem roten Teppich, der Make-up-Artist wartet. Gerade noch Wüstenwind in Coachella und nun Glamour in Berlin. Julia Dietze füllt jede Rolle aus.