Lauenförde. Der 81-jährige Winfried Langner war mit seinem Traktor bereits am Nordkap. Sonnabend geht es von Südniedersachsen aus nach Russland.

Morgens stottert der Motor, der Trecker ist schließlich fast sechs Jahrzehnte alt. Nach dem Warmlaufen aber tuckert die betagte Maschine so zuverlässig vor sich hin, als wäre sie gerade erst vom Stapel gelaufen.

Winfried Langner hat seinen grün lackierten Deutz-Traktor in den letzten Wochen Schraube für Schraube auseinandergenommen und sämtliche Verschleißteile ersetzt. Jetzt sind Fahrzeug und Fahrer bereit für ihre große Reise: Kommenden Sonnabend wird Langner in die Führerkabine steigen und von Südniedersachsen aus nach Russland juckeln.

Der kauzig-freundliche Herr mit der Brille und dem Basecap ist 81 und Deutschlands vielleicht kuriosester Weltreisender. „Im Auto erlebt man doch nichts“, findet er. „Im Trecker lerne ich Land und Leute kennen, das ist die pure Entspannung.“ Wenn Langner aufbricht, wird sich ganz Lauenförde auf dem Dorfplatz versammeln, um seinen „Trecker-Willi“ zu verabschieden. Seit das NDR-Fernsehen vor Jahren eine mehrteilige Reportage über ihn ausstrahlte, ist er der bekannteste Einwohner des Örtchens bei Holzminden.

Angst vor Ruhestand

Der 81-jährige Rentner plant mit seinem Trecker und Mini-Wohnwagen von der Oberweser ins russische St. Petersburg zu reisen.
Der 81-jährige Rentner plant mit seinem Trecker und Mini-Wohnwagen von der Oberweser ins russische St. Petersburg zu reisen. © dpa | Swen Pförtner

Langner hat die Lauenförder Fahne schon am Nordkap und auf Mallorca gehisst, nun wird er sie nach St. Petersburg tragen. Erst in vier Monaten will Willi wieder nach Hause kommen. Die Geschichte, wie Winfried Langner zu Trecker-Willi wurde, begann vor mehr als zehn Jahren. Als der Baumaschinenmonteur in Rente ging, war das für ihn mehr Last als Erleichterung. Es graute ihm vor dem Ruhestand.

„Ich wusste nicht, was ich machen soll. Einfach im Garten sitzen, das kann ich nicht“, sagt Langner. Der Witwer brauchte eine Aufgabe – und fand sie, als er sich den alten Ackerschlepper kaufte. Irgendwann kam er auf die Idee, einfach loszufahren. Er war in Österreich und in der Schweiz, in Spanien und in Norwegen, jedes zweite Jahr eine Tour.

Nächstes Etappenziel

Langner will niemandem etwas beweisen, sondern einfach nur fahren: mit 18 km/h über einsame Landstraßen. Auf seinen Reisen kommt er mit netten Menschen in Kontakt, die den verschrobenen Deutschen zwar nicht verstehen, ihn aber drollig finden und spontan zum Essen einladen. Einmal, erzählt er, hat er sich in Frankreich verfahren. Als er einen Polizisten ansprach, verstanden sie sich so gut, dass der Gendarm ihn mit Blaulicht zum nächsten Etappenziel eskortierte.

Winfried Langner mit seinem Trecker und Mini-Wohnwagen bei Lauenförde (Niedersachsen).
Winfried Langner mit seinem Trecker und Mini-Wohnwagen bei Lauenförde (Niedersachsen). © dpa | Swen Pförtner

6000 Kilometer sind es von Lauenförde nach St. Petersburg und zurück. Sein Weg führt ihn über Polen, die russische Exklave Kaliningrad, Litauen, Lettland und Estland. Eigentlich wollte er über Moskau und die Ukraine zurück. Als er seinen sechs Kindern davon erzählte, ging aber die älteste Tochter dazwischen und redete ihm diesen Plan aus. „Da hätte ich zu viel Angst, dass ihm etwas passiert“, sagt Sabine Langner-Uslu. Jetzt lässt sich der „Vatti“, wie sie ihn nennt, die Route offen. Vielleicht werde er mit der Fähre nach Finnland übersetzen. Mal sehen, bloß nicht zu viel planen, das mache das Reisegefühl kaputt.

Auf sich gestellt

Unterwegs führt Langner ein karges Leben. Auf seinem Russland-Trip wird er in einem winzigen Wohnwagen am Straßenrand schlafen. „Alle drei Tage möchte ich auf einen Campingplatz – um mich mal richtig zu waschen.“ Zum Essen wird er so oft wie möglich in Lokale einkehren. Nicht etwa, weil er so ein experimentierfreudiger Feinschmecker wäre: Langner mag einfach das Kochen und Geschirrspülen nicht.

Er ist dann ganz auf sich gestellt. Auf früheren Reisen hat er schon mal einen Kumpel mitgenommen, den Günther aus Nordfriesland, der auch in den NDR-Reisereportagen zu sehen war. Aber Kompromisse sind nicht seine Sache. „Da kriegt man einen an der Waffel“, schimpft er. Lieber ist er allein, nur er, die Straße und sein Traktor-Oldie. Auch wenn er weder Russisch noch Englisch spricht. Kein Problem, versichert er aus Erfahrung: „Mit Händen und Füßen kann man sich mit jedem Menschen verständigen.“