New York. Ella Fitzgeralds unbeschwerter Gesang strahlte ewige Jugend aus. Wie hart ihr Weg auf die Bühne zunächst war, blieb ihr Geheimnis.

Als Sängerin verstand sich Ella Fitzgerald eigentlich nie, zumindest am Anfang nicht. Die junge Afroamerikanerin aus ärmlichen Verhältnissen in Yonkers bei New York wollte tanzen. Ausgerechnet ihre weichen Knie im Lampenfieber sollen dazu geführt haben, dass sie im Apollo Theatre in Harlem stattdessen ihre Stimme tanzen ließ, die sie berühmt machte. Bald reifte sie zur First Lady des Jazz heran – am 25. April wäre Fitzgerald 100 Jahre alt geworden.

Zum Auftritt in der als „Amateur Night“ bekannten Talentschau, bei der unter anderem die Jackson 5 und James Brown ihre Karrieren begannen, war die 17-Jährige über ein Losverfahren gekommen. Das heiße Tanz-Duo vor ihr hatte sie offenbar eingeschüchtert, und als ihre Beine versagten, soll das als erbarmungslos berüchtigte Publikum in Gelächter ausgebrochen sein. Doch mit „The Object of My Affection“ von Connee Boswell zog sie die Zuschauer auf ihre Seite – und gewann.

Ella Fitzgeralds Leben in Bildern

„Ich bin kein Glamour-Typ“, sagte Ella Fitzgerald einmal über sich selbst. „Es fällt mir schwer, vor einer Menschenmenge aufzutreten. Aber Gott gab mir dieses Talent, damit ich es nutze. Also stehe ich einfach da und singe.“ Mehr brauchte sie nicht, um zur Jazz-Ikone zu werden. Am 25. April wäre sie 100 Jahre alt geworden.
„Ich bin kein Glamour-Typ“, sagte Ella Fitzgerald einmal über sich selbst. „Es fällt mir schwer, vor einer Menschenmenge aufzutreten. Aber Gott gab mir dieses Talent, damit ich es nutze. Also stehe ich einfach da und singe.“ Mehr brauchte sie nicht, um zur Jazz-Ikone zu werden. Am 25. April wäre sie 100 Jahre alt geworden. © Getty Images | Keystone
Am 25. April 1917 kam Ella Fitzgerald in Newport News im US-Bundesstaat Virginia zur Welt. Ihre Karriere schien wie ein Märchen zu sein: Sie schaffte es von ganz unten bis ganz nach oben. Kurz nach Ellas Geburt verschwindet ihr Vater, 1932 stirbt ihre Mutter durch einen Autounfall.
Am 25. April 1917 kam Ella Fitzgerald in Newport News im US-Bundesstaat Virginia zur Welt. Ihre Karriere schien wie ein Märchen zu sein: Sie schaffte es von ganz unten bis ganz nach oben. Kurz nach Ellas Geburt verschwindet ihr Vater, 1932 stirbt ihre Mutter durch einen Autounfall. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / Courtesy Everett Collection
Die 15-Jährige ist plötzlich auf sich allein gestellt. Sie zieht zu einer Tante nach New York, nach Harlem, dem „schwarzen“ Viertel Manhattans. Ella schwänzt die Schule, treibt sich herum. Doch der Gesang und das Tanzen geben ihr Halt.
Die 15-Jährige ist plötzlich auf sich allein gestellt. Sie zieht zu einer Tante nach New York, nach Harlem, dem „schwarzen“ Viertel Manhattans. Ella schwänzt die Schule, treibt sich herum. Doch der Gesang und das Tanzen geben ihr Halt. © imago | ZUMA Press
Als sie mit 17 Jahren im Apollo Theatre bei einer „Amateur Night“ die Chance für einen Auftritt bekommt, will sie eigentlich tanzen. Dann singt sie ein Lied – das Publikum ist begeistert. Berühmt wird sie 1938 mit ihrer eigenen Version des Kinderlied-Klassikers „A-Tisket A-Tasket“.
Als sie mit 17 Jahren im Apollo Theatre bei einer „Amateur Night“ die Chance für einen Auftritt bekommt, will sie eigentlich tanzen. Dann singt sie ein Lied – das Publikum ist begeistert. Berühmt wird sie 1938 mit ihrer eigenen Version des Kinderlied-Klassikers „A-Tisket A-Tasket“. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance / Courtesy Everett Collection
Der Song stürmt an die Spitze der Charts, hält sich dort wochenlang. Zu diesem Zeitpunkt ist sie schon von dem Schlagzeuger Chick Webb engagiert, der mit seiner Band im damals schwer angesagten „Harlem’s Savoy Ballroom“ auftritt.
Der Song stürmt an die Spitze der Charts, hält sich dort wochenlang. Zu diesem Zeitpunkt ist sie schon von dem Schlagzeuger Chick Webb engagiert, der mit seiner Band im damals schwer angesagten „Harlem’s Savoy Ballroom“ auftritt. © imago | Philippe Gras
Die Nachwuchssängerin begeistert das Publikum mit ihrer Vielseitigkeit. Ella Fitzgerald kann einfach alles – sie singt Swing, den neuen Bebop, Gospel, später auch Blues.
Die Nachwuchssängerin begeistert das Publikum mit ihrer Vielseitigkeit. Ella Fitzgerald kann einfach alles – sie singt Swing, den neuen Bebop, Gospel, später auch Blues. © imago | Philippe Gras
„Dream a Little Dream of Me“ und „It Don’t Mean a Thing (If It Ain’t Got That Swing)“ gehören zu ihren großen Erfolgen.
„Dream a Little Dream of Me“ und „It Don’t Mean a Thing (If It Ain’t Got That Swing)“ gehören zu ihren großen Erfolgen. © imago | ZUMA/Keystone
Zu einer Stärke wird der „Scat-Stil“ – die vergnügte sinnfreie Aneinanderreihung von Silben und Vokalen: Eine jazzige Technik, die Fitzgerald einfallsreich weiterentwickelt.
Zu einer Stärke wird der „Scat-Stil“ – die vergnügte sinnfreie Aneinanderreihung von Silben und Vokalen: Eine jazzige Technik, die Fitzgerald einfallsreich weiterentwickelt. © dpa | Herold
Für das „Duke Ellington Songbook“ bekommt sie 1958 als erste Afroamerikanerin einen Grammy. Insgesamt 14 Mal wurde sie mit dem Musikpreis ausgezeichnet, darunter 1967 mit dem Grammy für ihr Lebenswerk.
Für das „Duke Ellington Songbook“ bekommt sie 1958 als erste Afroamerikanerin einen Grammy. Insgesamt 14 Mal wurde sie mit dem Musikpreis ausgezeichnet, darunter 1967 mit dem Grammy für ihr Lebenswerk. © dpa | Bob Dear
Ihre Stimme umfasste drei Oktaven. Sie klang mal frech und fröhlich, dann wieder sanft und samtig. Auch tiefe und dunkele Töne beherrschte sie. Sie konnte krächzen, kichern und kieksen, gackern, krähen und plappern. Sie konnte fast alles. Diese Aufnahme zeigt sie mit Louis Armstrong im Jahr 1971.
Ihre Stimme umfasste drei Oktaven. Sie klang mal frech und fröhlich, dann wieder sanft und samtig. Auch tiefe und dunkele Töne beherrschte sie. Sie konnte krächzen, kichern und kieksen, gackern, krähen und plappern. Sie konnte fast alles. Diese Aufnahme zeigt sie mit Louis Armstrong im Jahr 1971. © picture alliance / ASSOCIATED PR | dpa Picture-Alliance /
Es machte der Sängerin sichtlich Spaß, zu improvisieren und das Timbre ihrer Stimme fantasievoll einzusetzen. Und sie genoss den Austausch mit dem Publikum.
Es machte der Sängerin sichtlich Spaß, zu improvisieren und das Timbre ihrer Stimme fantasievoll einzusetzen. Und sie genoss den Austausch mit dem Publikum. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Die sogenannten „Songbooks“ bekannter Jazzkomponisten wie Cole Porter, Irving Berlin oder George und Ira Gershwin wurden zu Fitzgeralds Markenzeichen.
Die sogenannten „Songbooks“ bekannter Jazzkomponisten wie Cole Porter, Irving Berlin oder George und Ira Gershwin wurden zu Fitzgeralds Markenzeichen. © dpa | Horst Ossinger
Mit Norman Granz (r.), dem Gründer des Jazz-Labels „Verve“ unternimmt sie weltweit Tourneen, tritt etwa in Berlin mit dem Programm „Ella in Berlin: Mack the Knife“ auf. Diese Aufnahme von 1971 zeigt Fitzgerald an ihrem Geburtstag mit Granz und Count Basie, bedeutendster Bandleader des Swing.
Mit Norman Granz (r.), dem Gründer des Jazz-Labels „Verve“ unternimmt sie weltweit Tourneen, tritt etwa in Berlin mit dem Programm „Ella in Berlin: Mack the Knife“ auf. Diese Aufnahme von 1971 zeigt Fitzgerald an ihrem Geburtstag mit Granz und Count Basie, bedeutendster Bandleader des Swing. © Getty Images | Keystone
1987 wird Ella Fitzgerald mit der National Medal of Arts ausgezeichnet – überreicht von dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan.
1987 wird Ella Fitzgerald mit der National Medal of Arts ausgezeichnet – überreicht von dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Zwei der berühmtesten Jazz-Musiker gemeinsam auf der Bühne: Ella Fitzgerald und Benny Goodman im Jahr 1982.
Zwei der berühmtesten Jazz-Musiker gemeinsam auf der Bühne: Ella Fitzgerald und Benny Goodman im Jahr 1982. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Ihr Privatleben, etwa die Ehe mit dem Bassisten Ray Brown, hielt die Sängerin von der Öffentlichkeit fern.
Ihr Privatleben, etwa die Ehe mit dem Bassisten Ray Brown, hielt die Sängerin von der Öffentlichkeit fern. © imago | ZUMA/Keystone
Viele Jahre litt sie unter gesundheitlichen Problemen, so war 1986 eine aufwendige Herzoperation notwendig, ein fünffacher Bypass. Dazu kam Diabetes, der ihre Augen schädigte und 1993 die Amputation beider Unterschenkel nach sich zog. Im selben Jahr gründete die Sängerin die „Ella Fitzgerald Charitable Foundation“, die Menschen in Not unterstützt.
Viele Jahre litt sie unter gesundheitlichen Problemen, so war 1986 eine aufwendige Herzoperation notwendig, ein fünffacher Bypass. Dazu kam Diabetes, der ihre Augen schädigte und 1993 die Amputation beider Unterschenkel nach sich zog. Im selben Jahr gründete die Sängerin die „Ella Fitzgerald Charitable Foundation“, die Menschen in Not unterstützt. © dpa | Tim Brakemeier
Die „First Lady of Song“ starb am 15. Juni 1996 zu Hause in Beverly Hills. Sie wurde 79 Jahre alt.
Die „First Lady of Song“ starb am 15. Juni 1996 zu Hause in Beverly Hills. Sie wurde 79 Jahre alt. © picture alliance / ASSOCIATED PR | dpa Picture-Alliance /
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Stiefvater misshandelte Ella Fitzgerald

13 Grammys und 40 Millionen verkaufte Alben später gilt Fitzgerald als eine der größten Sängerinnen des Genres. Ihre sanfte und über drei Oktaven reichende Stimme mit einer unverwechselbaren Klangfarbe setzte sie in ihrem sehr breiten Repertoire wie ein Instrument ein. Bis heute scheinen ihre Interpretationen von „They Can’t Take That Away From Me“, „It Don’t Mean A Thing“ oder „How High The Moon“ ewige Jugend auszustrahlen.

Leicht hatte es Fitzgerald auf ihrem Weg nicht: Ihren Vater lernte sie nie kennen, ihre Mutter starb, als Ella 15 Jahre alt war, ihr Stiefvater misshandelte sie. Sie stand in einem Bordell Schmiere und arbeitete als Assistentin für Glücksspieler, ehe sie nach Aufenthalten bei ihrer Tante in Harlem, im Waisenhaus und einer Erziehungsanstalt auf der Straße landete. „Sie lebte mit den Menschen, mit denen sie sprach, aß mit ihnen und schlief, wo immer sie konnte“, erinnerte sich Sänger Charles Linton an das ungewaschene Mädchen später, das auch für Trinkgeld auf der 125th Street tanzte.

Chick Webb brachte ihr den Durchbruch

Sicher hätte die spätere Star-Sängerin diese harten Anfänge in der Presse ausschlachten können, doch sie behielt diese Details für sich. „Anders als Pop-Ikonen von Sinatra bis Madonna verwandelte Fitzgerald ihr Privatleben nicht in eine melodramatische Nebenaufführung für den öffentlichen Konsum“, schrieb die „New York Times“ über die Tatsache, dass Fitzgerald über diese Phase ihres Lebens nie sprach.

Erst Chick Webb, mit dessen Orchester sie ab 1935 im Savoy Ballroom auftrat, entwickelte sich zum Mentor und Freund, der ihr den Weg ebnete. Sie sang erste Schallplatten ein und landete mit ihrer Swing-Fassung des Kinderlieds „A-Tisket, A-Tasket“ einen Hit. Der erste von ihr mitverfasste Song „You Showed Me the Way“ (Du hast mir den Weg gezeigt) kann fast als Liebeserklärung und Dank an Webb und das Orchester gelesen werden, das ihr neues Zuhause wurde. Als Webb 1939 an Tuberkulose starb, übernahm Fitzgerald die Band mit mäßigem Erfolg, entwickelte sich selbst musikalisch aber weiter.

Marilyn Monroe holte Fitzgerald nach Hollywood

Im schwarzen Harlem mag Fitzgerald begeistert haben, doch die Welt des weißen Showbusiness blieb ihr erst versperrt. Selbst beliebte schwarze Musiker wurden in den 50er- und 60er-Jahren systematisch aus Clubs, Hotels und Restaurants ausgeschlossen oder aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert. Keine Geringere als Marilyn Monroe, die Fitzgeralds Gesang studiert hatte, verschaffte der Afroamerikanerin einen Auftritt im Mocambo – jenem Club in Hollywood, in dem Frank Sinatra 1943 sein Debüt feierte und den Größen wie Charlie Chaplin, Humphrey Bogart und Lauren Bacall besuchten. „Danach musste ich nie wieder in einem kleinen Jazzclub spielen“, schrieb Fitzgerald später.

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    Weltweit ging die Sängerin auf Tour, manch unvergessene Abende an der Seite von Sinatra, Louis Armstrong oder ihrem Lieblingspianisten Count Basie. Sie perfektionierte den Scat-Gesang, bei dem sie ihre Stimme in freier Improvisation über Jazz-Akkorde wandern ließ. Trotz ihrer sich verschlechternden Gesundheit trat sie bis in die 90er-Jahre auf, bis ihr 1993 als Folge einer Diabetes-Erkrankung beide Unterschenkel amputiert werden mussten. Nach drei gescheiterten Ehen starb sie 1996 in ihrer Villa in Beverly Hills mit 78 Jahren.

    „Ihr Talent ist wie der Horizont“

    Die eine oder andere Träne hatte sich die Lady aus den Augen getupft, als das Kennedy Center in Washington sie 1979 mit dessen höchster Auszeichnung ehrte. Dort war folgender Satz von ihrem musikalischen Weggefährten Dizzy Gillespie zu hören auf die Frage, wie Fitzgeralds Gesangstalent eigentlich einzuschätzen sei: „So weit kann man nicht gucken“, sagte er. „Ihr Talent ist wie der Horizont: Je näher Du ihm kommst, desto weiter entfernt er sich.“ (dpa)