Darmstadt/Köln. Hunderttausende Trümmer von Raketen und Satelliten werden zum Problem. Eine internationale Konferenz diskutiert nun Lösungsansätze.

Weltraumschrott ist gefährlich. Ausgediente Satelliten, Raketenreste und die millionenfache Zahl selbst kleiner Trümmerteile – all das kann enormen Schaden anrichten, Satelliten erheblich beschädigen oder sogar zerstören. „In Zukunft werden wir es mit mehr Kollisionen zu tun haben“, sagt Holger Krag. Der 43-Jährige ist bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa Leiter des Büros für Weltraumtrümmer. „Die kritische Höhe über dem Boden ist die zwischen 800 und 1000 Kilometer. Da ist die Überfüllung schon sehr groß.“

Selbstversuch: So bestehe ich den Eignungstest zur Astronautin

weitere Videos

    Entstanden ist der Schrott im All größtenteils aufgrund von mehr als 250 Explosionen. Etwa 18.000 Trümmerteile sind groß genug, um von Erfassungssystemen überwacht zu werden. Gefährlich sind aber auch schon kleinere Teile. Insgesamt gibt es Schätzungen zufolge über 750.000 Objekte mit einem Durchmesser von einem bis zehn Zentimetern. Sie können bei einem Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Stundenkilometer die Wucht einer Handgranatenexplosion auslösen.

    Konferenz mit 400 Teilnehmern sucht Lösungen

    Aktuell will eine internationale Konferenz der Esa im Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt nach Lösungen suchen. Das Treffen von Dienstag an gilt als das weltweit größte und wichtigste zum Thema Weltraumschrott. Die Veranstaltung gibt es seit 1993 alle vier Jahre. Verpflichtende Regeln werden allerdings keine beschlossen. „Wir werden unser Wissen zusammentragen“, meint Krag. Er ist der Vorsitzende der Konferenz, die auch live ins Netz gestreamt wird.

    Rund 400 Teilnehmer werden bis zum 21. April im Satelliten-Kontrollzentrum der Esa erwartet: Darunter Ingenieure, Wissenschaftler, Manager, Industrieunternehmen, Hochschulen und Entscheidungsträger aus allen wichtigen Raumfahrtnationen. Das Interesse bei dem inzwischen siebten Treffen dieser Art ist so groß, dass nicht alle Anfragen zur Teilnahme berücksichtigt werden konnten.

    Situation verschärft sich schneller als erwartet

    Das Thema Weltraumschrott könnte sich noch viel schneller als erwartet wesentlich verschärfen. In absehbarer Zeit dürften deutlich mehr Raketen und Satelliten ins All geschossen werden als bisher – wenn nicht nur etablierte Raumfahrtagenturen, sondern auch Unternehmen im großen Stil im All mitmischen wollen, um zum Beispiel auch dem letzten Winkel der Erde schnelles Internet anzubieten.

    „Solche Mega-Konstellationen sind eines der Top-Themen bei unserer Konferenz über Weltraumschrott“, sagt Manuel Metz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Einen solchen Raumfahrtboom „hatte vor vier Jahren noch niemand auf dem Schirm“, sagt der 40-Jährige. „Einige Firmen planen solche Missionen 2018 und 2019. Sie stehen kurz vor der Tür. Kostengünstiger Weltraum ist möglich.“

    Auch Krag macht sich über die neuen Projekte etwa der Unternehmen Samsung oder Google Gedanken. Für einige werde „eine Vielzahl von Satelliten gebraucht. Wir sprechen von mehreren Tausend pro Mission.“ Ein Vergleich: „In der gesamten Geschichte der Raumfahrt wurden bisher rund 7000 Satelliten gestartet.“

    Astronautin gesucht: Eine dieser sechs Frauen soll als erste Deutsche ins All fliegen

    weitere Videos

      Eine unkalkulierbare Kettenreaktion

      Als Schreckensszenario scheint Fachleuten auch das nach dem US-Experten Donald Kessler benannte Kessler-Syndrom möglich. Bezeichnet wird damit eine unkalkulierbare Kettenreaktion durch Kollisionen, die die Raumfahrt lahmlegen könnte. „Wir sollten alles tun, um das Kessler-Syndrom zu verhindern“, sagt der Ingenieur Carsten Wiedemann (51) vom Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Er arbeitet mit der Esa zusammen.

      Im Kampf gegen Weltraumschrott gibt es bereits mehrere Ansätze. „Das Wichtigste wäre das gezielte Wiedereinbringen der Objekte in die Erdatmosphäre und das Verglühen über dem Pazifischen Ozean“, meint Wiedemann. Bedeutend für die Entsorgung sei, dass man einen Satelliten noch unter Kontrolle habe, sagte Krag. Ein Zurückholen eines verlorenen Satelliten etwa mit einem Greifarm sei eine „gewaltige Herausforderung“ und auch noch Zukunftsmusik.

      Auch über die Widerstandsfähigkeit von Trümmerteilen, die wieder in die Atmosphäre eintreten, werden die Experten diskutieren, um das Risiko herabstürzender Teile für die Bevölkerung abzuschätzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns Weltraumschrott unkontrolliert auf den Kopf fallen könnte, ist laut Krag zwar sehr gering, noch sei das „ein wirklich kleines Problem“. Theoretisch existiere es aber schon.