Prinz Harry litt nach Dianas Tod unter psychischen Problemen
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Von Jochen Wittmann
London. Der Tod seiner Mutter Diana hat Prinz Harry schwerer aus der Bahn geworfen als bisher bekannt. Erst eine Therapie brachte Linderung.
Prinz Harry hat sich erstmals ausführlich zum Tod seiner Mutter Diana geäußert
In einem Interview verriet er, dass er sehr unter den Folgen litt und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen musste
Boxen und Gesprächstherapie hätten ihn gerettet, meint der Prinz
Boxen und Gesprächstherapie hätten ihn gerettet, meint Prinz Harry. In einem ungewohnt freimütigen Interview mit der britischen Zeitung „Daily Telegraph“ spricht der Prinz erstmals ausführlich über seine psychologischen Probleme, die der Tod seiner Mutter Diana mit sich brachte. Harry war nur zwölf Jahre alt, als Prinzessin Diana im August 1997 bei einem Autounfall in Paris ums Leben kam.
„Ich kann sicher sagen“, meinte Harry, „dass ich mit dem Verlust meiner Mutter alle meine Emotionen in den letzten 20 Jahren unter Verschluss gehalten habe und dass das einen ziemlich gravierenden Einfluss nicht nur auf mein Leben, sondern auch auf meine Arbeit hatte“.
Der 32-Jährige verriet, dass er an Panikattacken während offizieller Veranstaltungen litt. „Ich war mehrere Male ziemlich nah an einem kompletten Zusammenbruch“, so der Prinz. Sein Bruder William habe ihm geraten, professionelle Hilfe zu suchen. Das tat er auch – allerdings erst im Alter von 28 Jahren.
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Leben war aber nicht immer großartig
Seine eigene Einstellung wäre lange eine der Abwehr gewesen. „Meine Art, damit umzugehen, war, den Kopf in den Sand zu stecken und mich zu weigern, an meine Mutter zu denken, denn warum hätte das geholfen? Ich dachte, das macht dich nur traurig und bringt sie nicht zurück. Ich habe mir gesagt: Lass niemals Emotionen eine Rolle spielen“, sagte Prinz Harry der Zeitung. Er sei ein typischer 20-, 25- oder auch 28-Jähriger gewesen, „der herumrennt und sagt: Das Leben ist großartig, das Leben ist fein“.
Aber sein Leben war eben nicht immer großartig. Schon als 17-Jähriger machte er Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er Haschzigaretten rauchte, sich gerne betrank und Umgang pflegte mit Freunden, die gerne die eine oder andere Linie Kokain schnupften. Als Zögling des Elite-Internats Eton soll er sich durch die Abiturprüfung geschummelt haben.
Er handelte sich den Ruf eines Party-Prinzen ein, der in Morgenstunden angetrunken aus Diskotheken taumelt, sich mit Fotografen eine Schlägerei liefert und sich gerne in einem Striptease-Club mit vollbusigen Russinnen vergnügt. 2005 leistete er sich einen unverzeihlichen Ausrutscher, als er mit einer Hakenkreuzbinde am Arm auf einer Party erschien.
Psychotherapeut war hilfreich
Oft habe er während dieser Jahre unter angestauten Aggressionen gelitten, enthüllte Harry, und er wäre „kurz davor gewesen, jemanden zu schlagen“. Er habe deshalb mit Boxen angefangen, „weil jeder mir sagte, dass es eine gute Art wäre, Aggressionen rauszulassen. Es hat mich gerettet.“ Noch hilfreicher allerdings wären die Sitzungen mit einem Psychotherapeuten gewesen. „Plötzlich kam diese ganze Trauer, die ich nie verarbeitet habe, in den Vordergrund, und ich erkannte, da ist eine ganze Menge hier, das ich aufarbeiten muss.“
Harry schätzt sich glücklich, dass „es nur zwei Jahre von totalem Chaos“ waren, bevor er lernte, seine Probleme zu konfrontieren. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Teil eines ziemlich großen Clubs ist, wenn man erst einmal anfängt, darüber zu reden.“ Viele Menschen hätten psychische Probleme. Über diese Dinge zu reden, habe einen großen Wert. Schweigen würde alles immer nur verschlimmern.
Prinz Harry will anderen helfen
Harry hatte sich zu dem offenherzigen Interview entschlossen, weil er andere Leute dazu ermutigen will, sich einer Gesprächstherapie zu stellen. Zusammen mit seinem Bruder William und dessen Frau Kate hat er die Wohlfahrtsorganisation „Heads Together“ gegründet, die sich für seelische Gesundheit und psychologische Hilfestellung einsetzt. „Ich kann jeden nur ermutigen“, appellierte der Prinz, „solche Gespräche zu haben, weil du überrascht sein wirst, wieviel Hilfe du bekommst und wie viele Menschen sich buchstäblich danach sehnen, dass du es endlich tust.“
Für ihn selbst sei die Therapie der Schlüssel gewesen: „Ich kann jetzt Blut, Schweiß und Tränen in die Dinge stecken, die wirklich etwas verändern, und in die Dinge, die etwas für jeden anderen verändern.“