Karlsruhe. Gratis loslegen, später hinzukaufen: So funktionieren viele Online-Spiele. Am BGH geht es nun um eine 1250-Euro-Rechnung – vom Sohn.

Es ist eine Horrorvorstellung vieler Eltern: Unbemerkt wählt der Sohn eine teure 0900er-Nummer an, immer wieder. Am Ende des Monats dann die böse Überraschung – eine Telefonrechnung von gut 1250 Euro. Muss die Mutter den Schaden bezahlen? An diesem Donnerstag klärt das der Bundesgerichtshof (BGH, Az. III ZR 368/16)

Was genau ist passiert?

Vor ein paar Jahren, mit 13, spielte der Sohn ein Computerspiel. An sich kostet das nichts. Bestimmte Vorteile haben Spieler aber nur, wenn sie sich virtuelle Ausrüstung kaufen. Das geht unter anderem durch Anruf bei einer 0900er-Nummer („Pay by Call“), die im Internet steht. Der Sohn wählte sie 21 Mal. Die Kosten stellt der Dienstleister der Mutter in Rechnung. Auf ihren Namen läuft der Telefonanschluss.

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    Wie funktionieren „Pay by Call“-Dienste?

    Ein Anruf genügt, und es kann anonym und schnell gekauft werden. „Die Identifizierung läuft ausschließlich über den Telefonanbieter. Ich muss also keine Bankverbindung oder andere Kontaktdaten angeben“, erläutert Christine Steffen, Juristin bei der Verbraucherzentrale (VZ) NRW. Abgerechnet wird über die Telefonrechnung. Das hat den Vorteil, dass Kunden fremden Anbietern keine Daten überlassen müssen. Das Risiko: Über den Anschluss können auch andere Geld ausgeben.

    Kommt so etwas bei digitalen Spielen häufiger vor?

    Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheidet am Donnerstag, ob eine Mutter die Telefonrechnung ihres 13-jährigen Sohnes bezahlen muss.
    Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheidet am Donnerstag, ob eine Mutter die Telefonrechnung ihres 13-jährigen Sohnes bezahlen muss. © dpa | Uli Deck

    Das Internet hat die Branche stark verändert. Früher wurden Spiele im Laden verkauft – heute ist es online jederzeit möglich, neue Inhalte zum Herunterladen bereitzustellen. Spiele für Smartphones oder Tablet-Computer gibt es in den App-Stores der Hersteller. Das eröffnet die Möglichkeit, Spiele zunächst einmal gratis anzubieten und Geld erst später für eine Premium-Variante oder zusätzliche Inhalte zu verlangen („Free to play“).

    Das können Cent-Beträge sein. Es gibt aber auch Extra-Pakete für 100 Euro. Für die Branche ist das inzwischen ein wichtiger Umsatzbringer. Von 2015 auf 2016 legte der Bereich in Deutschland um 17 Prozent zu, auf nun 659 Millionen Euro.

    Welche Folgen hat das für die Nutzer?

    Grundsätzlich hat das Geschäftsmodell seine Vorteile. Das Spiel ist erst einmal umsonst. Und für Erwachsene kann es zum Beispiel durchaus attraktiv sein, den eigenen Charakter in einem Rollenspiel gegen Bezahlung mit Dingen auszustatten, die man sich sonst langwierig erarbeiten müsste.

    Verbraucherschützer pochen allerdings auf mehr Transparenz. Ihrem Eindruck nach sind die Kosten nicht überall übersichtlich gestaltet. Viele kleine Beträge, oft hinter virtuellen Währungen versteckt, addierten sich dann schnell zu größeren Summen.

    Was ist mit Kindern und Jugendlichen?

    Sie können besonders empfänglich für die virtuellen Verlockungen sein. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat deshalb vor dem BGH erstritten, dass es keine Formulierungen geben darf, die speziell Kinder zum Kaufen auffordern. Damals ging es um das Rollenspiel „Runes of Magic“. Verboten wurde der Satz: „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse Etwas.“

    Welche Rolle spielt das „Pay by Call“-Verfahren?

    Es kommt bei Spielen am PC vor. Im wachsenden Markt der Apps wird dagegen über die Mobilfunkrechnung, per Kreditkarte oder Lastschrift abgerechnet. Das Grundproblem aber bleibt: „Sobald ich eine Zahlungsmethode ohne Passwortschutz hinterlege und das Kind mit zwei Klicks darüber bezahlen kann, spielt die Art der Abrechnung keine Rolle mehr“, sagt Experte Julian Graf von der VZ NRW.

    Was können Eltern tun?

    Verbraucher haben den gesetzlichen Anspruch, ganze Rufnummernbereiche wie 0900er-Nummern sperren zu lassen. Zum Teil ist es technisch auch möglich, Einkäufe direkt aus den Spiele-Apps ganz zu blockieren. Vor dem BGH könnte also auch eine Rolle spielen, was Eltern hier zumutbar ist.

    Auch eine Drittanbietersperre sei sinnvoll, sagt Julian Graf. Mit der Sperre wird die mobile Bezahlfunktion WAP-Billing unterbunden, also das Bezahlen von Abos für Klingeltöne, Spiele und anderen Internetdiensten per Telefonrechnung. Um in eine solche Kostenfalle zu tappen, reicht oft schon ein versehentlicher Klick auf ein Werbebanner eines Spiels. (dpa)