Kiel/Geilenkirchen. Laut Gutachten kam Jenny Böken bei einem Unfall ums Leben. Die Eltern der „Gorch Fock“-Kadettin halten jedoch viele Fragen für offen.

Mehr als acht Jahre nach dem Tod der „Gorch Fock“-Kadettin Jenny Böken (18) ist nach Ansicht der Eltern der Fall trotz mehrerer Gerichtsprozesse nicht aufgeklärt. „Wir halten es für hochwahrscheinlich, dass Jenny schon an Bord zu Tode gekommen ist, das würde auch erklären, warum sie kein Wasser in der Lunge hatte“, sagte Vater Uwe Böken der Deutschen Presse-Agentur. „Einem Unfalltod durch Ertrinken, wie es die Obduktion als wahrscheinlichste Todesursache ergeben haben soll, widersprechen mehrere Ungereimtheiten“, betonte auch Mutter Marlis Böken.

Der Film
Der Film "Tod einer Kadettin" stammt aus ihrer Feder: Hannah und Raymond Ley. © dpa | Axel Heimken

Am Mittwoch zeigt das Erste das Drama „Tod einer Kadettin“ (20.15 Uhr) und im Anschluss die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – die Geschichte der Jenny Böken“ (21.45 Uhr). Böken hatte am 3. September 2008 Nachtwache auf dem Segelschulschiff der Marine. Kurz vor Mitternacht soll ein Schrei gehört worden sein, dann hieß es, jemand sei über Bord gegangen. Die Leiche wurde am 15. September 2008 bei Helgoland in der Nordsee entdeckt.

War Böken schon tot, als sie ins Wasser fiel?

„Ein Mitarbeiter des Forschungsschiffs „Walter Herwig III“ – es hatte den Leichnam geborgen – berichtete, Jenny sei mit ihrem Marineparka aus dem Wasser gezogen worden“, sagte Uwe Böken. Später hieß es, zur Obduktion sei Jenny in Sweatshirt und Marinehose gebracht worden, von einem Parka keine Spur mehr.

„Für mich drängt sich die Schlussfolgerung auf, alles sollte so aussehen, dass Jenny im Wasser noch lebte und sich des Parkas entledigt habe, um besser schwimmen zu können“, sagte der Vater. „Wenn man sie mit Parka in der Nordsee findet und sie kein Wasser in der Lunge hat, hätte jeder Staatsanwalt davon ausgehen müssen, dass sie schon tot war, als sie ins Wasser fiel.“

Eltern bringen möglichen Streich ins Spiel

Marlis und Uwe Böken.
Marlis und Uwe Böken. © dpa | Friso Gentsch

Die Eltern glauben nicht an einen Mord, „aber es könnte ein Streich einer Clique gewesen sein, die Jenny auf der „Gorch Fock“ möglicherweise irgendetwas in den Tee getan hat“. Ihre Tochter habe bei der Marine immer wieder darüber geklagt, extrem müde zu sein und einzuschlafen – „ein Phänomen, das sie vorher niemals hatte“, sagte Böken.

Möglicherweise könnte dies mit den zahlreichen Impfungen bei der Bundeswehr zusammenhängen. Das renommierte Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt habe noch keine abschließende Einschätzung zu dieser These eines Mediziners gegeben.

Persönliches Tagebuch offenbar verschwunden

Seit mehr als acht Jahren warten die Eltern auf ein Paket, das die Marine nach Jennys Tod abgeschickt haben will. Darin sollen Gegenstände aus dem abschließbaren persönlichen Wertfach aus Jennys Spind gewesen sein. „In dem Fach hätte auch das persönliche Tagebuch liegen müssen“, sagte Marlis Böken. „Bekommen haben wir nur Jennys dienstliches Tagebuch, auf das auch Vorgesetzte Einblick hatten.“

Auch dieses enthalte manche Passagen über Mobbing auf der „Gorch Fock“. Über ihr persönliches Tagebuch habe Jenny sinngemäß gesagt, „ihr werdet euch wundern, was ich da noch alles drin aufgeschrieben habe“. Auf der Internetseite jenny-boeken.de hat der Vater sämtliche Ungereimtheiten akribisch dargestellt.

Eltern hoffen auf Berichte der Kadetten

Ein Sprecher der Marine wollte sich auf dpa-Anfrage zu Details des Falls nicht mehr äußern. Es handle sich um ein schweres Schicksal für die Eltern, mit denen man tief mitfühle. In mehreren Gerichtsprozessen sei das Geschehen juristisch aufgearbeitet worden, die Ermittlungen seien abgeschlossen.

Dagegen hoffen die Eltern, „dass von den rund 200 Menschen, die damals an Bord waren, einige doch noch die Kraft finden und endlich berichten, was in der Todesnacht wirklich passierte“. (dpa)