Mocoa. Die Rettungsarbeiten gestalten sich nach dem Unwetter in Mocoa schwierig. Die Helfer müssen ohne Strom- und Wasserversorgung auskommen.

María Clemencia Ordóñez lebte bis Freitagabend in dem Stadtteil La Independencia in der südkolumbianischen Stadt Mocoa. Wenige Stunden später war La Independencia verschwunden. Verschluckt, verschüttet von Geröll, Trümmern, entwurzelten Bäumen. Weggespült von Wasser- und Schlammmassen. María Ordóñez floh mit ihren Kindern im letzten Moment aus ihrem Haus, als das Wasser in ihrem Schlafzimmer stand und ihr Bett wegzuschwemmen drohte.

Hunderte Menschen starben durch die Schlammlawinen.
Hunderte Menschen starben durch die Schlammlawinen. © dpa | Ejército Nacional

Kaum hatte die Frau das Haus verlassen, raste diese todbringende Lawine nieder, die das gesamte Stadtviertel mit sich riss. Insgesamt 17 Stadtteile sind in der bergigen 45.000-Einwohner-Stadt zerstört worden, sagte die Gouverneurin von Putumayo, Sorrel Aroca. „Es ist eine Katastrophe gigantischen Ausmaßes“. Viele Häuser in Mocoa, der Hauptstadt des Putumayo an der Grenze zu Ecuador, waren aus Holz, Lehm oder Ziegeln gebaut und konnten der Wucht der Lawine in keiner Weise standhalten. María Clemencia Ordóñez hatte Glück im Unglück: „Wir sind mit dem Leben davongekommen“.

Hunderte Tote, Verletzte und Vermisste

Hunderte Bewohner von Mocoa hatten nicht so viel Glück. Sie wurden von den Wasser- und Schlammmassen mitgerissen, erschlagen von Baumstämmen und Trümmern oder sind schlicht ertrunken. Mehr als 250 Tote, 220 Verletze und bis zu 400 Vermisste, lautete die vorläufige Bilanz des Roten Kreuzes am Sonntag. Inzwischen wird die Zahl der Toten offiziell mit 254 angegeben, darunter sind Dutzende Kinder.

Verheerende Schlammlawine in Kolumbien

In Kolumbien sind Hunderte Menschen durch eine Schlammlawine getötet worden, viele werden vermisst. Viele Einwohner der Stadt Mocoa stehen noch immer Schock. Das Unglück traf sie völlig unvorbereitet.
In Kolumbien sind Hunderte Menschen durch eine Schlammlawine getötet worden, viele werden vermisst. Viele Einwohner der Stadt Mocoa stehen noch immer Schock. Das Unglück traf sie völlig unvorbereitet. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
Heftiger Regen hatte ließ drei kleine Flüsse in der Anden-Stadt zu reißenden Strömen anwachsen. „Ein großer Teil der Bevölkerung ist von der Lawine quasi mitgerissen worden. Häuser in 17 Vierteln sind praktisch ausradiert worden“, sagte Bürgermeister José Antonio Castro.
Heftiger Regen hatte ließ drei kleine Flüsse in der Anden-Stadt zu reißenden Strömen anwachsen. „Ein großer Teil der Bevölkerung ist von der Lawine quasi mitgerissen worden. Häuser in 17 Vierteln sind praktisch ausradiert worden“, sagte Bürgermeister José Antonio Castro. © dpa | Fernando Vergara
Koumbiens Präsident Juan Manuel Santos verhängte den Ausnahmezustand. Luftbilder zeigten schwere Schäden. Mocoa liegt in der Nähe der Grenze zu Ecuador, rund 630 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Bogotá.
Koumbiens Präsident Juan Manuel Santos verhängte den Ausnahmezustand. Luftbilder zeigten schwere Schäden. Mocoa liegt in der Nähe der Grenze zu Ecuador, rund 630 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Bogotá. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
Wegen vieler verschütteter Häuser ist mit steigenden Opferzahlen zu rechnen.
Wegen vieler verschütteter Häuser ist mit steigenden Opferzahlen zu rechnen. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
In der Stadt, die 40 000 Einwohner hat, brach auch die Strom- und Wasserversorgung zusammen.
In der Stadt, die 40 000 Einwohner hat, brach auch die Strom- und Wasserversorgung zusammen. © dpa | Fernando Vergara
Nach der Katastrophe am Samstag laufen in Mocoa die Aufräumarbeiten. Durch eine Schlammlawine sind mindestens 254 Menschen ums Leben gekommen, darunter Dutzende Kinder.
Nach der Katastrophe am Samstag laufen in Mocoa die Aufräumarbeiten. Durch eine Schlammlawine sind mindestens 254 Menschen ums Leben gekommen, darunter Dutzende Kinder. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
Furchtbare Aufgabe: Vor einem Friedhof warten viele Menschen, um ihre...
Furchtbare Aufgabe: Vor einem Friedhof warten viele Menschen, um ihre... © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
...getöteten Angehörigen zu identifizieren.
...getöteten Angehörigen zu identifizieren. © dpa | Fernando Vergara
In den Trümmern suchten die Einwohner von Mocoa nach persönlichen Gegenständen.
In den Trümmern suchten die Einwohner von Mocoa nach persönlichen Gegenständen. © dpa | Fernando Vergara
Viele haben alles verloren. Dieses Mädchen hat noch eine Puppe retten können.
Viele haben alles verloren. Dieses Mädchen hat noch eine Puppe retten können. © dpa | Fernando Vergara
Die Rettungskräfte suchten unterdessen weiter nach Vermissten.
Die Rettungskräfte suchten unterdessen weiter nach Vermissten. © dpa | Fernando Vergara
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat die Stadt besucht und zugesagt, dass Mocoa mit stabileren Häusern wieder aufgebaut wird.
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat die Stadt besucht und zugesagt, dass Mocoa mit stabileren Häusern wieder aufgebaut wird. © dpa | CESARCARRION
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Opfern in Kolumbien ihr Mitgefühl aus. Die Kanzlerin sei bestürzt von den Bildern und dem unermesslichen Leid der Menschen vor Ort, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Opfern in Kolumbien ihr Mitgefühl aus. Die Kanzlerin sei bestürzt von den Bildern und dem unermesslichen Leid der Menschen vor Ort, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
Über Berghänge waren Wasser- und Schlammmassen in die Stadt hineingeschossen, 17 der 40 Wohnviertel wurden beschädigt.
Über Berghänge waren Wasser- und Schlammmassen in die Stadt hineingeschossen, 17 der 40 Wohnviertel wurden beschädigt. © dpa | Mintransporte
Eine Luftaufnahme lässt die Ausmaße des Katastrophengebiets erahnen.
Eine Luftaufnahme lässt die Ausmaße des Katastrophengebiets erahnen. © REUTERS | HANDOUT
Die 40.000-Einwohner-Stadt liegt am Fuß der Anden im Südwesten Kolumbiens.
Die 40.000-Einwohner-Stadt liegt am Fuß der Anden im Südwesten Kolumbiens. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
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Die Rettungskräfte kämpften in der Nacht zu Sonntag um Überlebende und trotzten den harschen Bedingungen. Es gab keinen Strom, und es setzte wieder Regen ein.

Menschen vom Wasser mitgerissen

Den Helfern boten sich herzzerreißende Szenen: Weinende Eltern suchten nach ihren Kindern, Mütter hatten ihre Babys in den Lawinen verloren. Andere fanden Angehörige mehrere Kilometer entfernt lebend wieder. Sie waren vom Wasser mitgerissen worden.

Die Lawine überraschte die Menschen in Mocoa faktisch im Schlaf. Gegen 22.30 Uhr begann am Freitag der erste Alarm, wodurch sich viele Einwohner noch in Notunterkünfte oder auf die Dächer der Häuser retten konnten. Andere Einwohner aber schliefen oder ignorierten die Warnungen.

Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos (r.) zu Besuch in Mocoa.
Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos (r.) zu Besuch in Mocoa. © dpa | CESARCARRION

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos sagte eine Reise nach Kuba ab und begab sich umgehend nach Putumayo. „Mein Herz und das aller Kolumbianer ist heute bei den Opfern“, betonte er und machte zugleich den Klimawandel für das Unglück verantwortlich. Es seien die schlimmsten Regenfälle in den vergangenen 25 Jahren. In der Nacht zu Sonnabend sei so viel Regen gefallen wie sonst in einem ganzen Monat. Und dabei hat die Regenzeit erst begonnen. Der Präsident rief den Notstand über die Region aus und beorderte das Militär in die Stadt.

Wasser- und Stromversorgung zusammengebrochen

Das ganze Ausmaß der Katastrophe offenbarte sich erst gestern. Bewohner, Helfer, Soldaten, Polizisten suchten unter Schlamm und Geröll nach Überlebenden. Hubschrauber brachten Soldaten und Lebensmittel in die Stadt. Mocoa lebt vom Grenzhandel mit Ecuador, der Landwirtschaft und in geringem Maße von der Ölförderung. Das örtliche Krankenhaus könne die große Zahl an Verletzten nicht versorgen, es fehle an Helfern und medizinischem Personal, so die Behörden. Zudem sei die Wasser- und Stromversorgung zusammengebrochen.

Viele Menschen verbrachten die Nacht zum Sonntag im Freien bei Kerzenschein, zwischen oder auf Trümmern sitzend. Rund eintausend Rettungs- und Bergungskräfte arbeiteten die ganze Nacht durch, um noch Überlebende bergen zu können.

Caritas international organisiert Hilfsmaßnahmen

Überblick über Mocoa. Ganze Wohnviertel wurden bei Überschwemmungen und Erdrutschen unter Schlamm begraben oder weggerissen.
Überblick über Mocoa. Ganze Wohnviertel wurden bei Überschwemmungen und Erdrutschen unter Schlamm begraben oder weggerissen. © dpa | Cesar Carrion

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erschüttert von der Naturkatstrophe: „Mit Erschrecken“ habe er die Nachrichten und Bilder aus Mocoa gesehen, erklärte Steinmeier am Sonnabendabend. „Mit mir sind heute viele Deutsche in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer und bei den Frauen und Männern, die sich noch in Gefahr befinden und auf Rettung hoffen“, fügte er hinzu.

Caritas Kolumbien hat die Not- und Überlebenshilfe für die schwer betroffene Provinzhauptstadt Mocoa eingeleitet. Am Sonntag begannen die Katastrophenhelfer mit der Verteilung von Lebensmitteln und wärmenden Decken an die Einwohner.

Zu wenig Notunterkünfte

Da Mocoa aufgrund der schwer beschädigten Stromversorgung ohne Licht und Wasser ist, werden auch Stromaggregate, Batterien und Solarpaneele angeschafft. Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, unterstützt einen Hilfeappell der Caritas Kolumbien für die Opfer der Überschwemmung mit 50.000 Euro.

Mit Hochdruck werde an der Unterbringung der Opfer in Notunterkünften gearbeitet. „Aktuell gibt es nur fünf Notunterkünfte für 400 obdachlose Familien. „Das ist deutlich zu wenig“, so der Nothilfe-Experte der Caritas, Friedrich Kircher.