Paderborn. Im Höxter-Prozess hat der Angeklagte ausgesagt. Der Mann, der zwei Frauen zu Tode gequält haben soll, versucht, sich zu entlasten.

Fast sechs Monate hat Wilfried W. geschwiegen, nun will er reden. Will sich äußern zu den Vorwürfen, er habe zusammen mit seiner Partnerin Angelika mehrere Frauen in sein Haus nach Höxter gelockt und dort gequält – zwei von ihnen so schwer, dass sie am Ende daran starben. Aber reden fällt dem 47-Jährigen schwer.

„Ich bin nicht so sprachgewandt wie die Angelika“, sagt er zu Beginn der Aussage, die am Dienstag so viele Zuhörer ins Paderborner Landgericht gelockt hat, dass der große Saal zu klein ist und einige stehen müssen. Wahrscheinlich haben seine Verteidiger dem Mann dazu geraten, sein Schweigen zu brechen. Auch weil Angelika W. von Anfang an geredet, vieles gestanden hat. Und weil Wilfried W. glaubt, er sei nicht gut weggekommen in ihren Aussagen, in denen sie ihn immer wieder als treibende Kraft hinter den Verbrechen bezeichnete.

In der Klasse gehänselt

Um die Taten, die die Anklage dem Paar vorwirft, geht es zunächst aber gar nicht. W. spricht über seine Jugend, will zur eigenen Entlastung das Bild des zu kurz Gekommenen zeichnen. Erzählt, wie er aufgewachsen ist im Ruhrgebiet. Ohne Freunde, ohne Freude. Ein Mitläufer, wie er beteuert. „Ich habe mich immer führen lassen.“ Der trinkende Vater, ein Bahnbeamter, verprügelt die Familie angeblich regelmäßig.

Und schon in der Grundschule, schwört W., hätten sie ihn gehänselt in der Klasse. Wegen seines Lispelns. Noch immer ist sein Sprachfehler zu hören, wenn er die Fragen des Vorsitzenden Richters Bernd Emminghaus mit so leiser Stimme beantwortet, dass er kaum zu verstehen ist. Ganz anders als auf den Videos, die es aus dem Haus in Höxter geben soll. Auf denen, so heißt es, schreit und tobt er, bestimmt und befiehlt.

Seine Erklärung ist wirr

Ein Mann mit zwei Gesichtern, der ehemalige Sonderschüler und Hilfsarbeiter? Als er berichtet, wie ihn „der Horst“, ein Freund seiner Mutter, immer wieder sexuell missbraucht und vergewaltigt haben soll, wischt er sich die Tränen auf der Anklagebank aus den Augen. Das Mitleid unter den Zuschauern aber hält sich in Grenzen. „Alles Show“, zischt eine Frau. „Genau wie bei seiner Alten.“

Später am Morgen wird eine 26-seitige wirre, handschriftliche Erklärung des Angeklagten verlesen. Voller Zeitsprünge ist der Text, kaum ein Satz vollständig, vieles unverständlich. Es geht um die Beziehung zu Angelika. „Die ersten drei Wochen waren super. Dann fing sie an zu meckern.“ Über die „zu kleine Wohnung“ und darüber, dass er nie Zeit für sie hatte.„Sadistin“ und „Psychopathin“ nennt er die Frau, die er trotz allem geheiratet hat und die darauf verkündet haben soll: „Pech gehabt, jetzt wirst du mich nicht wieder los.“

Verhandlung abgebrochen

Eifer- und herrschsüchtig sei Angelika gewesen, habe seine Mutter beleidigt, ihn immer wieder brutal geschlagen und misshandelt, später sogar versucht, ihn „totzufahren“. Kurzum: „Meine Frau war der Boss“, er selbst sei nicht Täter, sondern Opfer, verteidigt er sich. Auch später, als er längst geschieden war von Angelika und die ersten Frauen nach Höxter ins Haus gekommen seien, habe sie das Kommando geführt. Seine neue Freundin, die später verstorbene Annika, und er hätten gar nichts zu sagen gehabt. „Wir waren wie Kinder. Wir mussten immer fragen.“

Näher erklären kann Wilfried W. das alles an diesem zwölften Prozesstag nicht. Weil er überraschend eingewilligt hat, sich von einem Gutachter zumindest teilweise untersuchen zu lassen, bricht das Gericht die Verhandlung nach knapp zwei Stunden kurzfristig ab, will nächste Woche weitermachen. „Nein“, sagt ein junges Paar beim Verlassen des Zuschauerraums, „wir sind nicht überrascht. War doch klar, dass sich die beiden gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben.“