Herne. Marcel H. sitzt nun offiziell in Haft. Der mutmaßliche Kindermörder stellte sich der Polizei. Noch sind viele Fragen offen. Die Fakten.

Drei Tage lang ist Marcel H. auf der Flucht, ehe sich der mutmaßliche Kindermörder am Donnerstagabend in Herne stellt. Die Polizei nimmt den 19-Jährigen fest. Wenig später finden die Ermittler eine weitere Leiche. Ein Überblick:

Was wir bisher wissen

• Die Tat: Ein Junge (9) wird am Montagabend in Herne erstochen im Keller des Nachbarn Marcel H. (19) gefunden. Der Junge ist laut Obduktion mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der Polizei liegen im Internet verbreitete Fotos vor, die Marcel H. blutverschmiert neben dem Kind zeigen. Die Aufnahmen machen selbst Ermittler fassungslos. Nach Angaben des Anwalts von der Familie des Ermordeten, Reinhard Peters, lockte H. den Jungen unter einem Vorwand zu sich rüber. Demnach bekam der Bruder mit, wie H. fragte, ob der Junge eine Leiter halten könne.

Festnahme im Mordfall Herne

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    • Der Fund: Ein bislang unbekannter Internet-Nutzer sieht die Bilder im Netz und verständigt die Polizei. Einsatzkräfte dringen in das Haus von Marcel H. ein und finden den getöteten Jungen. Fast zeitgleich trifft am Tatort der Stiefvater ein, der nach Angaben des Anwalts nach dem Jungen gesucht hat. H. finden die Beamten nicht.

    Mit einem Fahndungsfoto suchte die Polizei nach dem mutmaßlichen Kindermörder Marcel H.
    Mit einem Fahndungsfoto suchte die Polizei nach dem mutmaßlichen Kindermörder Marcel H. © Polizei Bochum/dpa | Verpixelung: fmg

    • Der Verdächtige: Die Polizei stufte Marcel H. bei der Fahndung als gefährlich ein. Der 19-Jährige deutete den Ermittlern zufolge weitere Taten an. H. ist Brillenträger, hat kurze Haare, ist schlank und etwa 1,75 Meter groß.

    • Die Festnahme: Die Polizei fasst Marcel H. am Donnerstagabend in Herne – drei Tage nach dem Verbrechen im Haus. Nach Angaben der Ermittler betrat der 19-Jährige einen Imbiss und bat darum, die Polizei zu verständigen. H. gab den Ermittlern nach seiner Festnahme Hinweise auf einen Brand in Herne. Am Brandort fanden Einsatzkräfte eine männliche Leiche. H. wird von den Ermittlern vernommen.

    • Der Haftbefehl: Marcel H. sitzt seit Freitag offiziell in Haft. Er werde in eine Justizvollzugsanstalt gebracht, teilte die Polizei mit. Bei dem Haftbefehl gehe es bislang nur um die Tötung des Neunjährigen. „Der Haftbefehl wird wahrscheinlich noch erweitert“, sagte der Bochumer Oberstaatsanwalt Paul Jansen, ohne weitere Details zu nennen.

    • Ein weiteres Opfer: Der in der Brandwohnung in Herne gefundene Tote ist ein junger Bewohner der Stadt. „Wir wissen nur, dass es sich um einen männlichen Mitbürger unserer Stadt handelt, der noch relativ jung ist“, sagte der Herner Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD). Einsatzkräfte hatten die Leiche am Donnerstagabend kurz nach der Festnahme von Marcel H. gefunden.

    • Die Suche: Die Behörden fahndeten bundesweit nach Marcel H. und gingen bis Donnerstag mehr als 1400 Hinweisen aus ganz Deutschland nach. Es gab immer wieder Großeinsätze, unter anderem in Herne, Mönchengladbach, Wetter (Ruhr) und im Siegerland. Die Polizei setzte Hubschrauber, Wärmebildkameras und Hunde ein.

    Was wir nicht wissen

    • Das Motiv: Der mutmaßliche Kindermörder H. ist der Polizei vor der Tat nicht strafrechtlich aufgefallen. Die Polizei beschreibt ihn als Einzelgänger. Er hat den Angaben zufolge auch Gedanken an einen Suizid angedeutet. Doch was den 19-Jährigen getrieben haben könnte, wollen die Ermittler aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht sagen.

    Am Donnerstag werteten die Ermittler eine digitale Audiobotschaft mit Schilderungen zu der Tat aus. Die Polizei nimmt an, dass sie vom Täter stammt. Auffallend sei die Gefühlskälte bei den Beschreibungen. Die Polizei machte keine Angaben, wie sie auf die Audiobotschaft gestoßen ist.

    Beamte der Spurensicherung am Tatort in Herne.
    Beamte der Spurensicherung am Tatort in Herne. © dpa | Marcel Kusch

    • Ein weiteres Opfer: Unklar ist, wie es zu dem Brand in Herne kam. Auch die Identität des Opfers ist noch nicht öffentlich bekannt, genauso wenig wie die Beziehung, in der der Tote zu Marcel H. stand.

    Bereits während der Fahndung prüfte die Polizei Hinweise auf ein weiteres Opfer. Ein User hatte sich laut Polizei in einem Internet-Chat als der Kindermörder ausgegeben und dort beschrieben, wie er eine Frau überwältigt habe, um an Daten für einen Bankzugang sowie Computer und Telefon zu kommen. In dem von der Polizei veröffentlichen Chat-Text beschreibt der User, wie er ein „120 kg Biest bekämpft“ habe. (dpa)

    Doppelmord von Herne – eine Chronik

    Lebenslange Haft wegen zweier Morde: So lautete das Urteil des Bochumer Landgerichtes gegen den 20 Jahre alten Marcel H. Bei der Verkündung am 31. Januar 2018 stellte das Gericht außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Es behielt sich wegen der Gefährlichkeit des Angeklagten seine spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. H. nahm das Urteil äußerlich unbewegt auf.
    Lebenslange Haft wegen zweier Morde: So lautete das Urteil des Bochumer Landgerichtes gegen den 20 Jahre alten Marcel H. Bei der Verkündung am 31. Januar 2018 stellte das Gericht außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Es behielt sich wegen der Gefährlichkeit des Angeklagten seine spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. H. nahm das Urteil äußerlich unbewegt auf. © dpa | Bernd Thissen
    Marcel H. (hier mit seinem Anwalt Michael Emde) hatte gestanden, im März 2017 zunächst einen neunjährigen Nachbarsjungen und auf seiner Flucht anschließend auch einen 22-jährigen früheren Schulfreund umgebracht zu haben. Beide Morde seien „völlig anlasslose“ Tötungen gewesen, sagte Richter Stefan Culemann in seiner Urteilsbegründung für die Höchststrafe für die grausame Tat.
    Marcel H. (hier mit seinem Anwalt Michael Emde) hatte gestanden, im März 2017 zunächst einen neunjährigen Nachbarsjungen und auf seiner Flucht anschließend auch einen 22-jährigen früheren Schulfreund umgebracht zu haben. Beide Morde seien „völlig anlasslose“ Tötungen gewesen, sagte Richter Stefan Culemann in seiner Urteilsbegründung für die Höchststrafe für die grausame Tat. © dpa | Bernd Thissen
    Rückblende: In Keller eines Wohnhauses im nordrhein-westfälischen Herne wird am Abend des 6. März 2017 die Leiche eines neunjährigen Jungen gefunden. Das Kind ist erstochen worden. Der mutmaßliche Täter, der 19-jährige Marcel H., ist tagelang auf der Flucht – bis er sich am Abend des 9. März der Polizei stellt.
    Rückblende: In Keller eines Wohnhauses im nordrhein-westfälischen Herne wird am Abend des 6. März 2017 die Leiche eines neunjährigen Jungen gefunden. Das Kind ist erstochen worden. Der mutmaßliche Täter, der 19-jährige Marcel H., ist tagelang auf der Flucht – bis er sich am Abend des 9. März der Polizei stellt. © dpa | Marcel Kusch
    Marcel H.s Wohnung wurde von der Polizei versiegelt. H. hattel den Neunjährigen unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt und mit mehreren Messerstichen umgebracht. Im Darknet, einem anonymen Bereich des Internets, brüstete er sich mit der Tat.
    Marcel H.s Wohnung wurde von der Polizei versiegelt. H. hattel den Neunjährigen unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt und mit mehreren Messerstichen umgebracht. Im Darknet, einem anonymen Bereich des Internets, brüstete er sich mit der Tat. © imago/Reichwein | imago stock&people
    Marcel H. war der Nachbar des Ermordeten.
    Marcel H. war der Nachbar des Ermordeten. © Polizei Bochum/dpa | Verpixelung: fmg
    Nach Angaben der Ermittler hatte H. nach Tagen auf der Flucht in einem Herner Imbiss darum gebeten, die Polizei zu verständigen. Bei seiner Festnahme wies der 19-Jährige die Polizisten auf einen Wohnungsbrand hin.
    Nach Angaben der Ermittler hatte H. nach Tagen auf der Flucht in einem Herner Imbiss darum gebeten, die Polizei zu verständigen. Bei seiner Festnahme wies der 19-Jährige die Polizisten auf einen Wohnungsbrand hin. © dpa | Roland Weihrauch
    Die Wohnung, in der es gebrannt hatte, liegt in der Nähe des Imbisses.
    Die Wohnung, in der es gebrannt hatte, liegt in der Nähe des Imbisses. © dpa | Roland Weihrauch
    Am Brandort fanden die Einsatzkräfte eine männliche Leiche. Es handelte sich um einen 22-jährigen Bekannten von Marcel. H.
    Am Brandort fanden die Einsatzkräfte eine männliche Leiche. Es handelte sich um einen 22-jährigen Bekannten von Marcel. H. © dpa | Roland Weihrauch
    Trauer vor dem Wohnhaus: Angehörige, Nachbarn und Freunde erinnerten mit Kerzen, Blumen und Stofftieren an den ermordeten Neunjährigen.
    Trauer vor dem Wohnhaus: Angehörige, Nachbarn und Freunde erinnerten mit Kerzen, Blumen und Stofftieren an den ermordeten Neunjährigen. © dpa | Ina Fassbender
    In dem Haus, in dem der Junge umgebracht wurde, sicherte die Polizei am Tag nach der Tat Spuren.
    In dem Haus, in dem der Junge umgebracht wurde, sicherte die Polizei am Tag nach der Tat Spuren. © dpa | Marcel Kusch
    Ein Polizist am Rande eines Waldstücks ganz in der Nähe des Tatorts: Mehrere Tage suchte die Polizei nach dem Mörder auf der Flucht. Sie warnte immer wieder, dass Marcel H. gefährlich sein könnte. Er hatte weitere Taten angekündigt.
    Ein Polizist am Rande eines Waldstücks ganz in der Nähe des Tatorts: Mehrere Tage suchte die Polizei nach dem Mörder auf der Flucht. Sie warnte immer wieder, dass Marcel H. gefährlich sein könnte. Er hatte weitere Taten angekündigt. © imago/Reichwein | imago stock&people
    Bei der Suche setzte die Polizei auch Spürhunde ein.
    Bei der Suche setzte die Polizei auch Spürhunde ein. © imago/Reichwein | imago stock&people
    Hubschrauber kamen bei der Suche nach Marcel H. ebenfalls zum Einsatz.
    Hubschrauber kamen bei der Suche nach Marcel H. ebenfalls zum Einsatz. © imago/Reichwein | imago stock&people
    Beamte durchkämmten das Gebiet rund um den Tatort.
    Beamte durchkämmten das Gebiet rund um den Tatort. © imago/Reichwein | imago stock&people
    Die Ermittler fahndeten nicht nur in Herne nach Marcel H.. In Wetter an der Ruhr durchsuchten Polizisten am Mittwoch, 8. März, bei einem Großeinsatz eine Schule, nachdem ein Hinweis bei der Polizei eingegangen war.
    Die Ermittler fahndeten nicht nur in Herne nach Marcel H.. In Wetter an der Ruhr durchsuchten Polizisten am Mittwoch, 8. März, bei einem Großeinsatz eine Schule, nachdem ein Hinweis bei der Polizei eingegangen war. © dpa | Marcel Kusch
    Auch in anderen Regionen Deutschlands gingen bei der Polizei zahlreiche Hinweise ein, etwa im Raum Wilnsdorf im Siegerland. Dort kontrollierte die Polizei Fahrzeuge.
    Auch in anderen Regionen Deutschlands gingen bei der Polizei zahlreiche Hinweise ein, etwa im Raum Wilnsdorf im Siegerland. Dort kontrollierte die Polizei Fahrzeuge. © imago/Rene Traut | imago stock&people
    Zudem gab es am Donnerstag, 9. März, in Mönchengladbach einen Großeinsatz in einem Krankenhaus. Eine Zeugin dachte, sie habe Marcel H. erkannt – ein Fehlalarm, wie sich herausstellte.
    Zudem gab es am Donnerstag, 9. März, in Mönchengladbach einen Großeinsatz in einem Krankenhaus. Eine Zeugin dachte, sie habe Marcel H. erkannt – ein Fehlalarm, wie sich herausstellte. © dpa | Theo Titz
    Während seiner drei Tage dauernden Flucht hielt sich Marcel H. nach eigenen Angaben zunächst in einem Waldstück auf, dann suchte er seinen Bekannten auf. Nachdem er diesen erstochen hatte, blieb H. noch zwei Tage lang mit der Leiche in der Wohnung.
    Während seiner drei Tage dauernden Flucht hielt sich Marcel H. nach eigenen Angaben zunächst in einem Waldstück auf, dann suchte er seinen Bekannten auf. Nachdem er diesen erstochen hatte, blieb H. noch zwei Tage lang mit der Leiche in der Wohnung. © dpa | Theo Titz
    Diese Karte von Herne zeigt den Tatort und weitere relevante Orte des Falles.
    Diese Karte von Herne zeigt den Tatort und weitere relevante Orte des Falles. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
    In einem Trauergottesdienst am 15. März in Herne nahmen Angehörige und Hunderte Bürger Abschied von den beiden Opfern.
    In einem Trauergottesdienst am 15. März in Herne nahmen Angehörige und Hunderte Bürger Abschied von den beiden Opfern. © dpa | Marcel Kusch
    Zwei Kerzen für die Ermordeten: „Wir sind in unseren Grundfesten erschüttert worden“, sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Herne, Reiner Rimkus, in seiner Ansprache. Im Licht dieser Kerzen liege jedoch Gottes Verheißung verborgen, „dass der Tod besiegt ist, dass Elend und Trauer nicht die letzte Macht haben“.
    Zwei Kerzen für die Ermordeten: „Wir sind in unseren Grundfesten erschüttert worden“, sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Herne, Reiner Rimkus, in seiner Ansprache. Im Licht dieser Kerzen liege jedoch Gottes Verheißung verborgen, „dass der Tod besiegt ist, dass Elend und Trauer nicht die letzte Macht haben“. © dpa | Caroline Seidel
    An der Trauerfeier nahmen auch zahlreiche Mitglieder der Rockerszene teil. Sie fuhren mit Motorrädern vor, viele erschienen in Kutte. Der Stiefvater des getöteten Neunjährigen ist nach Angaben des Anwalts der Familie, Reinhard Peters, Mitglied der „Bandidos“ in Essen.
    An der Trauerfeier nahmen auch zahlreiche Mitglieder der Rockerszene teil. Sie fuhren mit Motorrädern vor, viele erschienen in Kutte. Der Stiefvater des getöteten Neunjährigen ist nach Angaben des Anwalts der Familie, Reinhard Peters, Mitglied der „Bandidos“ in Essen. © dpa | Ina Fassbender
    Eine Schleife an einem Trauerkranz für den ermordeten Jungen von den Chicanos Kiel, einer Rockergruppe.
    Eine Schleife an einem Trauerkranz für den ermordeten Jungen von den Chicanos Kiel, einer Rockergruppe. © dpa | Ina Fassbender
    Nach der Beisetzung des Neunjährigen ließen Trauergäste Luftballons über den Friedhof im nordrhein-westfälischen Herten steigen.
    Nach der Beisetzung des Neunjährigen ließen Trauergäste Luftballons über den Friedhof im nordrhein-westfälischen Herten steigen. © dpa | Ina Fassbender
    Obwohl er zur Tatzeit erst 19 war, stufte das Bochumer Landgericht ihn als Erwachsenen ein. Auch eine Gutachterin hatte im Prozess das Erwachsenenstrafrecht empfohlen. Problematisch seien vor allem „psychopathische, narzisstische und sadistische“ Elemente, hatte sie gesagt. Diese könnten im Jugendstrafvollzug kaum mehr korrigiert werden. Die Verteidigung hielt dagegen eine Verurteilung zu lebenslanger Haft nach Erwachsenenstrafrecht für falsch, weil Marcel H. eindeutig Reifeverzögerungen aufweise.
    Obwohl er zur Tatzeit erst 19 war, stufte das Bochumer Landgericht ihn als Erwachsenen ein. Auch eine Gutachterin hatte im Prozess das Erwachsenenstrafrecht empfohlen. Problematisch seien vor allem „psychopathische, narzisstische und sadistische“ Elemente, hatte sie gesagt. Diese könnten im Jugendstrafvollzug kaum mehr korrigiert werden. Die Verteidigung hielt dagegen eine Verurteilung zu lebenslanger Haft nach Erwachsenenstrafrecht für falsch, weil Marcel H. eindeutig Reifeverzögerungen aufweise. © dpa | Ina Fassbender
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