Berlin. Zwei US-Forscherinnen sind dem Geheimnis für ein langes Leben auf der Spur. Sie geben Tipps, wie jeder seine Zellen jung halten kann.

Mit dem Wunsch vieler Menschen, möglichst lange jung zu bleiben, verdient die Kosmetikindustrie sehr viel Geld. Nur, alles Cremen, Peelen und Massieren hilft nicht – denn es ist unser Lebensstil, der Spuren in unseren Zellen hinterlässt. Entscheidend dabei sind die sogenannten Telomere (griech. für Endstücke), die den Alterungsprozess der Zellen beeinflussen. Wie genau das funktioniert und was jeder Einzelne für viele gesunde Jahre tun kann, darüber hat die Molekularbiologin und Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn gemeinsam mit ihrer Kollegin Elissa Epel ein Buch geschrieben. Ein Gespräch.

Inwiefern beeinflussen Telomere unseren Alterungsprozess?

Blackburn: Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen, ähnlich der Plastikkappen bei Schnürsenkeln. Sie sorgen dafür, dass die DNA-Bänder nicht ausfransen, und beschützen so das genetische Material. In jahrelanger Forschung haben wir herausgefunden, dass sich Telomere bei jeder Zellteilung ein Stückchen verkürzen. Das wirkt sich direkt auf unseren Alterungsprozess aus. Durch verkürzte Telomere kann sich unser Gewebe nicht mehr auffüllen. Bei einer kritischen Länge stoppt die Teilung der Zelle für immer – die Zelle vergreist.

Epel: Auch chronische Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkreislaufbeschwerden lassen sich zumindest teilweise mit verkürzten Telomeren erklären.

Ist der Prozess unumkehrbar?

Epel: Nein. Telomere können stabilisiert werden, wenn genug des reparierenden Enzyms Telomerase vorhanden ist. Unter günstigen Umständen kann das Enzym unsere Telomere sogar wieder verlängern.

In Ihrem Buch schreiben Sie, wie wir mit unserer Art zu leben darauf einwirken können: weniger Stress, ausreichend Bewegung und Schlaf, gesund essen. Das wissen wir alles schon. Was ist neu?

Blackburn: Neu ist, dass wir den Effekt nun an den Telomeren nachweisen können. Und das Tolle ist, dass wir selbst Einfluss darauf nehmen können, wie schnell die Telomere sich verkürzen.

Epel: Dabei geht es nicht nur darum, was wir konkret für unsere Gesundheit tun. Es gibt Verhaltensweisen, soziale Umstände und Umwelteinflüsse, die auf die Telomere wirken, etwa die Qualität unserer Freundschaften oder auch die Luftverschmutzung. Aber den größten Einfluss kann jeder selbst nehmen, indem er seinen Lebensstil überprüft. Zum Beispiel ist Gewissenhaftigkeit verbunden mit längeren Telomeren, Impulsivität oder eine feindliche Einstellung mit kürzeren.

Welches Verhalten nagt denn am meisten an unseren Telomeren?

Blackburn: Zu wenig Schlaf, wenig Bewegung, aber vor allem zu viel Stress sind Gift für unseren Körper.

Wie wirkt sich zu viel Stress konkret auf die Länge der Telomere aus?

Blackburn: Permanente psychische Belastung überschwemmt den Körper mit Cortisol. Dieses greift in die tiefsten Ebenen der Zellen ein und verhindert die Reparatur der Telomere. Wir haben Mütter untersucht, die sich Tag und Nacht um ihre schwer kranken Kinder kümmerten. Bei denjenigen, die sich am längsten für ihre Kinder aufgerieben hatten, fanden wir auch die größten Schäden in den Chromosomen.

Epel: Es gibt Studien, nach denen eine schwere Kindheit die Telomere verkürzt. Aber wie wir jetzt wissen, kann man später darauf einwirken, Telomere wieder zu stabilisieren.

Ist die Alterung nicht komplizierter, als sie auf die Endstückchen der Chromosomen herunterzubrechen?

Epel: Natürlich ist es sehr viel komplizierter. Unsere Alterung erfolgt durch viele Wege im Körper. Telomere sind nur einer davon.

Blackburn: Wir haben uns auf diesen Mechanismus konzentriert, den wir erforscht haben und über den wir Kontrolle erlangen können.

Welche Faktoren sind am effektivsten für gesundes Altern?

Epel: Mein Rat ist, eine Balance zwischen den unterschiedlichen Herausforderungen und Bedürfnissen zu finden. Genug Schlaf ist wichtig, aber manchmal liegt man nachts einfach wach. Das passiert. Aber man kann daran arbeiten, regelmäßig rechtzeitig zu Bett zu gehen. Die Forschung zeigt auch, dass moderate Dinge gesünder sind als extreme. Zum Beispiel haben Marathonläufer keine wesentlich längeren Telomere als diejenigen, die moderat joggen gehen. Wir wissen auch, dass längere Telomere von gesunder Ernährung abhängig sind. Es ist klar, dass wir weniger Fleisch und Zucker essen müssen.

Blackburn: Man kann nicht alles vermeiden, aber man kann beeinflussen, wie man mit Stress umgeht.

Was praktizieren Sie persönlich, um einen Ausgleich zu haben?

Blackburn: Ich habe Meditation gelernt. Ich finde es extrem hilfreich, durch geistiges Training den Schalter umlegen zu können. Leider komme ich nicht jeden Tag dazu.

Epel: Am liebsten mache ich Yoga. Und ich versuche, morgens ein paar Minuten Qigong zu machen. Das ist ein super Start in den Tag.

Sind Ehe und Kinder telomerfreundlich?

Blackburn: Es gibt einen Trend für längere Telomeres bei Verheirateten oder Menschen mit festen Partnern. Aber wir haben auch Frauen untersucht, die von ihren Partnern misshandelt worden sind – deren Telomere waren kürzer. Es geht um die Qualität der Beziehungen.

Epel: Wir wissen, dass vereinsamte Menschen früher sterben. Es gibt auch Studien mit Brustkrebspatientinnen. Eine Gruppe Frauen ging zu einer Selbsthilfegruppe, die andere nicht. Letztere hatte nach einigen Monaten kürzere Telomere.

In den USA soll es Nahrungsergänzungsmittel geben, die gezielt die Aktivität des Enzyms Telomerase ankurbeln. Was halten Sie davon?

Blackburn: Diese Dinge sind nicht wissenschaftlich überprüft. Die Studien, die es gibt, stammen einzig von denjenigen, die die Produkte vermarkten. Es könnte sogar sein, dass ein Übermaß an Telomerase das Risiko, an Hirntumoren, Hautkrebs und Lungenkrebs zu erkranken, vergrößert. Dinge wie körperliche Aktivität oder Stressreduktion werden indes nicht mit einem Krebsrisiko in Verbindung gebracht.

„Die Entschlüsselung des Alterns“, Mosaik Verlag, 24 Euro