London. Briten sind für Alkohol-Exzesse bekannt. Doch viele junge Leute machen da nicht mit. Ihre zweifelhafte Alternative: Sie nehmen Drogen.

Vor zehn Jahren war man beim Saufen noch Europameister. In der Disziplin Sturztrunk konnte Großbritannien keiner etwas vormachen. Mittlerweile machen sich im Königreich ganz andere Trends bemerkbar. Der Alkoholkonsum in Großbritannien ist um rund ein Viertel gefallen, und die Zahl der Abstinenzler wird immer höher. Und das besonders unter jungen Leuten. Etwas mehr als ein Fünftel aller Briten unter 25 Jahren rührt heute grundsätzlich keinen Alkohol an. Währenddessen picheln die Älteren und Bessergestellten weiter.

Vorbei sind die Zeiten, als noch 40 Prozent aller Fälle von Alkoholkonsum als sogenanntes Binge-Drinking, also als Gezieltes-über-den-Durst-Trinken galten, wie die britische Regierung 2008 angab. Jetzt macht sich besonders unterm Jungvolk Mäßigung bemerkbar. Angesagt ist mittlerweile das sogenannte Mindful-Drinking, das achtsame Trinken oder anders ausgedrückt: Saufen mit Verstand.

Erstes alkoholfreies Bierfest des Landes

Jedes Jahr veranstaltet die Organisation „Alcohol Concern“ einen sogenannten Dry January, einen „trockenen Januar“, wo die Bevölkerung aufgerufen wird, ganz auf Alkohol zu verzichten oder doch zumindest dessen Konsum stark einzuschränken. Nie war man erfolgreicher als in diesem Jahr. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Teilnehmer auf fünf Millionen Menschen vervierfacht. „Wir neigen dazu, zu vergessen, dass Alkohol ein Gift ist“, meint Andrew Misell von „Alcohol Concern“.

„Das bedeutet nicht, dass wir niemals Alkohol trinken sollten, aber dass wir uns über die Gefahren bewusst sein müssen.“ Im walisischen Fishguard findet am 1. März, dem Nationalfeiertag St. David’s Day, das erste Festival für alkoholfreie Biere in der Geschichte des Königreichs statt. Das Fest biete „Spaß ohne Reue, bei dem nicht ein Besäufnis im Mittelpunkt steht“, erklärt der Veranstalter.

Kneipen mit alkoholfreien Alternativen

Im Januar beteiligen sich viele Engländer am sogenannten Dry January und meiden die Pubs.
Im Januar beteiligen sich viele Engländer am sogenannten Dry January und meiden die Pubs. © Getty Images | Jack Taylor

Diese Botschaft erreicht immer Leute. Nach dem erfolgreichen „Dry January“ wollen laut Umfragen 67 Prozent der Teilnehmer auch im Rest des Jahres ihren Konsum drosseln. Organisationen wie „Club Soda“ helfen dabei. „Club Soda“ propagiert auf ihrer Webseite die Vorzüge des Mindful-Drinking, und die gibt es ja reichlich: besserer Schlaf, weniger Geldausgaben, gesündere Lebensweise und verbesserte Fitness. Man bietet kostenlose Onlinekurse an, mit denen man sich seine Trinkziele setzen kann, sei es ein Zurückschrauben, ein vorübergehender Stopp oder die Totalabstinenz.

Auch einen Kneipenführer, der Gaststätten auflistet, in denen alkoholarme oder -freie Alternativen angeboten werden, hat man im Programm. Und man veranstaltet eine „achtsame Kneipentour“, einen alkoholarmen Zug durch die Gemeinde. Die Londonerin Samantha Chambers war zuerst skeptisch, hat die Tour aber dann genossen: „Ich dachte, toll, ich bekomme Anschluss an Leute, ich genieße den Moment und ich komme sicher nach Hause.“

Traditionelle Pubs dagegen haben große Schwierigkeiten

„Es geht uns darum“, sagt die Gründerin von „Soda Club“, Laura Willoughby, „die Art und Weise zu ändern, wie wir über Alkohol denken und fühlen. Die Kneipen, die verstehen, dass nicht jedermann saufen will, sind diejenigen, die florieren.“

Die traditionellen Pubs dagegen haben große Schwierigkeiten. Rund 27 Kneipen in Großbritannien machen jeden Monat ihre Türen dicht. Billiges Supermarktbier macht ihnen ebenso das Überleben schwer wie höhere Steuern oder das Rauchverbot. Die Pub-Kette „Draft House“ dagegen trotzt dem Kneipensterben erfolgreich, weil man eben auch Alternativen im Angebot hat. Sogenannte Craft-Biere, also Spezialanfertigungen meist aus Mikrobrauereien, die wenig oder keinen Alkohol aufweisen, erweisen sich als Renner. „Wir konzentrieren uns jetzt auf dieses Segment“, meint Draft-House-Besitzer Charlie McVeigh. „Wir hatten einen großartigen Januar.“