Berlin. Wie würden Politiker aussehen, wenn sie Teil der Hipster-Szene wären? Der israelische Künstler Amit Shimoni hätte ein paar Vorschläge.
Donald Trump trägt Hawaii-Hemd, Obama Dreadlocks und Wladimir Putin Goldkettchen und Hundetattoo – die Illustrationen von Amit Shimoni erregen Aufsehen. „Hipstory“ nennt der israelische Künstler sein Projekt, denn es zeigt, wie Politiker und andere Persönlichkeiten der Weltgeschichte aussehen könnten, würden sie der heutigen Hipster-Szene angehören.
Wie jeder Künstler zielt Shimoni dabei nicht nur auf Aufmerksamkeit. Mit 31 Jahren selbst Teil der sogenannten Generation Y, der Generation also, die im Zeitraum von etwa 1980 bis 1999 geboren wurde, will Shimoni ebendiese Bevölkerungsgruppe zum Nachdenken anregen. Wie, das erzählt er im Interview mit unserer Redaktion. Ebenso, wie er auf die Idee für das Projekt kam, was „Hipstersein“ für ihn bedeutet und welches seine Lieblingsillustration ist.
Worum geht es in „Hipstory“?
Amit Shimoni: „Hipstory“ spiegelt die Gedanken wider, die ich zu meiner Generation habe. Es geht nicht um Politik oder die illustrierten Personen, sondern um die Unterschiede zwischen ihnen und der Generation Y. Um ihre Werte, die Art, wie sie denken und was sie dazu bewegte, für Wandel einzustehen – im Gegensatz zu unserer eher ich-bezogenen Generation, die in meinen Augen stetig den neuesten Modetrends nachjagt, um sich selbst auszudrücken, fernab von Ideologien und ohne große Bedeutung.
„Hipstory“ hält der Generation Y also den Spiegel vor?
Shimoni: Ja, so könnte man das sagen. Ich will meine Generation gar nicht kritisieren, aber zum Nachdenken anregen. Die Bilder sollen ihre Betrachter einerseits zum Lächeln bringen, auf der anderen Seite machen sie aber stutzig. Das ist ja der Punkt von Kunst: Ausgangspunkt für Interpretationen zu sein.
Künstler macht aus Putin und Co. Hipster
Was bedeutet „Hipstersein“ für Sie?
Shimoni: Die meisten Menschen halten „Hipstersein“ für eine bestimmte Art, sich zu kleiden. Für mich symbolisiert der Hipster ein Paradoxon: Jeder will der Erste, der Einzigartigste, der Interessanteste sein – und am Ende verhalten wir uns alle wie eine Herde. In der Suche nach Einzigartigkeit werden wir alle immer gleicher.
Würden Sie sich selbst als Hipster bezeichnen?
Shimoni: Ich bin zumindest Teil dieser Generation. Jeder durchschnittliche Teenager, der heute durch die Stadt läuft, ist im Prinzip Hipster.
Wie kamen Sie auf „Hipstory“?
Shimoni: Ausgangspunkt war das Abschlussprojekt an der Kunstakademie, an der ich studiert habe. Ich wollte damit Menschen meines Alters ansprechen, Menschen aus meinem Umfeld. Dieses Gefühl ausdrücken, in Verbindung zu sein, da man sich mit fast jedem auf der Welt vernetzen kann. Dafür habe ich mir Ikonen der Weltgeschichte ausgesucht.
Und wieso gerade die Aufmachung als Hipster?
Shimoni: Die Idee, sie zu „hipsterisieren“ kam mir, als ich Fotos von Theodor Herzl googelte, dem Wegbereiter des israelischen Staates. Alles, was ich bei Google finden konnte, waren natürlich ein paar Schwarz-Weiß-Bilder, die ziemlich alt und wenig einladend aussahen. Wenn man bedenkt, dass man tonnenweise Fotos findet, wenn man nach einem beliebigen 18-jährigen Teenager googlet, erkennt man, wie absurd das ist. Das hat mich frustriert, aber eben auch zu „Hipstory“ inspiriert.
Damit scheinen Sie einen Nerv getroffen zu haben ...
Shimoni: Es war gar nicht mein Ziel, aber ich bekomme zum Beispiel Post von Geschichtslehrern, die meine Bilder nutzen, um damit ihren Unterricht zu beginnen. Ich selbst habe Geschichte als Schulfach gehasst, weil alles so schwarz-weiß war. Die Farbe, die ich den Figuren gegeben habe, bringt die Schüler offenbar dazu, sich stärker verbunden zu fühlen.
Wie entstehen die Illustrationen?
Shimoni: Bei jedem Bild lasse ich meine eigene Interpretation einfließen, es bleibt aber auch Platz für die Interpretationen der Betrachter. Zunächst studiere ich den Charakter als Anführer und als Person. Beim endgültigen Werk versuche ich, einen neuen Dreh für kleine Details zu finden, die für den Charakter relevant sind. Auf Obamas Brust finden sich zum Beispiel die Wörter „Hoffnung“ und „Wandel“ aus seiner Präsidentschaftskampagne, die jeder sofort bemerkt. Andererseits hinterlasse ich aber auch Zeichen, die nicht so leicht erkennbar sind. Zum Beispiel kann man auf seiner rechten Schulter eine Szene aus Moby Dick sehen, die wahrscheinlich nur ein kleiner Prozentsatz meines Publikums wiedererkennt und weiß, dass das Obamas Lieblingsbuch ist.
Wie wählen Sie Ihre Motive aus? Ist jede bekannte Persönlichkeit geeignet?
Shimoni: Jeder Charakter, der nicht zu kontrovers ist, ist geeignet. Es geht mir ja nicht darum, spezielle Ideologien hervorzuheben, sondern Ideologie im Allgemeinen.
Haben Sie einen Lieblingscharakter?
Shimoni: Wenn ich mir einen aussuchen muss, wäre das wahrscheinlich Abraham Lincoln. Er war mein erster nicht-israelischer Charakter und ist der älteste in der ganzen „Hipstory“-Serie. Er ist so entkoppelt von der Hipster-Szene, dass man sogar seinem Blick ansieht, wie wenig er mit diesem ganzen Konzept zu tun hat. Ich glaube, dass ist sogar bei vielen heutigen Hipstern so, dass sie sich innerlich längst von der Hipsteridentität gelöst haben. Trotzdem behalten sie sie bei.
Was planen Sie als nächstes?
Shimoni: Gerade arbeite ich an einer nicht-politischen Bilderserie. Den Anfang macht in der nächsten Woche eine Illustration von Albert Einstein.
Amit Shimoni ist Gründer und Betreiber des Designstudios Amit Shimoni Illustration in Tel Aviv. Der 31-Jährige lebt dort mit seiner Frau Noga und seinem Hund Adam. Shimoni hat bereits für mehrere Institutionen gearbeitet, darunter das Menachem Begin Heritage Center und die Konrad-Adenauer-Stiftung. Seine Kunst ist weltweit in Galerien zu sehen. Am 21. Februar erscheint sein Buch zum Projekt „Hipstory: Why Be a World Leader When You Could Be a Hipster?“.