Köln. Mit 340 Kilo wollte Nicole Jäger nicht länger leben. Jetzt wiegt sie 170 Kilo – und berichtet davon. Ihr Humor findet zahlreiche Fans.

Nicole Jäger hat nicht gegessen, sie hat „gefressen“. Jahrelang. Man darf das schreiben, sie sagt es selber. Vor einigen Jahren hat sie ihre Leibesfülle beinahe umgebracht. Seit gut einem Jahr macht sie sie bekannt. Ein sehr erfolgreiches Buch hat sie darüber geschrieben, und auf einer Bühnentour macht sie ihr Dicksein auch zum Thema.

Man kennt die Fotos, hat Nicole Jäger im TV gesehen. Aber wenn sie dann vor einem steht, in einem Hotel hoch über den Dächern von Köln, dann ist das doch noch einmal etwas anderes. Blondes Haar zu schwarzem Kleid, Brille und Ballerinas und ganz viel Nicole. Und man beginnt das Gespräch, wie man ein Gespräch sonst nicht beginnt: „Mit Verlaub, Sie sind immer noch ganz schön dick.“ Die 34-Jährige lacht. „Da hätten Sie mich mal vor ein paar Jahren sehen sollen.“

Von 340 Kilo auf 170 halbiert

Da war sie noch dicker. Viel dicker. „340 Kilo“, sagt sie. Das ist dann die Kategorie, die einen Menschen so beweglich macht wie eine Wanderdüne. Und wo die Waagen bitten: „Nicht in Gruppen aufsteigen.“ Mit anderen Worten: Es ist unvorstellbar. Im Netz gibt es deshalb auch Menschen, die nicht recht glauben wollen, dass die heute 34-Jährige einmal so dick war und sich quasi halbiert hat auf die rund 170 Kilo, die sie heute noch wiegt. Weil es auch kaum Fotos gibt, aus jener Zeit. „Es ist nicht so, dass man mit 340 Kilo auf dem Bett sitzt und sich denkt: Ich mache mal ein Selfie für Facebook, weil ich mich gerade so unwiderstehlich hübsch finde“, sagt Jäger dazu.

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Sie sehe sich auch nicht als klassische Ernährungsberaterin. Wenn schon, dann als Abnehmcoach. Und ihr Buch „Die Fettlöserin“ sei auch kein klassischer Ratgeber. „Es erzählt meine Geschichte, die Geschichte einer sehr dicken Frau.“ Sie geht – stark verkürzt – so: Mopsig als Kind, immer dicker werdend nach einem Sportunfall, der den Teenager zwei Jahre in den Rollstuhl zwingt, unfassbar fett als Twen. Irgendwann kann sie gerade mal noch zehn Sekunden aufrecht stehen, was ein Verlassen der Wohnung fast unmöglich macht. „Du musst abnehmen“, sagen die Menschen um sie herum. Je öfter sie es hört, desto mehr stopft sie in sich hinein.

„Todesangst ist eine gute Motivation“

Bis sie eines Morgens mit Herzrasen aufwacht und keine Luft mehr bekommt. „Jetzt ist es vorbei, ich sterbe“, denkt sie. Tut sie nicht. Es ist kein Herzinfarkt, es ist die Schilddrüse. Aber es ist auch der Moment, in dem ihr Leben sich geändert hat, glaubt sie im Rückblick. Sie will nicht sterben, sie will abnehmen. „Todesangst ist eine gute Motivation.“ Sie nimmt ab. Und sie schreibt darüber. Erst in einem Internetblog, dann in einem Buch. Viele Binsenweisheiten stehen darin (Abnehmen beginnt im Kopf, Sport machen, bewusster essen), Geheimtipps gibt es nicht, waren aber auch nie geplant. „Ich wollte mich mitteilen.“ Und zu Jägers eigener Überraschung wollen das viele lesen und hören.

Nicole Jäger als Gast in der MDR-Talkshow „Riverboat“ im März 2016.
Nicole Jäger als Gast in der MDR-Talkshow „Riverboat“ im März 2016. © imago/STAR-MEDIA | imago stock&people

Mit dem Buch „Die Fettlöserin“ stürmt sie die Bestsellerlisten, später auch die TV-Talkshows und Bühnen. Aus Lesungen werden Kabarett-Auftritte, bei denen Jäger aus dem Nähkästchen plaudert. Wie es etwa ist zu fliegen als extrem dicker Mensch. Oder wie getuschelt wird im Restaurant und getratscht im Schwimmbad.

Derber Humor gehört zu ihr

Jäger erzählt das nicht bösartig, aber ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen und mit derbem Humor. Das ist ein wenig so, wie wenn Kaya Yanar Türkenwitze macht. „Ich darf das, ich bin selber dick“ hat sie ihr Programm genannt. Und unten im Publikum sitzen sie – Dicke und Dünne, mehr Frauen als Männer – und lachen. Über Nicole und sich selber. Über Dinge, die sie fast alle schon mal erlebt haben. „Übergewichtig, unterhaltsam und authentisch“, beschreibt Jäger die Kombination, die sie derzeit so erfolgreich macht.

Ein zweites Buch wird voraussichtlich im September erscheinen, die Kabarett-Tour geht weiter. Die vergangenen zwölf Monate haben die Frau aus Hamburg verändert. „Ich bin selbstbewusster geworden.“ Geblieben ist das Lampenfieber. Und etliche Kilos zu viel. Die sollen weg. „Irgendwann“, sagt Jäger, „will ich zweistellig sein.“