Lissabon. Die Eltern der verschwundenen Maddie McCann hatten einen früheren Ermittler wegen Verleumdung verklagt. Die Klage wurde nun abgewiesen.

Schon etwa zehn Jahre ist es her, und doch ist das Drama um die kleine Maddie immer noch präsent: Am 3. Mai 2007 verschwand Madeleine McCann im portugiesischen Urlaubsort Praia da Luz an der Algarveküste. Unvergessen bleibt der Kampf der Eltern, die alle Hebel in Bewegung setzten, damit ihre Tochter, damals drei Jahre alt, gefunden wird. Doch ohne Erfolg.

Maddie ist wie vom Erdboden verschluckt. Nun mussten Gary und Kate McCann eine neue Niederlage hinnehmen: Das Oberste Gericht in Lissabon entschied, dass sie keinen Schadensersatz von dem ehemaligen Kriminalinspektor Goncalo Amaral erhalten.

Eltern sollen Leiche beseitigt haben

Der damalige Chefermittler hatte behauptet, dass die Eltern etwas mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben. Das britische Paar verklagte ihn wegen Verleumdung auf eine Zahlung von 500.000 Euro. Die Niederlage könnte teuer werden, wenn die McCanns auch die Prozesskosten tragen müssen. Laut „Mirror“ könnte es sich um eine sechsstellige Summe handeln.

Amaral, der wegen seiner umstrittenen Hypothesen von dem Fall abgezogen wurde, veröffentlichte später das Buch „Die Wahrheit der Lüge“. Darin behauptete er, dass Madeleine tot sei, dass sie möglicherweise bei einem Unfall in der Ferienwohnung ums Leben gekommen sei – und dass die Eltern den Leichnam heimlich beseitigt hätten.

Gericht verweist auf Meinungsfreiheit

Beweise für diese Theorie gibt es nicht, deswegen musste sich Portugals Kripo schließlich kleinlaut entschuldigen. Trotzdem sind nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs Portugals die Anschuldigungen des Ex-Ermittlers durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Acht Jahre prozessierten die McCanns gegen den Mann. Sie gingen durch alle Instanzen, bekamen zu Beginn vor dem Zivilgericht zwar recht, kassierten aber in nachfolgenden Berufungsverfahren Niederlagen. Sie seien „zutiefst enttäuscht“ über das Urteil. Sie verweisen darauf, dass die portugiesische wie die britische Polizei „keinen Beleg dafür haben, dass Madeleine körperlicher Schaden zugefügt wurde“.

Fall bleibt wohl für immer ungelöst

Im Mai 2009 suchten die McCanns mit diesem Poster nach Maddie.
Im Mai 2009 suchten die McCanns mit diesem Poster nach Maddie. © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / epa

Maddies Eltern sind weiterhin davon überzeugt, dass ihre Tochter entführt wurde. Auch Scotland Yard geht bei dem Fall von einem Kidnapping aus, hinter dem vielleicht Kinderschänder oder eine Adoptionsmafia stecken könnten. Mehr als 40.000 Seiten umfassen die Ermittlungsakten zu Maddies Verschwinden. Nahezu 9000 Spuren in aller Welt gingen die Fahnder von Scotland Yard nach.

Über 1300 Personen wurden vernommen. Gut 1000 Beweisstücke hat man sichergestellt: Kleidung, Fingerabdrücke oder DNA-Reste. 650 mutmaßliche Sexualstraftäter wurden überprüft. Doch der prominenteste Vermisstenfall der internationalen Kriminalgeschichte bleibt vermutlich für immer ungelöst.

Größte Polizeioperation von Scotland Yard

Offiziell ist nur klar, dass Maddie im portugiesischen Ferienapartment der Eltern Kate und Gerry McCann schlief, während diese in einem nahen Restaurant beim Abendessen saßen. Als Kate und Gerry zurückkamen, war Maddie nicht mehr da.

Der Fall löste die größte Polizeioperation der legendären Londoner Polizeibehörde Scotland Yard aus. Und auch die teuerste: Sie kostete den britischen Steuerzahler mehr als zwölf Millionen Pfund. Schon mehrmals wurde das Ende der Ermittlungen verkündet. Mehrmals wurde die Arbeit der Sonderkommission vom britischen Innenministerium, das für die Finanzierung sorgt, verlängert. Nun soll Ende April, ein Jahrzehnt nach dem Verschwinden Madeleines, endgültig Schluss sein – soweit nicht noch weitere, bislang unbeachtete Spuren auftauchen.

Kate McCann will mit Chor in TV-Show auftreten

Die McCanns hatten die größte private und öffentliche Suchaktion ins Leben gerufen, die die Welt je erlebt hat. Millionenspenden gingen ein, um Detektive zu bezahlen. Papst Benedikt, Prinz Charles und die britische Regierung schalteten sich ein. Doch von Madeleine keine Spur. „Wir haben noch große Hoffnung und glauben an ein Wunder“, verkündeten Kate und Gerry McCann Anfang Januar per Facebook, wie die britische Presse berichtete.

Kate McCann engagiert sich heute übrigens als „Botschafterin“ in der Organisation „Missing People“, die sich um Familien vermisster Personen kümmert. Um auf das Schicksal der Verschwundenen aufmerksam zu machen, gründete der Verein einen Chor, der nun bei Großbritanniens berühmter TV-Talentshow „Britain’s Got Talent“ mit dem Song „I Miss You“ (Ich vermisse Dich) antritt. Der Missing-People-Chor wird jetzt schon mit seinem rührenden Stück als Gewinner gehandelt.