Essen. Hans-Jürgen Bäumler hatte viele Karrieren. Zum 75. Geburtstag will der Eiskunstlauf-Weltmeister der Nachkriegsgeschichte kürzertreten.

Als Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler 1964 bei den Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Dortmund ihre Kür präsentierten, platzte die Westfalenhalle aus allen Nähten. 21 Millionen Deutsche saßen in ihren Wohnzimmern zwischen Nierentischen, Blumenbänken und Tulpenlampen vor ihren Schwarz-Weiß-Fernsehern.

Reporter Heinz Maegerlein beschrieb in poetischen Worten, wie Kilius/Bäumler zur wagemutigen Todesspirale ansetzten und ganz Deutschland jubelte, als ihnen die Punktrichter das ersehnte WM-Gold zuerkannten. Fast 53 Jahre später feiert Hans-Jürgen Bäumler am Samstag in seinem Haus in Südfrankreich seinen 75. Geburtstag – und für die älteren Sportfans ist er immer noch der ewige Eisprinz.

Zur Ruhe setzen

Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler waren die ersten deutschen Sportstars der Nachkriegsgeschichte, dreimal wurde für ihre Auftritte auf dem Eis die „Tagesschau“ verschoben. „Es hieß: Jetzt laufen Kilius/Bäumler, die Nachrichten müssen warten. Wir hatten einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent“, erinnerte sich Bäumler einmal.

Auch wenn er in der Popularitätsskala solche Werte nicht mehr erreicht, im Scheinwerferlicht steht Bäumler bis heute. Als Schauspieler bereist er seit Jahrzehnten das Land. Nach den Feierlichkeiten seines Geburtstages beginnen die Proben für das Stück „Kerle im Herbst“, ehe er im März/April in Bonn und von Ende Mai bis Juli in München am Bayerischen Hof auf der Theaterbühne stehen wird. Danach will er sich auch als Schauspieler zur Ruhe setzen.

Kriegen sie sich oder nicht?

„Ich habe süße Enkelkinder und möchte nun mehr von meiner Zeit mit ihnen teilen“, sagte der Dachauer der „Bunten“. Bäumler kann zwar mit Recht auf seine klassische Schauspielausbildung hinweisen, seine Berühmtheit verdankt er allerdings nicht seinen Auftritten auf dem Theaterparkett, sondern auf dem Eis. Das Traumpaar Kilius/Bäumler war dabei eine arrangierte sportliche Ehe.

Als Marika Kilius im Herbst 1958 ihrem nur 1,58 Meter großen Partner Franz Ningel über den Kopf wuchs, wurde der 1,76 Meter große Einzelläufer Hans-Jürgen Bäumler zum Paarläufer umgeschult. Sechs Europameister- und zwei Weltmeister-Titel holte das Duo. Ausgerechnet bei Olympischen Spielen reichte es 1960 und 1964 nur zu Silber.

Duell Ost gegen West

Vor allem ihr Duell 1964 mit den Protopopows elektrisierte die deutsche Öffentlichkeit. Es war mehr als Sport, es war auch das Duell Ost gegen West. Es war nur eine hauchdünne und umstrittene Niederlage des deutschen Paars. „Die kanadische Preisrichterin hat uns verschaukelt“, meinte Bäumler später. Sie wurde lebenslang gesperrt.

Aber Marika Kilius (73), die nach zwei gescheiterten Ehen in der Schweiz lebt, und Hans-Jürgen Bäumler sorgten in den 60er-Jahren nicht nur auf den Sportseiten für die ganz großen Überschriften. Kriegen sie sich oder nicht? So lautete die Frage, die in den bunten Blättern Woche für Woche gestellt wurde.

Berufliche Zweckgemeinschaft

Die Geschichten über ein vermeintliches Liebesleben gehörte nicht nur in Arztpraxen und Friseursalons zum beliebten Lesestoff. Doch ein Liebespaar wurde aus Marika und Hans-Jürgen trotz der Spekulationen nicht. Beruflich blieb die Zweckgemeinschaft noch einige Zeit bestehen.

Bei „Holiday on Ice“ verdiente das Eispaar gutes Geld und ihr Revuefilm „Die große Kür“ wurde sogar mit der Goldenen Leinwand ausgezeichnet. Ihr Schlager „Honeymoon in St. Tropez“ stand 17 Wochen lang in den deutschen Charts und kletterte bis auf Platz zwei. Auch wenn es nie zu gemeinsamen Flitterwochen kam, in Südfrankreich ist Hans-Jürgen Bäumler trotzdem gelandet. Seit vielen Jahren lebt er dort mit seiner Frau im sonnigen Süden.