Paris. Durch die Kältewelle wird in Frankreich die Heizenergie und der Strom knapp. Im Notfall müssen Regionen stundenweise im Dunkeln sitzen.

„Warm anziehen!“ So lautet angesichts der Kältewelle in ganz Europa ein denkbar naheliegender Ratschlag. Aber so oft wie in Frankreich dürfte er in diese Tagen nirgendwo sonst zu hören sein. Den Franzosen wird in einem nahezu beschwörenden Ton nahegelegt, sich bitteschön auch in den eigenen Wänden einen Pullover überzuziehen und – dies vor allem: das Thermostat der Heizung herunterzudrehen.

Weil seit Dienstag die Temperaturen fünf bis acht Grad unter den Durchschnittswerten für diese Jahreszeit liegen und der Dauerfrost die Leute bibbern lässt, drohen ausgerechnet im Atomland Frankreich Energieengpässe.

Wartungsarbeiten bei Reaktoren

Rund 40 Prozent der Wohnungen werden links des Rheins elektrisch beheizt, und mit jedem Grad weniger auf dem Thermometer schnellt der landesweite Stromverbrauch um 2400 Megawatt in die Höhe. Der wiederum wird zu drei Vierteln von 58 Kernkraftwerken gedeckt, von denen derzeit gleich sechs Reaktoren wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb sind. Bereits seit Mittwoch stößt der staatliche Energiekonzern EDF immer wieder an die Grenze seiner Produktionskapazitäten.

Droht Frankreich der Blackout? Diese provokante Frage wird zurzeit – tagein, tagaus – in den Medien gestellt. Umweltministerin Ségolène Royal wiegelte nach einer eiligst einberufenen Krisensitzung der Regierung ab. Doch geglaubt hat es ihr keiner wirklich. Denn die Wahrheit hätte eine nuanciertere Antwort nötig gemacht. Vor allem, weil die Regierung immer wieder betont, dass sich Stromausfälle nur vermeiden lassen, wenn die Franzosen ihren Stromverbrauch zumindest ein wenig senken.

Fernseh- und Radiospots geben Ideen zum Energiesparen

Und dazu soll sie ein regelrechter Trommelwirbel von Empfehlungen anhalten, der ihnen in Fernseh- und Radiospots entgegenschlägt. „Ziehen Sie den Stecker des Ladegeräts aus der Steckdose, wenn das Handy aufgeladen ist“, „Achten Sie darauf, dass die Temperatur in Ihrer Wohnung 20 Grad nicht übersteigt“, „Lassen Sie Wasch- und Spülmaschinen nicht in der Zeit zwischen 19 und 22 Uhr laufen“, „Schalten Sie nachts den Computer aus“ oder auch „Treppensteigen ist gesund, verzichten Sie heute darauf, den Lift zu nehmen“ – an Ideen zum Energiesparen fehlt es der Regierung nicht.

Schon im Dezember hatte Royal eine Kampagne zum Stromsparen gestartet. „Ich fülle meine Waschmaschine und meinen Geschirrspüler besser“, hieß es auf Plakaten. Immerhin geht die Hauptstadt Paris mit gutem Beispiel voran. Auf Anordnung des Rathauses bleibt derzeit bei Dunkelheit die Außenbeleuchtung von 330 öffentlichen Gebäuden und Denkmälern ausgeschaltet. Allein der Eiffelturm darf als Wahrzeichen der Lichterstadt auch weiterhin seinen leuchtenden Schlafrock tragen.

Stromimporte aus Spanien und Deutschland

Sollte es dennoch eng werden, gibt es einen Notfallplan. EDF hält sich bereit, die Versorgung ausgewählter Industriestandorte zeitweise zu stoppen oder die Spannung im gesamten Netz ein wenig zu senken. Normalverbraucher würden von diesen Maßnahmen nichts merken, versicherte ein Sprecher des Konzerns. Und er betonte, dass es dazu „höchstwahrscheinlich“ nicht kommen werde, weil man derzeit mit Stromimporten aus Deutschland, der Schweiz und Spanien eventuelle Engpässe abfange.

Ein Eingeständnis, das tief blicken lässt: Normalerweise ist es Frankreich, das seinen Überschuss an Atomstrom in die Nachbarländer ausführt. Auch der Netzbetreiber RTE hat einen Notfallplan und mit vielen Industriebetrieben ein Abkommen geschlossen: Droht ein Blackout, können sie binnen Sekunden den Strom abschalten. Aber RTE müsste die Unternehmen dann entschädigen.