London. Altenpfleger haben einen schweren Job – und meist einen niedrigen Lohn. Eine Britin prangert das an. Und bekommt weltweit Zustimmung.

Seit drei Jahren macht Jessica Gentry schon ihren Job als Altenpflegerin in Nordengland. Aber am vergangenen Freitag wurde es ihr zuviel. Nach einer anstrengenden, zwölf Stunden langen Schicht veröffentlichte die 33-jährige Britin bei Facebook einen Text, der ihren Arbeitsalltag beschrieb und ein riesiges Echo auslöste.

„Heute Nacht“, schrieb sie, „habe ich 15 verschiedene Medikamente ausgegeben, half einem Mann, der krank war, brühte ungefähr 25 Tassen Tee, schmierte 14 Toast, verschloss 17 Türen, zog ungefähr 50 Vorhänge zu und stellte sicher, dass die Heizung während der Nacht anspringen würde.“ Und weiter heißt es in dem Posting: „Sprach mit 17 älteren Leuten, die allein waren und sich nach menschlichem Kontakt und Unterhaltung sehnten ... und sie nennen uns NUR Pfleger.“

Immense Arbeitsbelastung

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Gentrys Worte könnten wohl auch viele Altenpfleger in Deutschland unterschreiben – auch hier klagen viele Pfleger über eine immense Arbeitsbelastung bei gleichzeitig geringer Bezahlung. Die meisten Betroffenen bleiben aber aus Angst vor Jobverlust lieber anonym, wenn es darum geht, die Missstände öffentlich zu machen.

Jessica Gentry will die Probleme nicht länger hinnehmen. An die britische Regierung und ihre Premierministerin gerichtet schrieb sie: „Komm, Theresa May, wir sollten doch mehr Geld als nur den Mindestlohn bekommen. Nur eine Krankenschwester auf der Station kann Medikamente ausgeben, aber wegen der Kosten erlaubst du Hilfskräften, die nur vier Stunden lang eingewiesen wurden, Medikamente zu verteilen. Respekt für unsere Alten.“

Ambulante Versorgung

Gentrys Text auf Facebook wurde mehr als 160.000 Mal weitergeleitet und fast eine halbe Million Menschen reagierten auf den offenen Brief. Ein typischer Kommentar lautete: „Du und andere Pfleger sollten eine Medaille für ihre harte Arbeit bekommen.“ Und auch mehr Geld, fanden andere, wie zum Beispiel Lorraine Carlin: „Pfleger brauchen mehr Lohn, es ist eine Schande. Du machst einen fantastischen Job, Jess. Ich hoffe, wenn ich alt bin, habe ich jemanden wie dich an meiner Tür.“

Gentrys Aufschrei hat wohl auch deshalb für so viel Resonanz gesorgt, weil das britische Gesundheitssystem wieder einmal in der Krise steckt. Seit Jahren gibt es staatliche Kürzungen beim Pflegedienst, allein in den letzten fünf Jahren hat wurden sechs Milliarden Euro gestrichen.

Überarbeitete Kollegen

Die Folgen: Überfüllte Kliniken und eine die Lage, die so angespannt ist, dass die ambulante Versorgung von Senioren nicht länger als 20 Minuten dauern darf. Und man vertraut darauf, dass diesen Job Pfleger wie Jessica Gentry übernehmen, die gerade mal umgerechnet 9,30 Euro in der Stunde dafür bekommen.

In einem Interview mit der Zeitung „Manchester Evening News“ erklärte Gentry, dass es Tausende Kolleginnen gebe, die überarbeitet seien. Doch sie liebten ihren Beruf und sie sorgten sich um die Menschen, die sie betreuten. Sie glaube nicht, dass Außenstehende verstünden, was sie leisteten.