Siegeszug der Sprachsteuerung bei der Elektronik-Messe CES
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Von Guido Walter und Christian Latz
Berlin. Konzerne erhoffen sich von Sprachsteuerung ein Milliardengeschäft. Doch bis die Helfer universell einsetzbar sind, dauert es noch.
Es ist ein kühnes Versprechen, das der Chefökonom des amerikanischen Elektronik-Branchenverbandes CTA, Shawn DuBravac, da macht: In diesem Jahr dürften Computer zum ersten Mal gesprochene Worte genauso gut verstehen wie es Menschen können, prophezeit er zum Auftakt der weltweit größten Elektronik-Messe CES in Las Vegas. 2013 noch lag die Fehlerquote bei der computergesteuerten Spracherkennung bei 23 Prozent.
Obwohl noch nicht ausgereift, wittern Tech-Konzerne schon das große Geschäft mit sogenannten Chatbots, also den digitalen Assistenten, die sich mit Menschen unterhalten und für sie kleine Aufgaben erledigen. Nach Smartphones und Apps sollen die virtuellen Assistenten für das nächste Milliardengeschäft sorgen. Pünktlich zur Messe gelang es dem US-Konzern Amazon seinen Sprachroboter „Alexa“ über den hauseigenen smarten Lautsprecher „Echo“ hinaus auch in Geräte anderer großer Hersteller einzubauen. Der PC-Anbieter Lenovo stellte einen ähnlich aussehenden Lautsprecher vor, in dem Alexa das Herzstück ist.
Chatbots beraten beim Einkauf
Seit Ende Oktober verkauft der Onlinehändler Amazon seinen Assistenten auch an ausgewählte Kunden in Deutschland. Der Roboter Alexa ruht auf den Servern des Onlinehändlers. Von dort bezieht er sein Wissen und bringt es über die „Echo“-Dose zu den Nutzern nach Hause. Eine Sprachaufforderung des Nutzers genügt, schon checkt Alexa das Wetter, bestellt Taxis und Pizza, reserviert einen Tisch im Restaurant oder steuert Geräte im vernetzten Haus.
Der Markt für solche Geräte steht nach Prognosen der CTA vor einem explosiven Wachstum. Bis 2020 werde allein der Umsatz mit intelligenten Lautsprechern auf 2,1 Milliarden Dollar steigen, erwartet die IT-Marktanalysefirma Gartner in einer Studie. Allein Amazon will im kommenden Jahr von seinem sprechenden Roboter zehn Millionen Stück verkaufen.
Gigantische Investitionen
„Das Thema hat so viel Potential, dass die großen Technologieunternehmen gigantische Investitionen in den Bereich stecken“, sagt Dominik Wee, Digital-Experte bei der Unternehmensberatung McKinsey. Zu Amazons Konkurrenten zählen etwa der iPhone-Hersteller Apple mit seinem Programm „Siri“ oder der Suchmaschinendienst Google. Der US-Konzern brachte im November „Google Home“ auf den amerikanischen Markt. Ein intelligenter Lautsprecher, dessen Funktionsprinzip an Amazons „Echo“ erinnert.
Im Frühjahr erscheint er auch in Deutschland.Die intelligenten Boxen für Zuhause bilden aber nur einen Teil der neuen Technikwelt. Der virtuelle Assistent des Suchmaschinenriesen etwa ist auch im neuen Google-Handy „Pixel“ im Einsatz. Das zeigt, wo die Entwicklung hingeht: Die Dienste sollen nicht allein an den Lautsprecher gebunden sein, sondern auf vielen Apparaten gleichzeitig zum Einsatz kommen. „Jeder Hersteller versucht, der erste zu sein, dessen Assistent auf vielen Geräten parallel nutzbar ist“, sagt Wee.
Spracherkennung verändert Marketing
Der Hamburger Trendforscher Nils Müller geht außerdem davon aus, dass die Spracherkennung auch das Marketing verändern wird: „Beim Voice Commerce entscheidet sich, welches Unternehmen in der Zukunft erfolgreich sein wird.“
Das könnte dann so aussehen: Der Kunde steht in einem Baumarkt vor Regalen mit Schrauben und Dübeln und lässt sich von einem Chatbot beraten, welches Produkt am besten für seine vier Wände passt. „Je ‚weicher‘ aber die Produkte werden, desto intelligenter muss auch der Chatbot sein“, sagt Carsten Thoma von SAP Hybris. Der Softwarekonzern hat mit dem Roboter „Pepper“ in einer interaktiven Umkleidekabine experimentiert.
Fragen im medizinischen Bereich
„Wir sind noch nicht so weit, um wirklich natürlich mit einem Kunden zu kommunizieren“, räumt Thoma ein. Bislang mangelt es bei den Chatbots noch an Intelligenz, Stimmerkennung und Vielseitigkeit. „Der Medizin-Bot auf der Gesundheitsseite etwa beantwortet nur Fragen im medizinischen Bereich“, sagt Müller.
Zurückhaltend äußert sich auch Dieter Lange von der Beratungsgesellschaft EY. Den meisten Menschen sei derzeit nicht klar, warum sie einen digitalen Assistenten in ihrem Leben überhaupt bräuchten. „Bis virtuelle Assistenten ein Massenprodukt werden, dauert es noch.“