Quito. Auf der Erde wachsen Megacitys mit vielen Millionen Einwohnern. Müll, Energie, Verkehr: Noch fehlen Lösungen für die größten Probleme.

Die Welt im Wandel. Um 1800 gab es eine einzige Millionenstadt, Peking. Bis zum Jahr 2030 wird es nach Schätzungen der Vereinten Nationen 41 Megacitys auf der Erde geben, jede von ihnen mit über zehn Millionen Einwohnern. Wie lebenswert werden diese Städte der Zukunft sein? Wie können Menschen dort mit genügend Wohnraum, Wärme, Energie und sauberem Wasser versorgt werden? Und welche Straßen sind breit genug, um die Massen aufzunehmen? Antworten auf diese Fragen suchten in diesen Tagen 40.000 Menschen in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, die am 3. UN-Weltsiedlungsgipfel „Habitat“ teilnehmen.

Zumindest für die nächsten beiden Jahrzehnte sollen die Leitplanken für die Stadtentwicklung festgelegt werden. Auf der am Donnerstag endenden Konferenz, die nur alle 20 Jahre stattfindet, soll die „New Urban Agenda“ verabschiedet werden, die neue städtische Agenda. Dieser Katalog an Maßnahmen ist rechtlich nicht bindend, bietet aber Richtlinien für eine sichere und nachhaltige Urbanisierung.

Es ist der rasante Zuzug in Städte, der zur Eile mahnt. In 30 Jahren werden zwei von drei Menschen in einer Stadt leben, obwohl Städte heute nur zwei Prozent der Erdoberfläche bedecken. „Die Zukunft entscheidet sich in den Städten“, mahnt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. „Smart City“ ist ein Schlagwort, das in den unterschiedlichsten Panels der Siedlungskonferenz zu hören ist. Die „intelligente Stadt“, in der Nachhaltigkeit konsequent gelebt wird, in der die Lebensqualität der Stadtgemeinschaft sowie der Schutz des Klimas im Mittelpunkt stehen. In Quito werden vor allem die Möglichkeiten digitaler Technologien diskutiert.

Verkehrsströme intelligent lenken

Durch das „Internet der Dinge“ werden Gegenstände miteinander verbunden und kommunizieren selbstständig untereinander. Die riesigen Datenmengen, die dadurch entstehen, werden in Speichersysteme aufgenommen, miteinander verknüpft und ausgewertet. Vor allem im Bereich Mobilität gilt Deutschland hier als Vorbild. Das stetig wachsende Verkehrsaufkommen fordert ein Umdenken in der Gestaltung der Transportinfrastrukturen. So wurden beispielsweise in Mannheim Ampeln mit Sensoren ausgestattet die erkennen, welche Spuren aktuell befahren werden und errechnen, wie das Verkehrslicht am sinnvollsten zu schalten ist.

Auch die lästige Suche nach einem Parkplatz will die Robert Bosch GmbH durch das System des „Community-Parkings“ erleichtern. Moderne Autos sammeln Daten über ihre Umgebung und teilen diese über das Netz. So können Autofahrer freie Lücken unverzüglich finden. Ziel solcher digitalen Verkehrssteuerungen ist nicht nur der Zeitgewinn, sondern auch die Senkung der CO2-Emissionen. Laut UN-„Habitat“ sind Städte für 70 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich und nehmen mehr als 60 Prozent der weltweit erzeugten Energie in Anspruch.

Dazu kommt, dass digitale Infrastrukturen überwiegend von Privatunternehmen ausgebaut werden. Für die Stadt Hamburg etwa entwickelt die amerikanische Technikfirma Cisco digitale Lösungen, die die Steuerung des Hafenverkehrs verbessern. Die Verknüpfung von IT-Systemen mit Informationen von Kameras und Sensoren ermöglichen eine genaue Überwachung des Hamburger „Smartports“.

Alternativen zum Nahverkehr

„Wir haben in Köln in einigen Stadtteilen enorme Probleme mit dem Feinstaub und der Abgasbelastung, sodass wir möglicherweise zu Fahrverboten oder mindestens zu Einschränkungen für den PKW-Verkehr kommen werden“, sagte der Kölner Bürgermeister Andreas Walter. Die Individualmobilität werde in den Städten künftig einen geringeren Anteil haben, um allen durch die steigenden Bevölkerungszahlen eine effiziente Mobilität zu garantieren. Schnellbuslinien gelten als Alternative zu teureren, langwierigen U-Bahn-Bauten.

Einen Lösungsansatz bieten Carsharing-Angebote: Smartphone-Apps ermöglichen registrierten Nutzern, die Fahrzeuge des Carsharing-Betriebs zu lokalisieren und kurzzeitig zu nutzen. Auch die Berliner BVG will durch ihre „FahrInfo“-App die öffentlichen Transportmittel attraktiver gestalten und Echtzeitinformationen über Verkehrsverbindungen und Carsharing Fahrzeuge in der Nähe von Bahnhöfen und Bushaltestellen zu Verfügung stellen. Kopenhagen macht es vor, aber selbst Städte wie Rio de Janeiro haben schon 450 Kilometer an Radwegen.

Digitale Verwaltung

Vielversprechend sollte die Entwicklung der E-Regierung sein, also die Vereinfachung und Durchführung von Transaktion zwischen den Bürgern und den Institutionen. Kürzere Wartezeiten beim Bürgeramt oder sogar die Möglichkeit, administrative Schritte ganz online zu erledigen, sparen Zeit und Ressourcen ein. „Beim Anmelden eines Fahrzeuges kann man in Mannheim, bis auf das Abholen des Nummernschildes, jetzt alles online erledigen“, erklärt der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz am Rande der „Habitat-III“-Konferenz. In Berlin soll das Einführen der elektronischen Gesundheitskrankenkarte einen schnellen und sicheren Datenaustausch zwischen Patienten und Leistungserbringern wie Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern ermöglichen.

Verwundbare IT-Systeme

Diese Onlinedienste sind aber nicht risikofrei. Durch die Nutzung digitaler Infrastrukturen und Dienstleistungen wird eine riesige Menge an Daten produziert, die wiederum zentralisiert und ausgewertet werden können. Datenschutzexperten beklagen, dass die Weiterverwendung dieser Daten durch Privatunternehmen oder staatliche Behörden unzureichenden rechtlichen Rahmenbedingungen unterstellt wird.

Gleichwohl besteht die Gefahr, dass Hacker in die IT-Systeme von „Smart Citys“ eindringen und damit Zugang zum Verhaltensprofil einer gesamten Gesellschaft bekommen. „Wenn alles in einer Hand ist, wenn ein Unternehmen sämtliche digitale Infrastrukturen entwickelt, dann wird es gefährlich. Die Macht der Unternehmen gegenüber der Politik wächst dadurch beträchtlich“, bemerkt Jonas Freist-Held, Jugenddelegierter bei der „Habitat“-Konferenz. Wem gehören die Daten und was soll überhaupt digitalisiert werden? Über diese Frage solle die Öffentlichkeit mitentscheiden, meint Jonas Freist-Held.