Hanau. In Hanau ist ein Flüchtling aus Syrien wegen Totschlags an seiner schwangeren Schwester verurteilt worden. Er hatte die Tat gestanden.

Ein brutales „Abschlachten“ sei es gewesen: Das Landgericht Hanau hat einen 22-jährigen Syrer zu zwölf Jahren Gefängnis wegen Totschlags an seiner schwangeren Schwester verurteilt. Der angeklagte Bürgerkriegsflüchtling hatte in dem Strafprozess gestanden, die 30-Jährige bei einem eskalierten Familienkrach mit einem langen Küchenmesser getötet zu haben.

15 Mal hatte er mit großer Wucht im Wohnhaus der Frau im hessischen Hanau auf das Opfer eingestochen. Dadurch starb auch das ungeborene, aber lebensfähige Kind (23. Woche, 523 Gramm) im Bauch der Mutter.

Tat im Affekt

Verletzte Familienehre habe bei der Tat Anfang Januar eine große Rolle gespielt, ein sogenannter Ehrenmord im klassischen Sinn sei es aber nicht gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Die Tat sei zwar an der Grenze zum Mord anzusiedeln, es habe bei der Aktion aber an Mordmerkmalen gefehlt, zum Beispiel an Vorplanung und Absicherung. Der nicht vorbestrafte, seit August 2013 in Deutschland lebende Flüchtling hatte angegeben, im Affekt gehandelt zu haben. Es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen.

Bei dem Familienstreit ging es um außereheliche Liebschaften des Opfers. Die verheiratete Frau soll eine Affäre mit einem anderen Mann geführt haben. Ihm soll sie auch Sexvideos von sich geschickt haben. Der Ehemann wollte sich deswegen von ihr trennen und befeuerte den Konflikt mit Provokationen der Brüder, wie der Richter sagte. Der Ehemann drohte laut Staatsanwaltschaft auch, die Sache mit den etwa 80 Sexvideos und -bildern öffentlich zu machen – das hätte eine große Schmach für die Familie bedeutet.

Staatsanwaltschaft plädierte auf Totschlag

Der 22-Jährige war mit seinem älteren Bruder am Tattag wegen Ehestreitigkeiten in die Wohnung seiner Schwester und ihres Ehemanns gerufen worden. Dort kam es zu einer Schlägerei. Der daran beteiligte Bruder des 22-Jährigen wurde deswegen am Montag auch verurteilt, wegen Körperverletzung zu neun Monaten Freiheitsstrafe und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Strafe ist auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 22 Jahre alten Haupttäter auf Totschlag in besonders schwerem Fall und eine lebenslange Freiheitsstrafe plädiert. Der Angeklagte habe seine Schwester brutal mit dem Messer „abgeschlachtet“ und wie ein Schaf „geschächtet“, in dem er ihr in den Hals stach.

Richter äußerte Kritik an den Nachbarn

Oberstaatsanwalt Jürgen Heinze ließ am Montag offen, ob er Revision gegen das Urteil einlegen werde. Der Verteidiger des Hauptangeklagten hielt neuneinhalb Jahre für angemessen. Er zeigte sich am Montag mit dem Urteil „nicht unzufrieden“. Totschlag sieht einen Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren vor.

Der Vorsitzende Richter Peter Graßmück richtete bei der Urteilsverkündung auch kritische Worte an die Nachbarn in dem alten, hellhörigen Wohnhaus. Niemand habe dem um Hilfe schreienden Opfer geholfen und Empathie gezeigt. Die einen hätten weggehört, die anderen hätten sich lieber mit Gesellschaftsspielen abgelenkt. Andere Menschen im Umfeld der Brüder hätten später versucht, ihnen bei der Flucht zu helfen. Sie hätten Geld und frische Kleidung bekommen. Die beiden Brüder waren nach der Tat mit einem Taxi geflohen und nahe Trier – nicht weit von der luxemburgischen Grenze – von der Polizei festgenommen worden. (dpa)