Der Kult-„Tatort“ aus Münster macht Schluss mit lustig
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Von Frank Preuß
Münster. Boerne als Geisel: Der Münsteraner „Tatort: Feierstunde“ gibt sich Mühe, ernst zu sein. Das gelingt trotz guter Ansätze nicht wirklich.
Der erste Tote ist Boerne. Der Professor kippt um, getroffen von zwei Flintenkugeln, ehe der Täter sich über ihn beugt, um den finalen Schuss anzusetzen. Aber natürlich kann der Münsteraner „Tatort“ nicht auf seinen begnadeten Selbstdarsteller verzichten, und so ist der verblüffende Einstieg von Regisseur Lars Jessen in „Feierstunde“ der Tagtraum eines rachsüchtigen Forscherkollegen bei seiner Therapeutin. Gleichwohl aber auch der Auftakt zu einem Krimi, der es ungewohnt ernst meint für Münster-Verhältnisse, und sich Albereien im Stil der letzten 29 Folgen verkneift.
Der tagträumende Professor Götz (Peter Jordan) meint es nämlich ernst mit seinen Mordfantasien. Seine todkranke Frau hat sich umgebracht, sie war an der Nervenkrankheit ALS erkrankt, Götz’ Forschungsversuche endeten erfolglos. Seine Wut projiziert er auf den ebenso schnöseligen wie eloquenten Boerne (Jan Josef Liefers), der drei Millionen Forschungsgelder für ein Mumienprojekt eingesackt und den grauen Kollegen Götz ausgestochen hat: Der hätte das Geld dringender benötigt.
Boerne nach Vergiftung gelähmt
Die Psychotherapeutin (Oda Thormeyer) hält die formulierten Gelüste ihres Patienten für harmlose Spinnereien, und muss sich später von Kommissar Thiel (Axel Prahl) darüber aufklären lassen, dass Götz ein Waffenarsenal im Internet bestellt hat. Als Boerne gerade mit seinen Forscherkollegen den Geldsegen feiern will, taucht der verbitterte Götz mit den Knarren auf der Kneipenparty auf und nimmt die Gesellschaft als Geiseln. Zudem soll Boerne spüren, was ALS bedeutet: Götz hat die Appetithäppchen in der Küche mit Viren vergiftet, und wenig später spürt der arme Boerne schon die ersten Lähmungserscheindungen.
Jessen inszeniert die monströse Idee als Kammerspiel im Kontrast zwischen drinnen und draußen, wo Thiel den Sturm aufs Lokal plant. Drehbuchautorin Elke Schuch reduziert die westfälischen Witzchen auf ein Minimum, und doch fällt es schwer, das konstruierte Drama bedrohlich zu finden. Ist man von der Münster’schen Tonart schon so verseucht, dass man einfach gar nichts mehr ernst nehmen mag, selbst wenn es dramatisch sein soll? Wahrscheinlich.
Groteske mit Logiklöchern
Boerne jedenfalls fängt an zu lallen, weil der Zungenmuskel zusehends streikt, was man auch eher lustig als tragisch findet, und die ebenso eitlen Kollegen aus dem Wissenschaftsbetrieb fragen sich, einigermaßen empathiebefreit, wann er endlich tot ist, damit der Spuk vorübergeht. Ein Szenario, in dem sich Peter Jordan noch so sehr bemühen kann, als Geiselnehmer entschlossen zu wirken: Man betrachtet die dick aufgetragene Groteske mit all ihren Logiklöchern zusehends mit Desinteresse.
„Tatort“: Boerne in Lebensgefahr
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Am Rande gelingen Kleinigkeiten. So finden Boerne und Assistentin „Alberich“ (Christine Urspruch) in der Krise eine unerwartete Nähe zueinander, während Thiel sich von der Therapeutin den krummen Rücken begradigen lässt und mit ihr bei einem Gläschen Wein herumschäkert – nett. Und eine Schrecksekunde gibt es dann doch noch: Boerne verspricht, ein besserer Mensch zu werden.
Fazit: Es riecht nach Thriller. Aber der Duft verfliegt schnell. Prahl und Liefers sind für Ernstes im „Tatort“ verbrannt.