Berlin. Menschen verunglücken, weil Autofahrer am Steuer zum Handy greifen. Strafpunkte und hohe Bußgelder schrecken die Fahrer oft nicht ab.

Es ist gerade fünf Tage her, da verlor ein 62-jähriger Berliner um kurz nach 23 Uhr die Kontrolle über seinen Hyundai, kam von der Fahrbahn ab, raste gegen zwei parkende Autos und überschlug sich mehrfach. Der Fahrer überlebte schwer verletzt. Als die Polizei ihn später befragte, wie es zu dem Unfall kommen konnte, gab er zu, er habe sein Mobiltelefon per Funk mit der Freisprechanlage des Autos verbinden wollen.

Das Tippen auf dem Telefon oder das Telefonieren während der Fahrt gehört mittlerweile zu einer der häufigsten Unfallursache. Die Zahl der Vergehen ist im Jahr 2015 deutschlandweit weiter sehr hoch, so gab es 360.000 erwischte Fahrer mit Telefon in der Hand, allein in Berlin waren es genau 17.884. Dabei geht die Polizei von einer großen Dunkelziffer aus. Das Bußgeld wurde zuletzt vor drei Jahren erhöht und liegt bei 60 Euro. Doch auch der zusätzliche Strafpunkt in der Flensburger Kartei hält viele Fahrer nicht davon ab, weiterhin zu telefonieren. Dabei ärgert die Polizei vor allem die Dreistigkeit mit der die Fahrer ihr Verhalten erklären.

Ertappte Fahrer erfinden gerne Entschuldigungen

Erst kürzlich wurde bei einem Aktionstag in Freiburg im Breisgau (Baden-Württemberg) ebenfalls erfasst, wie sich beim Telefonieren erwischte Autofahrer benehmen. Eine Frau lenkte zum Beispiel einhändig ihr Auto an den Straßenrand und sagte zum Polizisten: „Ich weiß, aber es ist wichtig.“ Dann telefonierte sie weiter, ohne die Beamten zu beachten.

Solches Verhalten ist für den Berliner Verkehrsexperten Andreas Tschisch von der Polizei nicht ungewöhnlich. „Auch wir machen mindestens zweimal im Jahr diese Schwerpunktkontrollen, aber sie sind bei Polizisten sehr unbeliebt.“ Viele ertappte Fahrer erfinden Entschuldigungen oder streiten ab, ihr Telefon benutzt zu haben. „Häufig enden dann solche Fälle vor Gericht und die Streifenpolizisten fallen wegen der Termine dann für ihren Dienst aus.“ Das alles sei sehr ärgerlich und lasse sich ohne eine Datenanalyse des Telefons schwer beweisen, die aber nur im Ausnahmefall eingefordert werden kann.

Auch mit Freisprechanlage ist der Fahrer abgelenkt

Obwohl diese Kontrollen selten sind, ist es sehr leicht, Autofahrer auf frischer Tat zu ertappen. Bei den Freiburger Kontrollen in den vergangenen Tagen konnten sie derartige Vergehen „im Minutentakt“ feststellen. „Auch in Berlin telefoniert gefühlt jeder Zweite oder Dritte“, sagt Andreas Tschisch von der Polizei Berlin. Braunschweiger Verkehrspsychologen registrierten bei einer Stichprobe bei knapp 12.000 vorbeifahrenden Autos, dass 4,5 Prozent der Fahrer durch Hantieren mit ihrem Handy abgelenkt waren. Der Studie nach erhöht sich das Unfallrisiko bei Telefonbenutzung um das Sechs- bis Zwölffache.

Auch eine Freisprechanlage beseitigt das Problem nicht. Verkehrspsychologen haben einen Unterschied festgestellt zwischen dem Gespräch mit dem Beifahrer und einem Telefonat. „Die gedankliche Beschäftigung mit anderen Dingen kann sich negativ auswirken“, sagt Verkehrspsychologe Mark Vollrath aus Braunschweig. „Das Problem ist hier aber ein anderes als bei der Blickabwendung: Man sieht zwar noch das andere Fahrzeug, bemerkt aber nicht oder zu spät, dass man reagieren müsste.“

So gibt es zwar Apps für Smartphones, die das Telefonieren im Auto technisch unmöglich machen. „Aber das wird die Zahl der telefonierenden Fahrer nicht reduzieren“, sagt Andreas Tschisch. Das habe mit dem Zeitgeist zu tun. „Alle wollen erreichbar sein.“