Edmonton. Die kanadische Provinz Alberta hat den Notstand ausgerufen. Mehr als 90.000 Menschen befinden sich auf der Flucht vor dem Großbrand.

Die Flammen in Kanadas Provinz Alberta sind trotz eines riesigen Aufgebots an Feuerwehrleuten nicht zu beherrschen. 90.000 Menschen aus Fort McMurray mussten ihre Stadt verlassen – die Massenevakuierung gilt als größte in der Geschichte Kanadas. „Das Feuer hat die Hölle über uns hereinbrechen lassen“, sagte der Polizeichef der Stadt. Mehrere Tankstellen explodierten, Tausende Wohnhäuser sind niedergebrannt. Noch immer fliegen die Löschhubschrauber über Fort McMurray. Hunderte Patienten wurden in andere Krankenhäuser gebracht.

„Es ist verrückt, total verrückt“, sagte eine verzweifelte Frau, die nur mit einer Handtasche unter dem Arm aus ihrem Haus floh, dem lokalen Radiosender. Sie berichtete unter Tränen von riesigen Rauchschwaden und einem tief schwarzen Himmel. Sie habe die Hand vor Augen nicht mehr gesehen, weil es überall Aschebrocken geregnet habe. „Was wird sein, wenn wir zurückkommen?“

Großteil der Stadt könnte für immer verloren sein

Noch ist unklar, wann die Menschen wieder in ihre Stadt zurückkehren können. Ob es überhaupt dazu kommen wird, ist nicht sicher: Zehntausende haben Unterschlupf in Notunterkünften in etwa 20 Kilometer Entfernung oder bei Gastfamilien gefunden. Nun gleicht der Ort einer Geisterstadt.

Die Menschen, die Fort McMurray verlassen mussten, kommen zunächst in Notunterkünften unter.
Die Menschen, die Fort McMurray verlassen mussten, kommen zunächst in Notunterkünften unter. © REUTERS | TOPHER SEGUIN

Die Angst der Menschen, dass sie ihre Heimat möglicherweise für immer verloren haben, gilt als berechtigt. Notfallmanager Scott Long sagt: „Vermutlich verlieren wir einen Großteil der Stadt.“

Nicht nur die Flammen, die von den Rettungskräften als „apokalyptisch“ bezeichnet werden, zeigen ein kata­strophales Ausmaß. Auch die Evakuierungsaktion galt als höchst dramatisch und scheiterte bei einigen an praktischen Dingen: Viele, die vor der Feuerhölle Richtung Norden flüchten wollten, konnten nicht losfahren, weil ihr Tank leer war. Manchen Autofahrern ist das Benzin während der Fahrt ausgegangen.

An Tankstellen, die noch nicht vom Feuer betroffen waren, stauten sich bis zu 200 Autos. Stunden vergingen, bis Tankwagen den Notfalltreibstoff liefern konnten. In Panik verursachten die Autofahrer Hunderte Unfälle. Viele ließen die Fahrzeuge einfach stehen und machten sich zu Fuß auf den Weg.

„Ich konnte die Hitze sogar in meinem Auto spüren“, berichtet Amanda Helmle, eine Bewohnerin. Bei der Flucht aus der Stadt hätten die bis zu 30 Meter hohen Flammen nur wenige Meter von ihrem Auto entfernt im Straßengraben gelodert.

Tausende fliehen vor Waldbränden in Kanada

Meterhoch schlugen sich die Flammen durch die kanadische Provinz Alberta, Wind trug das Feuer weiter nach Norden.
Meterhoch schlugen sich die Flammen durch die kanadische Provinz Alberta, Wind trug das Feuer weiter nach Norden. © dpa | Twitter.Com/Jeromegarot
Der folgenschwere Waldbrand hat rund 88.000 Menschen in die Flucht geschlagen. Twitter-Nutzer @jeromegarot hat das Feuer in der Stadt Fort McMurray fotografiert.
Der folgenschwere Waldbrand hat rund 88.000 Menschen in die Flucht geschlagen. Twitter-Nutzer @jeromegarot hat das Feuer in der Stadt Fort McMurray fotografiert. © dpa | Twitter.Com/Jeromegarot
Es handele sich um die größte wegen Bränden veranlasste Evakuierung in der Geschichte der Provinz, teilte das Rote Kreuz mit.
Es handele sich um die größte wegen Bränden veranlasste Evakuierung in der Geschichte der Provinz, teilte das Rote Kreuz mit. © dpa | Yonis Libah /Twitter.Com/Slimcat
Ganze Gemeinden seien verwüstet worden, Tote oder ernsthaft Verletzte gab es demnach aber nicht.
Ganze Gemeinden seien verwüstet worden, Tote oder ernsthaft Verletzte gab es demnach aber nicht. © dpa | Twitter.Com/Jeromegarot
Das auf einer Fläche von etwa 2000 Quadratkilometern wütende Feuer zerstörte laut...
Das auf einer Fläche von etwa 2000 Quadratkilometern wütende Feuer zerstörte laut... © REUTERS | CBC NEWS
...der Regierungschefin von Alberta, Rachel Notley, 2400 Gebäude, darunter Hunderte Wohnhäuser. Für die Provinz wurde der Notstand ausgerufen.
...der Regierungschefin von Alberta, Rachel Notley, 2400 Gebäude, darunter Hunderte Wohnhäuser. Für die Provinz wurde der Notstand ausgerufen. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Einsatzkräfte regelten die Evakuierung.
Einsatzkräfte regelten die Evakuierung. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Feuerwehrleute hatten zudem wegen ungünstiger Wetterbedingungen Schwierigkeiten, die Flammen in Schach zu halten.
Feuerwehrleute hatten zudem wegen ungünstiger Wetterbedingungen Schwierigkeiten, die Flammen in Schach zu halten. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Fort McMurrays Feuerwehrchef Darby Allen sprach von einem „ekelhaften, dreckigen Feuer“ und dem schlimmsten Tag seiner Karriere bei der Feuerwehr.
Fort McMurrays Feuerwehrchef Darby Allen sprach von einem „ekelhaften, dreckigen Feuer“ und dem schlimmsten Tag seiner Karriere bei der Feuerwehr. © REUTERS | KANGEN LEE
Die Einsatzkräfte erwarteten, dass der Wind die Brände noch weiter nach Norden trägt.
Die Einsatzkräfte erwarteten, dass der Wind die Brände noch weiter nach Norden trägt. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Mehr als 1000 Feuerwehrleute waren im Einsatz, wie die Provinz Alberta mitteilte, dazu 145 Hubschrauber und 22 Löschflugzeuge. Die Menschen, die Fort McMurray noch nicht verlassen konnten, sollen in einer Rettungsaktion mit Flugzeugen in Sicherheit gebracht werden.
Mehr als 1000 Feuerwehrleute waren im Einsatz, wie die Provinz Alberta mitteilte, dazu 145 Hubschrauber und 22 Löschflugzeuge. Die Menschen, die Fort McMurray noch nicht verlassen konnten, sollen in einer Rettungsaktion mit Flugzeugen in Sicherheit gebracht werden. © REUTERS | KANGEN LEE
Das Feuer war schon am Wochenende südwestlich der Stadt ausgebrochen, starker Wind trieb die Flammen dann am Dienstag nach Fort McMurray.
Das Feuer war schon am Wochenende südwestlich der Stadt ausgebrochen, starker Wind trieb die Flammen dann am Dienstag nach Fort McMurray. © dpa | Nasa/Earth Observatory/Joshua St
Die Provinz Alberta hatte 2015 die schlimmste Dürre seit 50 Jahren erlebt und leidet seit vergangener Woche unter einer Hitzewelle.
Die Provinz Alberta hatte 2015 die schlimmste Dürre seit 50 Jahren erlebt und leidet seit vergangener Woche unter einer Hitzewelle. © Reuters | HANDOUT
Das Gebiet rund um Fort McMurray ist für den Abbau von Ölsand bekannt. Die teerartige Substanz, die ähnlich aussieht wie klebriger Asphalt, lagert dort in riesigen Mengen etwa 30 Meter unter der Erdoberfläche. Das stark ölhaltige Produkt wird im Übertagebau abgebaut.
Das Gebiet rund um Fort McMurray ist für den Abbau von Ölsand bekannt. Die teerartige Substanz, die ähnlich aussieht wie klebriger Asphalt, lagert dort in riesigen Mengen etwa 30 Meter unter der Erdoberfläche. Das stark ölhaltige Produkt wird im Übertagebau abgebaut. © Reuters | HANDOUT
Die flüchtenden Menschen kamen in Notunterkünften unter.
Die flüchtenden Menschen kamen in Notunterkünften unter. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Freiwillige trugen Lebensmittel ins Gemeindezentrum von Anzac, wo...
Freiwillige trugen Lebensmittel ins Gemeindezentrum von Anzac, wo... © REUTERS | TOPHER SEGUIN
...Menschen – und Tiere – aus Fort McMurray Unterschlupf fanden.
...Menschen – und Tiere – aus Fort McMurray Unterschlupf fanden. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Das Rote Kreuz rief zu Spenden für die Betroffenen auf, die am...
Das Rote Kreuz rief zu Spenden für die Betroffenen auf, die am... © REUTERS | TOPHER SEGUIN
...Mittwoch ihre Stadt hatten verlassen müssen.
...Mittwoch ihre Stadt hatten verlassen müssen. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Berichten zufolge erschwerten Benzinknappheit und...
Berichten zufolge erschwerten Benzinknappheit und... © dpa | Yonis Libah /Twitter.Com/Slimcat
...Staus die Evakuierung: Dieser Mann aus Fort McMurray machte Pause an einem Strand südlich der Stadt.
...Staus die Evakuierung: Dieser Mann aus Fort McMurray machte Pause an einem Strand südlich der Stadt. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Diese Menschen, die ihr Heim verlassen mussten, bekamen Kissen und Decken...
Diese Menschen, die ihr Heim verlassen mussten, bekamen Kissen und Decken... © REUTERS | DAN RIEDLHUBER
...sowie andere Hilfsmittel in einem Zentrum in Edmonton ausgehändigt.
...sowie andere Hilfsmittel in einem Zentrum in Edmonton ausgehändigt. © REUTERS | DAN RIEDLHUBER
Vor den Lebensmittel-Geschäften in Fort McMurray hatten sich lange Schlangen gebildet, als bekannt wurde, dass...
Vor den Lebensmittel-Geschäften in Fort McMurray hatten sich lange Schlangen gebildet, als bekannt wurde, dass... © REUTERS | TOPHER SEGUIN
...die Stadt evakuiert werden würde.
...die Stadt evakuiert werden würde. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
Twitter-Nutzer @SlimCat_23 fotografierte die Rauchwolken von der Gemeinde Anzac aus.
Twitter-Nutzer @SlimCat_23 fotografierte die Rauchwolken von der Gemeinde Anzac aus. © dpa | Yonis Libah /Twitter.Com/Slimcat
Einsatzkräfte im Angesicht der Naturgewalt.
Einsatzkräfte im Angesicht der Naturgewalt. © REUTERS | TOPHER SEGUIN
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Das Feuer von der Größe von etwa 35 Fußballfeldern wird angefacht von böigen Winden, die stets ihre Richtung wechseln, was die Arbeit der Feuerwehrleute ungemein erschwert. Begünstigt werden die Flammen auch von einer ungewöhnlichen Trockenheit und hohen Temperaturen von bis zu 30 Grad, was für diese Jahreszeit in Kanada eigentlich nicht üblich ist.

Weite Teile Albertas werden derzeit von einer Dürre geplagt, da die Region einen vergleichsweise milden Winter mit wenig Niederschlag erlebt hatte. Fort McMurrays Feuerwehrchef Darby Allen sagte: „Dies ist ein ekelhaftes, dreckiges Feuer. Und der schlimmste Tag meiner Karriere bei der Feuerwehr.“ Die Einsatzkräfte erwarteten, dass noch lange nicht Schluss sein wird, sondern dass der Wind die Flammen noch weiter nach Norden trägt.

Die Brücken wie auch die Zufahrtsstraßen Richtung Süden wurden von der Polizei gesperrt, alle Flüge aus der Provinz Alberta annulliert.

„Wir werden alles aber auch alles tun, um den Menschen zu helfen“, erklärte der Premierminister Justin Trudeau in Ottawa. Aus allen Teilen Kanadas wurden Feuerwehrleute und Katastrophenschützer nach Fort McMurray entsandt. Auch die Armee bereitete sich auf einen Einsatz vor. Über mögliche Tote oder Verletzte gab es bislang keine Berichte.

Geringeres Ölangebot hat den Ölpreis in die Höhe getrieben

Sorge bereiten den Kanadiern auch die Ölsandvorkommen direkt vor der Stadt. Die Förderanlagen und Pipelines einiger Energiekonzerne liegen nur etwa 30 Kilometer vom Ort entfernt, und ein Übergreifen könnte eine gigantische Katastrophe auslösen. Noch ist es nicht zu Zwischenfällen gekommen. Der Shell-Konzern nahm einige seiner Anlagen vorsichtshalber außer Betrieb.

Der Wind hat den Waldbrand in Richtung Stadt getrieben.
Der Wind hat den Waldbrand in Richtung Stadt getrieben. © REUTERS | TOPHER SEGUIN

Spekulationen über ein geringeres Ölangebot haben schon jetzt den Ölpreis in die Höhe getrieben. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um 2,4 Prozent oder 1,09 Dollar auf 45,71 Dollar je Barrel. Etwa 250.000 Barrel Rohöl fallen nun täglich allein durch die Schließung des Shell-Projekts Albian Sands weg, hieß es.

Andere Betreiber in der Region hingegen setzen die Förderung von Ölsanden fort. Die Ölfelder selbst sind bislang vom Feuer nicht bedroht. In der Region sollen mehr als eine Billion Tonnen Bitumen liegen, das zu synthetischem Rohöl aufbereitet werden kann.