London. In der englischen Stadt Rotherham wurden 1400 Mädchen missbraucht. 20 Jahre später müssen die Täter nun bis zu 35 Jahre ins Gefängnis.

Es war ein Skandal, der Großbritannien 2014 erschütterte. Und es hat fast 20 Jahre gedauert, bevor einige der Kinderschänder von Rotherham belangt wurden: Am Freitag endete ein Prozess, in dem die ersten Täter verurteilt wurden. Den Beschuldigten wurden 50 Straftaten gegen 15 Mädchen zur Last gelegt. Die Brüder Arshid, Basharat und Bannaras Hussain und ihr Onkel Qurban Ali wurden zu Haftstrafen zwischen 10 und 35 Jahren verurteilt, zwei Frauen wegen Zuhälterei und Freiheitsberaubung schuldig gesprochen.

Wie ein offizieller Untersuchungsbericht der Soziologin Alexis Jay enthüllte, wurden zwischen 1997 und 2013 in der nordenglischen Stadt mehr als 1400 Mädchen systematisch missbraucht. Politiker, Polizisten und Sozialarbeiter wussten von den Verbrechen, aber schauten weg. Oder sie vertuschten sogar die Taten.

Minderjährige Mädchen wurden mit Liebesbekundungen geködert

Minderjährige Mädchen aus schwierigen sozialen Verhältnissen wurden auf der Straße von Männern angesprochen und mit Geschenken und Liebesbekundungen geködert. Dann wurden sie mit Alkohol gefügig gemacht, vergewaltigt, zwangsprostituiert und an Mitglieder der Gang, Freunde und Familie weitergereicht. Wer den Tätern entkommen wollte, wurde bedroht.

Warum hatten die Kinderschänder von Rotherham so lange freie Hand? Falsch verstandene politische Korrektheit spielte eine Rolle. Bei den Tätern handelte es sich überwiegend um Männer pakistanischer, mitunter bengalischer Herkunft. Nicht zuletzt deswegen wurde das Thema ignoriert.

Angst vor Rassismus und Islamophobie

Sozialarbeitern oder Polizisten war bekannt, was in den heruntergekommenen Industriestädten wie Derby, Nottingham oder Rotherham vor sich ging, wo es einen großen muslimischen Bevölkerungsanteil und eine verarmte weiße Unterschicht gibt. Beide Gruppen leben aneinander vorbei. Seit Mitte der 90er-Jahre munkelte man von den „Sex-Gangs“, aber es wurde nichts unternommen, weil die Polizei Vorwürfe des Rassismus und der Islamophobie befürchtete.

Man wollte Spannungen zwischen den Gruppen nicht verschärfen und Schlagzeilen wie „Muslimische Männer missbrauchen weiße Mädchen“ vermeiden. So kam es zu Schweigen und Wegschauen – mit tragischen Konsequenzen für die Opfer.