Aachen . Pfleger der Uniklinik Aachen machten entwürdigende Fotos ihrer Patienten. Die vermeintlichen Streiche haben ein ernstes Nachspiel.

Die meist hochbetagten Patienten in der Notaufnahme der Aachener Uniklinik waren wehrlos. Zum Teil litten sie an Demenz, zum Teil waren sie narkotisiert. Die Pfleger legten sich zu ihnen ins Bett, bemalten sie, knipsten herabwürdigende Fotos. Dafür sind vier Männer und eine Frau zwischen 25 und 32 Jahren jetzt wegen „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“ verurteilt worden. Drei Männer erhielten Bewährungsstrafen von sechs, sieben und acht Monaten. Der vierte Mann und die Frau müssen Geldstrafen von 70 Tagessätzen à 60 und 50 Euro zahlen. Damit entspricht das Urteil den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Die Taten seien ein „Vertrauensbruch“, begründete die Richterin des Amtsgerichts Aachen, Lena-Michel-Rensen, ihren Schuldspruch. „Die Täter standen in der Fürsorgepflicht.“ Der Prozess habe leider keine Klarheit darüber bringen können, was die Pfleger antrieb. Die Angeklagten fanden zwar Worte des Bedauerns, nicht aber für ihre Motive. „Offenbar handelten sie völlig impulsiv. Sie waren völlig überrascht von der Lawine, die sie damit ausgelöst hatten“, sagt Gerichtssprecher Daniel Kurth. Alle Angestellten wurden vom Klinikum entlassen, als die Taten ans Licht kamen. „Sie arbeiten inzwischen alle wieder in Pflegereinrichtungen, nicht zwingend in Krankenhäusern“, sagt Kurth. Ein Berufsverbot sei nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen. Die Verteidiger hatten jedoch geltend gemacht, dass einige der Verurteilten eine ausländische Berufszulassung besitzen und diese verlieren könnten.

Klinik bewertete Vorfälle zunächst nicht als Straftat

Der ärztliche Leiter der Notaufnahme hatte im September 2014 ein anonymes Schreiben mit den geschmacklosen Fotos von insgesamt neun Patienten erhalten. Darauf zu sehen: die teilweise unbekleideten Erkrankten. Einem Mann wurde mit dem Stift etwas auf den Bauch gekritzelt. Einem anderen malten sie mit einer Creme Vampirzähne ins Gesicht. Eine Pflegerin legte sich zu ihm, machte ein Victory-Zeichen. Auch Selfies von sich mit den Patienten schossen die Pfleger und schnitten dabei Grimassen. Von einer Patientin gab es sogar einen Handyfilm. In diesem Video fragt die offenbar verwirrte Frau den Pfleger: „Wer sind Sie?“ Seine Antwort: „Ein Terrorist.“ Dieses Video und zwei der Bilder teilte einer der Pfleger in einer internen WhatsApp-Gruppe. Ihr Name: „Quatsch-Gruppe“.

Nach Bekanntwerden des Falls 2014 hatte die Uniklinik Aachen die Vorfälle zwar scharf verurteilt: „Das ist eine absolute Grenzüberschreitung.“ Eine Straftat sah man zu dem Zeitpunkt jedoch nicht, sondern lediglich ein „disziplinarisches Vergehen“. Die Pfleger wurden entlassen. Dazu Mathias Brandstädter, Sprecher des Klinikums Aachen, zu dieser Zeitung: „Mit den Informationen, die wir 2014 hatten, deuteten wir die Vorfälle tatsächlich als disziplinarisches Vergehen. Hätten wir den Wissensstand gehabt, den die Staatsanwaltschaft im Laufe ihrer Ermittlungen gewann, hätten wir enger geprüft, ob eine Straftat vorliegt.“ Das Urteil will Brandstädter nicht bewerten, solange es nicht rechtskräftig ist.

Stiftung Patienschutz ist für Berufsverbot

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund warnt davor, solche Vorfälle zu verharmlosen und „intern“ zu regeln: „Es darf keine Kultur des Wegschauens geben.“

An dem Gerichtsurteil enttäuscht Vorstand Eugen Brysch, dass kein Berufsverbot ausgesprochen wurde: „Schließlich sind beschämende Aufnahmen von hilflosen Personen keine Bagatelldelikte. Die grobe Verletzung der Würde eines Patienten muss hart bestraft werden. Schließlich hat Pflegepersonal eine herausragende Fürsorgepflicht, die missbraucht wurde. Hier muss das Berufsrecht für Klarheit sorgen. Solches Personal ist ungeeignet für die Pflege am Menschen.“ Brysch plädiert dafür, in Kliniken ein sogenanntes Whistleblower-System einzuführen, ein Forum für Hinweise auf Vergehen.