Berlin. Dietmar Eckell nimmt viel auf sich für Fotos von Flugzeugwracks. Es sind aber nicht irgendwelche Flieger, denen er hinterher reist.

Die Bilder lassen zunächst Schlimmes vermuten: Flugzeugwracks im Nirgendwo. Doch Dietmar Eckell fotografiert nur, wenn es ein Happy End gab: Er hält fest, was von Crashs geblieben ist, die alle Menschen an Bord wie durch ein Wunder überlebt haben. Der in Berlin und Thailand lebende Fotograf ist seit einem eigenen Absturz in der Wüste auf der Jagd nach nie geborgenen Maschinen im Nirgendwo, die Geschichten erzählen von Glück und Heldentum. Eckell bringt faszinierende Bilder davon mit. Nun sucht er für ein Buch Hilfe im Netz.

Autos in der Wüste weckten Interesse

Dietmar Eckell gab seinen Job im Marketing auf, um als Fotograf um die Welt zu reisen. Er hat sich auf Bilder spezialisiert, die vergängliches Menschenwerk in wilder Natur zeigen.
Dietmar Eckell gab seinen Job im Marketing auf, um als Fotograf um die Welt zu reisen. Er hat sich auf Bilder spezialisiert, die vergängliches Menschenwerk in wilder Natur zeigen. © carstensander.com | Carsten Sander

Die Leidenschaft für Vergessenes, Zurückgelassenes und Verrottendes und dessen Geschichte packte ihn schon, als GPS noch ein Fremdwort war. Bei einer Motorradfahrt durch die Sahara stellte Eckell fest, dass Autoracks als Wegmarken dienten. Welche Geschichten wohl dahinter stecken? Oder welche Schicksale hinter zurückgelassenen Wohnwagen in der Mojavewüste? Als Eckell über genau dieser Wüste mit einem motorgetriebenen Paraglider abstürzte, war das der Anfang seiner Arbeit.

Mit einem gebrochenen Bein schaffte er es in eine Gegend, in der es wieder Handyempfang gab. Eckel hatte dort Zeit. Vom Krankenbett aus recherchierte er im Internet nach Crashlandungen fernab der Zivilisation ohne Toten. Er fand schnell die ersten Hinweise, stieg immer tiefer ein in Foren. Zahllose Stunden verbrachte der gebürtige Pfälzer mit Google Earth. Er stieß auf nie geborgene Maschinen, die manchmal so grau waren wir die umgebenden Felsen oder so grün wie die Wälder, in die sie eine Schneise geschlagen hatten.

Glück im Unglück: Flugzeugcrash ohne Todesopfer

Douglas C-47 D in Kanada: Zum Glück lag hoch Schnee, als die Maschine es nicht mehr über den Bergrücken schaffte.
Douglas C-47 D in Kanada: Zum Glück lag hoch Schnee, als die Maschine es nicht mehr über den Bergrücken schaffte. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Cessna 310q in Australien: Die Rettungsaktion für die Verletzten wurde in der glühenden Hitze zum Wettlauf gegen die Zeit. Die Benzinversorgung der Maschine war gestört gewesen.
Cessna 310q in Australien: Die Rettungsaktion für die Verletzten wurde in der glühenden Hitze zum Wettlauf gegen die Zeit. Die Benzinversorgung der Maschine war gestört gewesen. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Curtiss C-46 Commando in Kanada: Auf der Maschine mitten in den kanadischen Wäldern ist eine Bemalung zu erkennen, die zum Zeitpunkt des Unglücks übertüncht war. Ein Pilotenfehler ging der Notlandung voraus.
Curtiss C-46 Commando in Kanada: Auf der Maschine mitten in den kanadischen Wäldern ist eine Bemalung zu erkennen, die zum Zeitpunkt des Unglücks übertüncht war. Ein Pilotenfehler ging der Notlandung voraus. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Douglas C-47 R4D-8 in Island: Kein Sprit mehr im Unwetter, aber ein großes Lavafeld am Boden. Ein Versuch, die Maschine zu bergen, scheiterte.
Douglas C-47 R4D-8 in Island: Kein Sprit mehr im Unwetter, aber ein großes Lavafeld am Boden. Ein Versuch, die Maschine zu bergen, scheiterte. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Douglas C-47 in Kanada: Der Start der Maschine verunglückte, weil die Kufen sich tief in den weichen Schnee gebohrt hatten.
Douglas C-47 in Kanada: Der Start der Maschine verunglückte, weil die Kufen sich tief in den weichen Schnee gebohrt hatten. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Avro Shackleton in der Westsahara: Mitten in der Nacht und im Rebellengebiet musste der Pilot die Maschinen wegen brennender Triebwerke notlanden. Platz gab es genug.
Avro Shackleton in der Westsahara: Mitten in der Nacht und im Rebellengebiet musste der Pilot die Maschinen wegen brennender Triebwerke notlanden. Platz gab es genug. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Grumman HU-16 Albatross in Mexiko: Was es mit dem Flug auf sich hatte, kann nur spekuliert werden. Nachdem die Maschine von Militärmaschinen zur unsanften Landung gezwungen worden war, flüchteten die Insassen. Inzwischen dürfte vom Flugzeug im Ozean nichts mehr zu sehen sein
Grumman HU-16 Albatross in Mexiko: Was es mit dem Flug auf sich hatte, kann nur spekuliert werden. Nachdem die Maschine von Militärmaschinen zur unsanften Landung gezwungen worden war, flüchteten die Insassen. Inzwischen dürfte vom Flugzeug im Ozean nichts mehr zu sehen sein © "Happy End" | Dietmar Eckell
B-24D Liberator in Papua-Neuguinea: Mehr als 70 Jahre liegt die Maschine der US Air Force im Nirgendwo. Mit Fallschirmen hatte sich der Großteil der Besatzung bereits gerettet, als Pilot und sein Co-Pilot die Maschine noch halbwegs heil auf die Erde brachten.
B-24D Liberator in Papua-Neuguinea: Mehr als 70 Jahre liegt die Maschine der US Air Force im Nirgendwo. Mit Fallschirmen hatte sich der Großteil der Besatzung bereits gerettet, als Pilot und sein Co-Pilot die Maschine noch halbwegs heil auf die Erde brachten. © "Happy End" | Dietmar Eckell
C-82 in Alaska: Holz fällen für wärmendes Feuer an den drei arktisch kalten Tagen bis zum Eintreffen von Rettern musste die Besatzung nicht. Das hatte sie mit der Landung bereits erledigt. Der Pilot hat sich später bei Eckell gemeldet.
C-82 in Alaska: Holz fällen für wärmendes Feuer an den drei arktisch kalten Tagen bis zum Eintreffen von Rettern musste die Besatzung nicht. Das hatte sie mit der Landung bereits erledigt. Der Pilot hat sich später bei Eckell gemeldet. © "Happy End" | Dietmar Eckell
Curtiss C-46 Commando in Kanada: Der Cargo-Flieger musste wegen technischer Probleme eine sehr holprige Landebahn nehmen.
Curtiss C-46 Commando in Kanada: Der Cargo-Flieger musste wegen technischer Probleme eine sehr holprige Landebahn nehmen. © "Happy End" | Dietmar Eckell
C-53 in Australien: Ein erster Vorgeschmack auf Eckells kommendes Buch. Sieben Tage brauchte er, um zu der Stelle zu kommen, an der 1942 eine Maschine mit leerem Tank im Busch endete.
C-53 in Australien: Ein erster Vorgeschmack auf Eckells kommendes Buch. Sieben Tage brauchte er, um zu der Stelle zu kommen, an der 1942 eine Maschine mit leerem Tank im Busch endete. © "Happy End" | Dietmar Eckell
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Wenn einheimische Piloten zweifeln

Für seine Fotos verhandelte er mit Rebellen in Nordafrika und mit Piloten in Nordamerika. Bei den einen ging es um seine Sicherheit, bei den anderen um ihre Gewissheiten: Stein und Bein hatte ein Pilot in Nordamerika geschworen, dass es in seiner Heimat kein solches Flugzeug zu finden gibt. Der Mann aus Deutschland belehrte ihn eines Besseren. Das Wrack, das es nicht geben sollte, ist eines von 15 in seinem Buch „Happy End“.

Das über Crowdfunding finanzierte Werk und seine ausdauernde Detektivarbeit brachten Eckell so viel Bekanntheit ein, dass er nach dem Verschwinden des seit dem März 2014 vermissten Flugs MH370 um Rat gefragt wurde. „Das zeigte mehr die Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit bei der Suche. Alte Wracks zu suchen hat nichts mit der High-Technik-Suche nach vermissten Verkehrsflugzeugen zu tun.“ Dennoch: Die Verkaufszahlen seines Buches steigen regelmäßig an, wenn irgendwo ein Flugzeug abstürzt. Menschen googeln und finden Eckells Bilder.

Zwölf weitere Wracks gefunden

Nach dem ersten Buch arbeitet er nun an einem zweiten, auf seiner Facebookseite hält der Fotograf über seine Projekte auf dem Laufenden. Aber es ist nicht sicher, ob er noch einmal 15 Wunder zeigen kann. Zwölf weitere Orte hat er schon gefunden, wo Wracks von Flugzeugen liegen. Aber wo gibt es weitere Maschinen, die Zeugnis ablegen von glimpflich ausgegangenen Flugzeugunglücke? Wo finden sich auch nach Jahren und Jahrzehnten noch Belege dafür, was sich in Sekunden abspielte?

Inzwischen arbeitet sich Eckell mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen durch japanische Foren. „Die Zahl der Happy Ends ist begrenzt“, sagt er unserer Redaktion. „Ich hoffe auf Input von der Crowd.“ Es werde immer schwerer, diese Orte zu finden. „Aber das reizt mich.“

Verfall als Programm

Einst majestätische Maschinen, verloren in der Landschaft. Und doch nicht ganz verloren: Eckell konserviert ihre Geschichte in seinen Fotos, er fördert ihren „Restwert“ zu Tage. Das ist Name und Leitfaden seiner Fotografie, auch jenseits der Flugzeuge. „Alles verändert sich, und das ist cool“, kommentiert er. Vergammelnde Olympiastätten von Sarajewo zeigt er ebenso wie Fischerboote auf dem austrocknenden Aralsee oder aufgegebene Hotels.

Verfall als Programm, aber mit all seiner Ästhetik. Und manchmal auch mit Happy End.