Berlin. 400.000 neue Fans seit Montag: Facebooknutzer wollen Anonymous unterstützen, doch eine gefälschte Seite hat ganz andere Interessen.

Das Hackerkollektiv Anonymous ist in aller Munde, nachdem es gerade öffentlich in den Cyber-Krieg gegen den sogenannten IS gezogen ist. Dadurch hat auch eine Facebook-Seite mehr als 400.000 neue Fans bekommen, die sich als Anonymous-Auftritt ausgibt. Die Seite mit inzwischen fast 1,4 Millionen Fans hat mit den Hackern nichts zu tun. Seit Jahren fischt die Seite mit der Adresse facebook.com/Anonymous.Kollektiv Fans unter dem Deckmantel der Netzaktivisten. Präsentiert werden dann Verschwörungstheorien und Hetze gegen Flüchtlinge.

47 Prozent Fans hat die Seite in den vergangenen Tagen zugelegt, nachdem echte Anonymous-Akitvisten der Terrormiliz den Krieg erklärt haben.
47 Prozent Fans hat die Seite in den vergangenen Tagen zugelegt, nachdem echte Anonymous-Akitvisten der Terrormiliz den Krieg erklärt haben. © Screenshot | Facebook

Echte Anonymous-Accounts haben sich schon x-fach von der Seite distanziert, sind aber machtlos. Sie können nichts gegen die Seite ausrichten – und wer auf Facebook nach Anonymous sucht, bekommt die Seite als ersten Treffer angezeigt. Gerade geben sie wieder den Tipp: Freunden sagen, dass die Seite nicht Anonymous ist. Echt ist etwa auch die Facebook-Adresse facebook.com/AnonymousNewsDE.

Ein Erfurter, der von echten Anoymous-Accounts oft als Betreiber der Schwindelseite genannt wird, bestreitet das und geht gegen entsprechende Berichte auch juristisch vor. Wer immer hinter der Seite steckt, versteht es, sich oberflächlichen Besuchern als echtes Anonymous darzustellen. So wurde gerade ein Beitrag über den Kampf des Hackerkollektives gegen den IS gepostet. Viele Likes, Zustimmung und neue Fans sind die Folge.

20.000 Likes: Mit solchen Postings befördert die Seite den Eindruck, sie stecke hinter Aktionen von Anonymous. Das Bild illustriert gut, wie Facebooknutzer mit der Seite umgehen sollten...
20.000 Likes: Mit solchen Postings befördert die Seite den Eindruck, sie stecke hinter Aktionen von Anonymous. Das Bild illustriert gut, wie Facebooknutzer mit der Seite umgehen sollten... © Facebook | Screenshot

Die verlinkte Quelle ist die vom russischen Staat finanzierte Seite RT. Die Seite nutzt solche Quellen oft auch als Beleg für krude Thesen. Deutsche Medien werden dort generell als unglaubwürdig hingestellt. Das macht es auch leicht, Berichte über die Schwindelseite als unwahr darzustellen.

Der erfolgreichste Beitrag der vergangenen Monate begann mit den Worten „Die ganze Welt erkennt die Wahrheit, nur das Deutsche Volk läuft lachend in die Kreissäge!“. 76.000-fach geteilt. Direkt danach kommt ein Posting, in dem behauptet wird, der sogenannte Islamische Staat habe als Flüchtlinge getarnt bereits mehr als 4000 militärisch ausgebildete IS-Terroristen nach Westeuropa geschleust. 54.000-fach geteilt. Damit erreicht die Seite mehr Menschen als Pegida mit identischen Botschaften. Und betont dabei, man sei weder rechts noch links. Die Devise, mit der Stimmung gemacht wird: „Wir hier unten gegen die da oben.“

Über die Seite wird oft behauptet, dass sie gekaufte Fake-Fans hat. Das lässt sich nicht belegen: Der Großteil der Fans kam Anfang der Woche einem Analysetool zufolge aus dem deutschen Sprachraum: 72 Prozent sind aus Deutschland, rund 7 Prozent aus Österreich und 2,8 Prozent aus der Schweiz – ebenso viele wie aus den USA.

Was aber auffällig ist: Kommentare, die Zweifel an der Echtheit säen, werden schnell gelöscht oder verborgen, kritische Kommentarschreiber sehr schnell geblockt. Die Kommentare unter den Beiträgen sind völlig einseitig, Meinungsfreiheit lässt die Seite nicht gelten. Und das ist einer der Grundwerte der echten Anonymous-Bewegung.

Ursprünglich war die Seite angelegt worden, um die nicht immer einheitlichen Ziele von Anonymous zu verbreiten. Dann, so wird erzählt, habe aber einer der Köpfe dahinter die anderen ausgeschlossen und mit der Seite sein Ding gemacht. Die Schwierigkeit des Hackerkollektivs ist auch gerade, dass es keine festen Strukturen hat – und keine Möglichkeiten, seinen Namen zu schützen.