Manzanillo. Auf dem Meer war der Hurrikan „Patricia“ gewaltig. Doch an Land blieben die Schäden gering. Klimaexperten machen sich trotzdem Sorgen.
Enrique Peña Nieto meldet sich direkt aus der Kommandozentrale der nationalen Sicherheitskommission. Im Hintergrund ist zu sehen, wie sich ein Hurrikan gewaltiger Größe auf Mexikos Pazifikküste zubewegt. Der Präsident steht vor riesigen Bildschirmen, auf denen „Patricia“ wie ein rot-gelber Ball Richtung Festland rollt.
Er bereitet seine Bürger auf das Schlimmste vor: „Dieser Hurrikan der Kategorie 5 birgt die Gefahr, der stärkste, gefährlichste und destruktivste zu sein, der je registriert worden ist.“ Ein gewaltiges Evakuierungssystem ist da bereits angelaufen: Über Twitter, Facebook und Co. werden die Bürger dazu aufgerufen, sich vor allem in den Bundesstaaten Jalisco, Colima und Nayarit in Sicherheit zu bringen.
Eine neue Dimension
Rasch füllen sich Notunterkünfte an der Küste im Westen des Landes - bis zu 400 Kilometer pro Stunde erreicht „Patricia“ über dem Meer. Das ist selbst für die sturmerprobte Region eine neue Dimension.
Bürger vernageln Türen und Fenster mit Holzplatten, bevor sie die Häuser verlassen. Noch wissen sie nicht, ob sie danach noch stehen. „Patricia“ erreicht Mexiko schließlich mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 260 Kilometern pro Stunde, Bäume werden entwurzelt. Regen peitscht durch die menschenleeren Straßen der Hafenstadt Manzanillo in Colima, wo der Hurrikan das Land trifft. Im Hafen schlagen meterhohe Wellen ein und überspülen die Kaimauern.
Lange Vorwarnzeit hat geholfen
Aber, und das kommt einigen Mexikanern wie ein Wunder vor: „Patricia“ schwächt sich schnell ab, am Samstag ist es nur noch ein Tropensturm mit 80 km/h. Es gibt keine Toten, keine Verletzten. Zum einen weil der Sturm die Küste in einer wenig bevölkerten Region trifft, zudem gibt es hier Berge, die „Patricia“ bremsen. „Wichtig ist aber auch, dass die Bürger so reagiert haben“, sagt Kommunikationsminister Gerardo Ruiz Esparza. Es gibt zwar Erdrutsche, Überschwemmungen. Die lange Vorwarnzeit, gute Vorbereitung, Evakuierungen und „Patricias“ rasche Drosselung scheinen aber Schlimmeres verhindert zu haben.
Es ist das zweite Mal binnen kurzer Zeit, dass ein Katastrophen-Plan Wirkung zeigt. Am 17. September gab es vor Chile ein gewaltiges Erdbeben der Stärke 8,4 - es starben 13 Menschen, was aber dennoch eine „glimpfliche“ Bilanz bei der Stärke ist. Hier begaben sich die Menschen sofort in Zonen, wo sie ein Tsunami nicht treffen konnte.
Tausende Touristen verließen Hotels
In Mexiko werden sofort 2500 Soldaten und Hunderte Polizisten in die Küstenregion beordert. Experten kümmern sich um die Sicherung der Stromversorgung - Hubschrauber, Lichtmasten und Notstromaggregate werden dorthin gebracht. Im Badeort Puerto Vallarta verlassen Tausende Touristen ihre Hotels. „Wir sind von Gästen zu Flüchtlingen geworden“, sagt Jesús Anguiano Salazar der Zeitung „Milenio“. Per Bus geht es nach Guadalajara im Landesinneren. Gebannt werden die Nachrichten verfolgt. Die Rezeptionistin eines Hotels betont: „Wir haben genug Lebensmittel für die Gäste, die nicht gehen wollen. Die anderen verlassen die Stadt oder gehen in Notunterkünfte.“
Auf dem Papier ist „Patricia“ laut des Hurrikan-Zentrums im US-Staat Florida ein Rekord - von den Schäden zum Glück am Ende nicht. Allerdings gehen die Aufzeichnungen für den östlichen Pazifik nur bis 1988 zurück. Erst seither gibt es die notwendige Satellitentechnik.
2015 könnte das wärmste Jahr werden
Für den Klima-Experten Karsten Smid von Greenpeace ist „Patricia“ ein weiteres klares Indiz - 2015 könnte das wärmste Jahr seit Beginn von Messungen werden. „Dieser Hurrikan ist kein Naturphänomen mehr, sondern ein Monstersturm, den wir mit unserem Ausstoß von Treibhausgasen selbst gezüchtet haben“, sagt er. „Klimawandel und El Niño haben den Hurrikan Patricia zu bisher nie gekannten Dimensionen aufgeheizt.“ Es sei „beschämend“, dass vor dem UN-Klimagipfel in Paris, wo ein Weltklimavertrag für über 190 Staaten abgeschlossen werden soll, wenig vorangehe. „Während die Klimadiplomaten um jedes Komma streiten, trifft es die Menschen mit immer stärkerer Wucht.“
Das stimmt für diesen Fall - auch dank glücklicher Umstände - zwar so nicht, aber für Paris fürchten viele Fachleute ein unverbindliches „Klingelbeutelprinzip“. Jeder Staat sagt, was er zur Verringerung der Treibhausgase bis 2030 tun will. Die 28 EU-Staaten wollen minus 40 Prozent im Vergleich zu 1990, China erst ab dann weniger ausstoßen. Ob so das Ziel zu schaffen ist, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen und die Zunahme der „Monsterstürme“ einzudämmen? Wohl kaum.
Hurrikan „Patricia“ trifft auf Mexiko