Rio de Janeiro. Der 24-Jährige aus Jena sicherte sich im fünften Durchgang den Triumph im Speerwerfen. Der Glückwunsch des Vorgängers kam prompt.

Dieses Happy End schreibt Geschichte: Am letzten Tag der olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe im Estadio Olimpico Joao Havelange gelang Thomas Röhler der ganz große Wurf. Im fünften Versuch schleuderte der Jenaer den Speer auf 90,30 Meter, riss die Arme hoch und ballte die Faust, weil er wusste: Das ist Gold.

44 Jahre nach Klaus Wolfermanns legendärem Triumph in München hat Deutschland wieder einen Speerwurf-Olympiasieger. Das war Röhler sofort bewusst. Zugleich bescherte der 24-Jährige dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) nach Gold (Christoph Harting) und Bronze (Daniel Jasinski) im Diskuswerfen die dritte Medaille in Rio.

„Ich bin heute Morgen mit dem richtigen Gefühl aufgewacht“, strahlte Röhler, nachdem er erst eine Ehrenrunde im Stadion und dann den Interview-Marathon in den Katakomben des Olympiastadions hinter sich gebracht hatte. Mit 87,40 Metern hatte er gleich im ersten Versuch seine Ambitionen unterstrichen, lag damit allerdings knapp hinter Weltmeister Julius Yego, der starke 88,24 Meter vorgelegt hatte. London-Olympiasieger Keshorn Walcott (Trinidad und Tobago) blieb mit 85,38 Metern schon etwas auf Distanz.

Rivale Yego wird im Rollstuhl aus dem Stadion gefahren

Röhler warf eine durchweg starke Serie, doch der Kenianer lag weiter vorn. Aber er konnte sich nicht mehr wehren. Yego war mit dem Fuß umgeknickt und wurde nach dem vierten Versuch spektakulär mit einem Rollstuhl aus dem Stadion gefahren. „Ich habe das gar nicht gleich realisiert“, meinte Röhler, der zu seinem eigenen vierten Wurf zwischen den 5000-Meter-Finalisten anlaufen musste.

Zur Verletzung seines Rivalen sagte er später: „So ist der Sport. Bei mir ist es zur EM passiert, bei ihm nun hier. Er hat mich bis dahin ja ganz schön gefordert mit seinem 88-Meter-Wurf. Aber ich bin dran geblieben und habe selbst kontern können.“

Der vierte Versuch blieb Röhlers einziger Versuch unter der 85-Meter-Marke (84,84). Zu hoch – die zwei Worte konnte man an den Lippen- und Handbewegungen von Heimtrainer Harro Schwuchow auf der Tribüne ablesen. Auch Röhler schüttelte den Kopf: „Ja, der Wurf war extrem hoch.“ Irgendwie hatte er jenen Punkt, den er in der Ferne des Stadionrunds bei seinen Würfen anvisiert, kurzzeitig aus den Augen verloren.

Sechs Zentimeter fehlen auf Bronze

Immer wieder verständigte sich Röhler während des Wettkampfs über Zeichensprache mit Coach Schwuchow. Röhler korrigierte daraufhin seinen Wurf – und wurde schließlich mit 90,30 Metern und dem zweitweitesten olympischen Wurf aller Zeiten belohnt.

„Der Druck hätte nicht größer sein können auf uns drei Jungs, die da draußen standen“, beschrieb Röhler völlig durchgeschwitzt den Wettkampf, den er im Angesicht des schon sicheren Sieges mit einem Lächeln auf den Lippen zu den Klängen des Evergreens „Live is life“ beenden konnte.

Johannes Vetter aus Offenburg, der mit guten 85,32 Metern begonnen hatte, fehlten am Ende fast schon tragische sechs Zentimeter auf Bronze. Der gebürtige Dresdner zeigte sich als fairer Verlierer – und konnte die Tränen dann doch nicht ganz zurückhalten.

Glückwünsche vom Vorgänger

„Klar, ich hätte gern die Bronzemedaille geholt“, sagte er tapfer, „aber voriges Jahr war ich noch Siebter bei der WM, jetzt bin ich Vierter. Das ist doch top.“ Und er schickte ein starkes Kompliment an den Olympiasieger hinterher: „Ich freue mich sehr für Thomas, er hat sich das wirklich verdient. Seine Stabilität beeindruckt mich, an solche Leistungen möchte ich in der Zukunft auch mal herankommen.“

Der so Gelobte wurde derweil gefragt, ob er denn seinen Olympiasieger-Vorgänger Wolfermann kenne. „Ja, ich hab’ ihn schon mal gesehen und aus der Ferne gegrüßt“, sagte Röhler, „er hat mir zugewunken. Aber geredet habe ich nicht mit ihm.“

Auch die Fernsehaufzeichnung vom damaligen olympischen Duell zwischen Klaus Wolfermann und dem Letten Janis Lusis kennt er. „Aber inhaltlich ansehen können wir uns das natürlich nicht“, meinte Röhler mit gespielter Strenge, „das war ja bei denen noch der alte Speer.“ Der flog aufgrund seines anderen Schwerpunktes weiter als es die modernen Wurfgeräte tun. Wolfermann gewann 1972 übrigens mit 90,48 Metern, zwei Zentimeter vor Lusis. Mit seinen 90,30 Metern und dem Speer von heute liegt Röhler längst vor den Legenden von einst.

Nach dem Triumph erhielt Röhler die Glückwünsche seines Vorgängers. Wolfermann hatte in seiner Heimat Penzberg live mitgefiebert. „Es war wunderbar. Endlich wieder ein Olympiasieger! Nach 44 Jahren“, sagte der 70-Jährige: „Ich habe mich enorm gefreut. Ich gratuliere von Herzen. Super, klasse. Er hat es absolut verdient.“

Röhler hofft nach dem Triumph auf einen Schub für seine Disziplin. „Die Aufmerksamkeit für Speerwerfen wird weiter steigen. Ansonsten bin ich selbst gespannt, was sich jetzt ändert“, sagte Röhler und lächelte: „Aber an mir wird sich nichts ändern.“