Malé. Auf der Einheimischeninsel Hanimaadhoo im Norden der Malediven gibt’s nun ein Hotel – bisher hatte das die Regierung verhindert.

Der Boden gibt bei jedem Schritt nach. Es knistert und knackst unter den Schuhsohlen. Aufgeschreckt flattern große, schwarze Vögel davon, Moskitos umsummen uns. Wir müssen uns ducken und verbiegen, um durchs ­Dickicht zu kommen. Da, wo im Morast der Untergrund zu sehen ist, scheint er fast schwarz und matschig und mischt sich mit ­ abge­storbenen Palmenwedeln, heruntergefallenen Kokosnüssen und verzweigten Baumwurzeln. Es sind geschätzte 40 Grad Celsius und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, und nach nur ein paar Schritten im ­wuchernden Urwald hat sich schon ein satter Schweißfilm auf der Haut gebildet. Nur das Rauschen des Ozeans im Hintergrund passt irgendwie nicht zu der Szenerie.

Vermischung von Bevölkerung und Touristen

Aber auf Hanimaadhoo ist eh alles ­anders: Keine runde Miniinsel, kein Fünf-Sterne-Luxus, kein Alkohol. Im vergangenen Jahr hat The Barefoot im Haa Dhaalu Atoll eröffnet. Das etwa 120. Inselresort der Malediven. Das ­wäre an sich nichts Neues für den Staat im Süden Indiens, der aus insgesamt 1196 Eilanden besteht. Nur ging diesmal eine Ferienanlage auf einer der Inseln an den Start, auf der auch Einheimische leben. Eine Sensation! Denn 45 Jahre lang hat das die Regierung der Malediven zu verhindern gewusst. Eine Vermischung der muslimischen Bevölkerung mit den liberalen, Alkohol trinkenden, Bikini tragenden Touristen war hier nicht erwünscht.

Wie hat das Christophe Groh bloß geschafft? Der Schweizer Unternehmer, seit fast zehn Jahren Besitzer des Gangehi Island Resorts, schüttelt den Kopf: „Das war gar nicht so schwer!“ Und holt aus: Der Tourismus kam vor etwa 45 Jahren auf die Malediven. Vor allem auslän­dische Investoren mieteten die kleinen Inseln für ihre ­Hotelanlagen von der Regierung. Waren die Hütten, die sie dort vor allem für Tauchbegeisterte errichteten, am Anfang noch einfach gehalten, so entstanden in den letzten 15 bis 18 Jahren immer mehr der heute für die Malediven typischen Urlaubsresorts im Fünf-Sterne-Bereich.

Touristikbrands mit klang­vollen Namen wie Four Seasons, Soneva und One & Only betrieben die Hotelanlagen, die mit komfortablen Wasserbungalows und Strandvillen, Sterneküche und Luxus-Spas aufwarteten. Dem Paradies wurde nachgeholfen: Das Grün gebändigt, die Palmen umgepflanzt und mit Hibiskus und Frangipani arrangiert. Gegen die Moskitos, Strandflöhe und Kakerlaken wurde mit Chemie gespritzt.

Alkoholausschank ist auf der Insel verboten

Die Malediven gelten als die Top-Urlaubsdestination für die Wohlhabenden dieser Welt. Zwar kann man mit den schicken, hoteleigenen Schnell­booten, die von Einheimischen bewohnten Nachbarinseln besuchen, aber we­nige Touristen nehmen diese Chance wahr. Dann entstanden vor ein paar Jahren als Alternative zu den Luxus­resorts die ersten einfachen, privaten Gästehäuser – zuerst auf der Hauptinsel Malé, später auch auf den mit Maledivern bewohnten Inseln. Vor etwa acht Jahren schwenkte die maledivische Regierung um und erlaubte nun offiziell auch den Bau von Hotels Tür an Tür mit den heimischen Fischern. Nur hat das keine international agierende Hotelkette interessiert. „Warum?“, fragt Christophe Groh rhetorisch, zusammen mit dem Deutsch-Thailänder Anon Songranya, Besitzer des The Barefoot und des mit 600 Angestellten größten Bauunternehmens der Malediven. „Wegen des Alkoholverbots!“, gibt er gleich selbst die Antwort. Der Genuss von Alkohol in einem muslimischen Staat ist natürlich verboten.

Durch die Nähe zu den Resorts, die Wein und Spirituosen ausschenken, könnten die Malediver aber verführt werden. Genau das ist das Problem für Hotels mit einem internationalen Markt. Auch im neuen Resort The Bare­foot wird kein Wein zum Essen gereicht; die Bar an Land offeriert lediglich Softdrinks. Aber Chris­tophe Groh ist gewitzt: Er hat ein altes Schiff restaurieren und zu einer Lounge umbauen lassen, das nun in der Lagune vor The Barefoot vor Anker liegt, mit ein paar Hundert Flaschen Wein und Bier an Bord. Per Boot werden die ­Gäste herübergebracht.

Warum aber hat der studierte Kunsthistoriker die Vier-Sterne-Ökolodge ausgerechnet auf Hani­maadhoo, dieser langgestreckten, im ­äußersten Norden der Malediven gelegenen Insel, etabliert? Zusammen mit seinem Kompagnon baut Groh für die maledivische Regierung Schulen, Kindergärten und Häuser für die Bevölkerung: „Weil der Staat uns nicht bezahlen konnte, bot er uns im Tausch Inseln an – und eben das Stück Land auf Hanimaadhoo.“

Die lokale Bevölkerung profitiert von dem neuen Nachbarn

Seit letztem Jahr ist das Ökoresort The Barefoot in Betrieb: Zehn modern gestaltete Villen mit jeweils vier geräumigen, schlicht eingerichteten Zimmern stehen direkt am weißen Korallenstrand, der sich an eine türkisblaue Lagune schmiegt. Das Restaurant und die Lounge teilen sich eine offene, ­hohe, 75 Meter lange Halle mit stylishem ­Design. Spa und Gym, Boutique und ein Tauchzentrum sind auch vorhanden. Aber das ist noch nicht alles. Strikt nach der selbst gewählten Verpflichtung zum Umwelt- und Naturschutz sorgen ­Solarpanels statt der sonst mit Diesel betriebenen Generatoren für den Energie­bedarf der Anlage. Durch die Toiletten fließt ausschließlich gefiltertes Meer­wasser. Und als Trink- und Duschwasser wird Wasser aus dem Indischen Ozean verwendet, dem zuvor das Salz entzogen wurde.

Die lokale Bevölkerung profitiert von dem neuen touristischen Nachbarn: Christoph Groh hat einen Fischmarkt für sie gebaut, nimmt die frisch ­gefangenen Meeresfrüchte auf die Speisekarte, erweiterte die örtliche Moschee, errichtete sechs neue Klassenzimmer für die Dorfkinder. Und er bietet Jobs als Kellner, Zimmermädchen, Gärtner. Fabio zum Beispiel, der junge Biologe aus Italien, arbeitet für The Barefoot. Er zeigt Gästen den unberührten ­Urwald vor der Haustür und die faszinierende Unterwasserwelt des Meeres. Und zieht mit ihnen durchs angrenzende Dorf.

Die schlichten Häuser, die ­weder ästhetisch noch malerisch-pit­toresk sind, grenzen an staubige, unbefestigte Pisten. Grauer Putz hier und da, aber meist das blanke Mauerwerk, das die heimischen Frauen vor dem Blick Fremder schützen soll. Dort, wo noch Grundstücke frei sind, liegt allerdings auch häufig Plastikabfall im Gebüsch.

Der Inhaber hofft auf Öko-Sterne im Tourismus

Christophe Groh und sein Geschäftspartner haben mit der Ökolodge zwölf Millionen Dollar angelegt. Eine Inves­tition in die Zukunft: „In zehn Jahren wird sicherlich niemand mehr nach den Luxussternen eines Hotels fragen“, prophezeit Groh, „sondern nach den Ökosternen.“ Das natürlich nur, wenn der Inselstaat es schafft, seine innenpolitischen Kämpfe nicht auf den Tourismus überschwappen zu lassen. Immerhin ­leben die meisten Malediver von den Urlaubern, die jedes Jahr in zunehmend größerer Zahl auf die Trauminseln reisen. Im vergangenen Jahr waren es 1.234.248.

Aber: Das Auswärtige Amt empfiehlt, einen Bogen um die Hauptstadt Malé zu machen. ­„Aufgrund der anhaltenden politischen Instabilität“, so heißt es. Allerdings auch ­wegen der rivalisierenden ­Jugendbanden, die vor Messerstechereien nicht zurückschrecken. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, der Drogenkonsum steigt ebenfalls. Und auch der IS, der sogenannte „Islamische Staat“, findet auf den Malediven seine Anhänger. Allein 200 sollen schon nach Syrien und in den Irak gezogen sein. Dunkle Wolken über dem Paradies.

Hanimaadhoo:Die Insel liegt im Norden der Male­diven. Der Zielflughafen Malé ist etwa 330 km entfernt und in ca. 45 Minuten per Inlandsflug erreichbar.

Pauschal: Sieben Übernachtungen im The Barefoot Eco Hotel im DZ inklusive Flüge mit Emirates ab/bis Deutschland nach Malé ab 1055 Euro, www.dertour.de

Auskunft: www.visitmaldives.de, www.thebarefoot.com