Kos. Griechenland gewinnt wieder in der Gunst der Urlauber. Kos überzeugt mit Überschaubarkeit, einsamen Buchten und viel Authentizität.

Die Einheimischen auf der griechischen Urlaubsinsel Kos zucken inzwischen nicht mehr zusammen, wenn wieder die Standardfrage gestellt wird: „Wo sind die Flüchtlinge?“ Ja, einige sind noch da. Einige wenige. Und die leben in den Quartieren außerhalb der Hafenstadt Kos. Und die Boote mit den Flüchtlingen? Nur selten kommt noch eins, bei Nacht gestartet an der türkischen Küste bei Bodrum. An der engsten Stelle sind es nur fünf Kilometer.

Aber die Küstenwache bringt die Gestrandeten gleich wieder zurück. So wie es die oft geschmähte, aber funktionierende Vereinbarung der EU mit der Türkei vorsieht. Der große Ansturm der Flüchtenden ist sowieso vorüber. Und darüber ist niemand mehr erleichtert als alle, die auf Kos vom Tourismus leben. Also die Mehrheit der 45.000 Inselbewohner.

„Touristen sagen wir nicht gerne. Das sind unsere Gäste“

So wie Babis Dimitriadis, in Süddeutschland als Sohn griechischer Gastarbeiter geboren und groß geworden, und als Erwachsener in die Heimat seiner Eltern zurückgekehrt, wo er mit seiner Frau und den drei Kindern lebt. Das Thema Flüchtlinge hakt er schnell ab. Für sie haben die Einheimischen zwar meist eine kurze Bemerkung des Mitleids, aber keine so freundliche Ersatzbezeichnung wie für die Touristen, die Babis am liebsten anders nennt: „Touristen sagen wir nicht gerne. Das sind unsere Gäste.“

Schließlich sei Gastfreundschaft die bis weit in die Antike reichende Tradition seiner griechischen Heimat, sagt er mit Verweis auf die glorreiche Vergangenheit, in der auch der berühmteste Sohn der Insel lebte, dem sich selbst nach knapp 2500 Jahren die Ärzte unserer Zeit noch moralisch verpflichtet fühlen: Hippokrates. Der Mediziner, der zu Lebzeiten einen beachtlichen Medizintourismus Richtung Kos ausgelöst hat und dessen grundlegende Ethikregeln im „Eid des Hippokrates“ heute noch Gültigkeit besitzen.

Es ist nie zu heiß oder zu voll, die Hotels liegen verstreut an den Stränden

Wer Jahrhunderte vor der Zeitenwende den „Vater der Heilkunde“ auf Kos ­besuchte, hatte mit Sicherheit eine ­beschwerlichere Reise hinter sich als die Urlauber, die heute auf dem übersichtlichen Flugplatz von Kos im Inselinnern landen, übrigens einer der wenigen Landeplätze, die über keinen parallel zur Start- und Landebahn verlaufenden Rollweg verfügen, sodass die Flugzeuge auf der Startbahn zum Endpunkt rollen und dort eine 180-Grad-Kehre machen müssen.

Mit dem Mountainbike erreicht man auch auf Kos einsame Buchten.
Mit dem Mountainbike erreicht man auch auf Kos einsame Buchten. © Christoph Rind | Christoph Rind

Kos ist eben kompakt und übersichtlich. „Das ist ein großer Vorteil“, sagt der in Deutschland groß gewordene Babis: „Hier ist es nie zu heiß.“ Dafür sorgen die vom Ägäischen Meer erfrischten Winde. Vorteil Nummer zwei: „Hier ist es nie zu voll.“ Dafür liegen die Hotels zu verstreut an den 100 Kilometer langen Stränden, und die Zahl der Touristen, pardon der Gäste, ist zu ­gering im Vergleich zu den Massen, die Rhodos oder Kreta, die größeren Schwesterinseln, aufsuchen. Vorteil Nummer drei: „Hier ist es sicher.“ ­

Melina Holzer, seit 1989 auf Kos ­lebende Österreicherin, bestätigt das mit einem persönlichen Bekenntnis: „Wir schließen bei uns zu Hause nie ab.“ Die Zusatzbemerkung „unsere Hotels müssen nicht von Bewachern mit Maschinenpistolen gesichert werden“ ist eine wenig getarnte Spitze gegen die türkische Konkurrenz. Die ist aber überflüssig. Zu sehr leiden die ehemals ­boomenden Urlaubszentren der benachbarten Türkei unter dem Aus­bleiben der Urlauber, die kaum Lust verspüren, das von einem mit allen Mitteln der Macht ausgestatteten Präsidenten beherrschte Land anzusteuern, der nimmermüde wird, Hasstiraden gegen Europa, gegen Deutschland und den Westen abzufeuern.

Die Stammgäste von früher sind zurückgekehrt

Die Abneigung gegen türkische ­Reiseziele ist sogar auf Kos spürbar. ­Tagesausflüge von der Inselhauptstadt in die Bucht gegenüber nach Bodrum, ins noble „St. Tropez der Türkei“, „werden derzeit überhaupt nicht nachgefragt“, sagt Denise Burkart, die auf der Insel deutschsprachige Gäste betreut.

Dafür boomt auf Kos der Tourismus. 40 Prozent plus zum Vorjahr verzeichnet die Branche. Zwei Jahre nach der Delle, ausgelöst von Berichten über immer mehr Flüchtlinge, die das ­Straßenbild in Kos-Stadt prägten. Die Stammgäste sind wieder da und freuen sich auf unbeschwerte Sonnentage, auf eine Angeltour mit Fischer Yannis vom beschaulichen Hafen in Kefalos, auf ein ideales Wassersportrevier, auf kilo­meterlange Strandspaziergänge in der Bucht des beschaulichen Hafenortes Mastichari.

An der Mole dort kann man sich auch spontan für einen Ausflug nach Kalymnos, der Insel nebenan, entscheiden. Die Fähre fährt einen für sechs Euro in einer knappen Stunde rüber. Und wer ein Rad mitnimmt, schafft es auch bis zur Ostküste und wird im Tal der 10.000 Mandarinenbäumchen mit einem verführerischen Duft bezirzt. Anderthalb Stunden dauert die Überfahrt nach Nisyros mit dem malerischen Hafenstädtchen Mandraki, dem nicht erloschenen Vulkankrater und dem Kloster der Heiligen Maria, das über 185 Stufen zu erreichen ist.

Urige Kaffeehäuser sind das Herz eines jeden Dorfes

Mit dem Mountainbike erreicht man auch auf Kos einsame Buchten, in denen man keine Menschenseele trifft und wo die in den Souvenirläden angebotenen Bimssteine in jeder Größe am Strand herumliegen. Geführte Rad­touren mit einem Guide haben den Vorteil, dass der Schotterpisten und Feldwege querfeldein kennt, die auf keiner Karte verzeichnet sind. Verwundert stellen dann die Urlauber fest, dass nur zehn Minuten vom Strandhotel entfernt malerische Schluchten und verschlungene Pfade durch Olivenhaine und ­vorbei an Wiesen und Weizenfeldern ­locken.

Steve Müller (41), der seit neun Jahren Radfahrer auf Kos begleitet, schwärmt jeden Sommer aufs Neue: „Ich entdecke immer noch neue Touren.“ Und wo es den besten eisgekühlten Espresso gibt, weiß er natürlich auch. Schließlich sind urige Kafenions, die traditionellen Kaffeehäuser, das Herz eines griechischen Dorfes. ­Nirgendwo ist es ursprünglicher. Zum Beispiel im Bergdorf Palio Pyli, wo nur noch Ruinen von einer Besiedlung zeugen. Die letzten Bewohner haben den Ort nach einer Choleraepidemie im 19. Jahrhundert verlassen. Jetzt soll er mit EU-Geld wiederbelebt werden. Das ­erste intakte Gebäude für die Öffentlichkeit ist – ein Kaffeehaus.

Neben dem traditionellen griechischen Mokka gibt es hier auch selbst gemachte Säfte, ­kandierte Früchte und die traditionellen Leckereien auf kleinen Tellern, die mehr sind als bloß Vorspeisen und die wegen der Frische der aus der Region stammenden Oliven, Tomaten, Paprika und Gurken so viel aromatischer schmecken als beim besten Griechen in Deutschland.

Im Tal der Pfauen mühen sich auch Schildkröten ab

Wo sonst gibt es süß eingelegte, ent­häutete Minitomaten, eingebettet in sahnigen, griechischen Joghurt, ver­feinert mit frischem Basilikum und ­gehackten Pistazien? Ein simples ­Rezept, auf das der Chefkoch des ­Neptune Hotels, Vangelis Galenos, trotzdem stolz ist. Denn die Kräuter wachsen im Beet des eigenen Küchengartens, ­Gemüse und Nüsse kauft er frisch bei lokalen Kleinerzeugern. Gästen bietet er einen „Kurs zum nachhaltigen ­Kochen“ an, garniert mit einem Zitat von Hippokrates, dem Vater der west­lichen Medizin: „Lass die Nahrung ­deine Medizin sein.“ Klingt doch zeit­gemäß.

Da ist die Versuchung groß, während der zehn bis zwölf Tage, die Urlauber im Durchschnitt auf Kos verbringen, das Hotelgelände nicht zu verlassen. Doch die Insel ist auch abseits der bekannten Sehenswürdigkeiten Ausflüge wert. Zum Beispiel in das einsame Pinienwäldchen Plaka, ins Tal der Pfauen, die hier wild leben, vom Hahn bis zum Küken.

Ein klappriger Holzsteg führt über einen Bach, an dessen glitschigem Ufer mit ein wenig Glück Schildkröten zu beobachten sind, die sich abmühen, die Böschung zu erklimmen. Ein Teil der alten Schotterstraße, die ins Tal der Pfauen führt, wurde gerade asphaltiert. Bleibt dennoch zu hoffen, dass die Besucher lieber mit dem Fahrrad oder zu Fuß hierherkommen, um die zutraulichen Vögel nicht zu vertreiben.

• Tipps & Informationen

Anreise: Mit Niki in drei Stunden ab Berlin-Tegel direkt nach Kos ab etwa 320 Euro, mit Aegan Airlines via Athen in fünf Stunden (plus Umsteigezeit) ab 250 Euro. Von Hamburg geht es nonstop mit Condor, Niki oder Tuifly nach Kos. Ab Piräus fährt eine Fähre nach Kos, eine Überfahrt kostet pro Strecke im Sommer ab etwa 260 Euro pro Auto und zwei Passagiere (www.goferry.de)

Unterkunft: Z. B. Jonathan Studio Apartments in Tigaki (ab etwa 500 Euro für zwei Personen, über booking.com), Boutiquehotel Aqua Blu (pro Nacht mit Frühstück ab ca. 300 Euro, www.aquablu.gr/de/).

Pauschalangebot: Z. B.Neptune Hotels Resort in Mastichari, großzügige Anlage mit zweigeschossigen Gebäuden, ideal für Familien, eine Woche mit Flug und Halbpension, ab ca. 1300 Euro (Schauinsland); eine Woche im Tui Sensimar Palazzo del Mare, Halbpension, pro Person im Doppelzimmer mit Flug ab Berlin, z. B. Ende Juli ab ca. 14oo Euro pro Person (Tui).

Info: www.visitgreece.gr

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Neptune Hotels und Schauinsland Reisen.)