Denpasar. Wer mit der „Star Clipper“ fährt, muss sich auch auf nasse Füße einstellen. Denn von Bord geht es bei Landgängen meist im Beiboot.

Die Wasserwaagen-App auf dem Smartphone zeigt an, was ohnehin alle spüren. Zwar gehen noch keine Gläser zu Bruch oder Mägen in Rebellion, aber die Bewegungen sind stärker als in den vergangenen Tagen. Bis zu sieben Grad je Seite neigt sich die „Star Clipper“ in der Straße von Lombok, rollt dabei bedächtig nach Backbord, dann nach Steuerbord und wieder zurück. So geht es über Stunden, moderat noch beim Abendessen, etwas intensiver dann während der Nacht, in der die Wellen glucksend an die Bordwand schwappen.

Der sommerwarme Wind bläst zwar nur in mittleren Stärken, doch die langen Wellen, die sich ihren Weg aus den Weiten des Indischen Ozeans in die etwas geschütztere Javasee suchen, halten uns in stetigem Auf und Ab – was die hauptamtlichen Landratten an Bord mal wieder daran erinnert, wo sie gerade ihren Urlaub verbringen.

„Star Clipper“ gehört mit 115,5 Metern zu den Segelriesen

Mancher, der in seiner Kabine keine Ruhe findet, hat sich auf eine der Liegen an Deck gelegt, döst dort oder beobachtet, wie sich im Mondschein die Segel blähen. Auf der Brücke, die für jedermann und fast immer zugänglich ist, hat die Crew derweil alles im Griff, reine Routine heute und auch kein Sturm oder Tropenregen in Sicht.

Obwohl die „Star Clipper“ mit ihren 115,5 Metern zu den Segelriesen gehört, ist sie doch im Meer der Kreuzfahrtbranche ein ziemlich kleiner Fisch. Hier geht es nicht darum, mit Tausenden Passagieren die altbekannten Anleger zu fluten und an Bord Shows wie in Las Vegas zu bieten, sondern mit maximal 170 Gästen (bei uns 114) und knapp 80 Mann Besatzung möglichst solche Gewässer zu durchstreifen, um die andere mangels tauglicher Logistik an Land einen Bogen machen müssen.

Zum Programm gehören auch Baden, Tauchen und Knotenkunde

So ist es auch bei dieser Premierenreise, die auf Bali begann und ebendort endet. Bis auf den Start-/Zielhafen wird jede Station mit dem Tenderboot angelaufen, während das Mutterschiff fotogen vor der Küste ankert. Doch nicht nur der weiße Viermaster wird zum oft abgelichteten Motiv, sondern mitunter auch jene, die damit unterwegs sind. Denn dass sich ein internationales Kreuzfahrtschiff dorthin verirrt, ist auf Inseln wie Madura oder Gili Genteng schon eine kleine Sensation.

Und eine Herausforderung – nicht nur für den erfahrenen Kapitän Brunon Borowka, der stets den richtigen Kompromiss aus Segel­erlebnis und Komfort an Bord finden sowie manchmal zwischen Fischernetzen hindurch navigieren muss, sondern genauso für Kreuzfahrtdirektor Peter Kissner, der den Gästen in der Tropical Bar oder in der Library die Optionen für das Tagesprogramm offeriert. Das kann dann, je nach Reisetag, ein Abstecher zum Badestrand sein, ein Schnupperkurs im Tauchen, Knotenkunde und Mastenklettern an Bord oder eine halb- bis ganztägige Exkursion. Da die Landausflüge mit lokalen Partnern durchgeführt werden, sind Überraschungen dabei natürlich möglich.

Plastikmüll wird zum Problem

Ist als Dresscode Badelatsche empfohlen, steuert das Beiboot zur „nassen Landung“ direkt an den Strand. „Bei der ersten Fahrt auf der Ostroute“, sagt Kissner und zieht die Augenbrauen hoch, „wollten wir unsere Gäste so auf einer kleinen Insel anlanden, doch die Indonesier forderten plötzlich, dass alle zuerst zu einem entfernten Anleger mit rotem Teppich gebracht und dort als Gruppe fotografiert werden. Erst nach einigem Hin und Her hat es dann gereicht, vier Leute als Abordnung dorthin zu schicken, die anderen konnten direkt Schwimmen und Schnorcheln gehen.“

Was Peter, den an Bord alle nur beim Vornamen nennen, nicht schönzureden versucht, ist das Verhältnis vieler Einheimischer zum Plastikmüll, einer wahren Pest der Zivilisation. „Früher haben die Leute Bananenblätter und solche Sachen weggeworfen, die sind dann zügig vergammelt. Heute schmeißen sie Tüten und Plastikflaschen weg, die man dann an vielen Stellen wiederfindet. Deshalb lassen wir kleinere Strände säubern, bevor unsere Gäste kommen.“

Große Unterschiede auf Bali, Lombok und Java

Wer die indonesischen Inseln erstmals erlebt, wird überrascht sein, wie unterschiedlich sich diese präsentieren – was auch mit Religion zu tun hat. Bali, das etwa 1,5-mal so groß ist wie Mallorca, zählt rund 4,2 Millionen Einwohner. Über 92 Prozent davon bekennen sich zum Hinduismus, nur 5,6 Prozent zum Islam. Im restlichen Land dominieren hingegen die Moslems, wobei jene auf Lombok meist dem Volk der Sasak angehören und gegenüber vielen Bewohnern Javas und Sumatras als gemäßigter gelten.

Während auf Bali ein freizügiger ­Tourismus ähnlich dem in Thailand vorherrscht, muss sich niemand wundern, wenn er woanders plötzlich realisiert, dass er in Zeiten des Ramadan Urlaub macht. Das heißt dann: Der Muezzin ruft noch etwas häufiger, und kaum ein Straßenrestaurant hat tagsüber geöffnet. Dass auf Gili Genteng ein Holzschild am Strand aufs muslimische Bikini-Verbot hinweist, überrascht dabei weniger als der Hinweis von offizieller Seite, dieses gelte ja nicht für uns als Kreuzfahrtgäste anderer Konfessionen.

Auf Pferden geht es zu einem Vulkan

Wahrlich kein Ort zum Baden, aber auch keiner zum Flanieren, ist die nächste Station: Probolinggo. Die Stadt in Ost-Java, bedeutend vor allem als Zentrum der Fischindustrie, wirkt nicht sehr einladend, im Hafenkanal rosten alte Schiffe vor sich hin, auch die meisten Holzboote der Fischer sehen nicht gerade taufrisch aus. „Hier kommt man um den Ausflug eigentlich kaum herum, wenn man an Land etwas erleben will“, hatte Peter schon am ersten Abend erklärt. Entsprechend gut gebucht ist die immerhin 164 Euro teure Tour zum Mount Bromo, einer der aktivsten Vulkane der Region. Per Bus geht es bis auf 1000 Meter Höhe, dann steigen wir in Vierergruppen um in rote, grüne und blaue Toyota Land Cruiser. Unserer wird von einem Charles-Bronson-Double um die Schlaglöcher herumgezirkelt und besitzt gefühlt überhaupt keine Federung.

Die bunte Kolonne der Allradwagen stoppt schließlich auf einer weiten, schwarzgrauen Ebene, wo wir auf Pferde klettern, die uns zu einer Treppe tragen. Nach knapp zwei Stunden Anfahrt und nun noch einmal 253 Stufen sind wir am Rand des Kraters angekommen und hören sein Brodeln und Zischen. Der Legende nach stand hier vor mehr als 500 Jahren ein Fürstenpaar, das kinderlos blieb und die Götter um Hilfe ersuchte. Diese versprachen zu helfen, aber nur unter einer schmerzhaften Bedingung: Das jüngste Kind solle geopfert werden. Viele Jahre und 25 Sprösslinge später spuckte der Vulkan bedrohlich Feuer und Schwefel, sodass die Eltern nach langem Zögern tatsächlich ihren Jüngsten in den Krater warfen. Noch heute wird einmal pro Jahr geopfert, aber nur Tiere, Obst und Reis.

Ist Lombok das bessere Bali?

Kleine Opfer finanzieller Art bringen sollte, wer auf Bali mehr sehen will als den aschgrauen Strand von Lovina. Man kann sich dort zwar den Nachmittag mit Kaltgetränken und freiem WLAN vertreiben, verpasst dann aber die einzige Chance, im Rahmen der Kreuzfahrt etwas von der berühmten Insel zu entdecken. Vier Ausflüge sind über Peter und sein Team buchbar (man trägt sich dafür einfach in eine Liste ein, die in der Bibliothek ausliegt), der Ulun-Danu-Bratan-Tempel, eines der Wahrzeichen Balis, lässt sich aber auch per Taxi oder privatem Führer besuchen. Das kostet dann allerdings mindestens eine sechsstellige Summe – was am unglaublichen Wechselkurs der indonesischen Rupiah liegt. Wer nur 70 Euro tauscht, ist hier bereits Millionär.

Ist Lombok das bessere Bali? Das zu sagen wäre angesichts der kulturellen und landschaftlichen Vielfalt Balis wohl übertrieben, doch auf jeden Fall zählt der nächste Tag zu den abwechslungsreichsten unserer Reise. Und da das Schiff am frühen Morgen nur jene Gäste nach Carik tendern lässt, die einen Lombok-Ausflug gebucht haben, und erst am frühen Nachmittag vor dem Senggigi Beach ankert, bleibt die gebuchte Tour für entdeckungslustige Neulinge ohne große Alternative.

Rund 60 Prozent der Passagiere sind als Wiederholer an Bord

Sie beginnt mit der Fahrt durch eine fruchtbare, gepflegte Kulturlandschaft sowie dem Besuch der alten Wetu-Telu-Moschee von Bayan, gebaut im 16. Jahrhundert wie eine etwas bessere Bambushütte und seitdem alle paar Jahre wieder repariert. Etwas später zeigen uns dann Frauen eines Dorfes, wie die Sasak traditionell lebten und es teilweise auch heute noch tun. Zu Fuß geht es dann weiter zu einem tosenden Wasserfall und über einen Wanderpfad mit Blick auf Dschungel und Reisterrassen wieder in Richtung Moderne. Wer unterwegs Affen sehen will, muss nicht lange suchen, die frechen Makaken sind in den Wäldern allgegenwärtig.

Was jetzt noch fehlt, bringt der letzte Cruise-Tag: Auf einen entspannten Bade- und Schnorchelstopp am hellen Strand von Gili Sudak folgt der Foto-Tender, den jede Segelreise der „Star Clipper“ bieten soll. Wenn die Winde es zulassen, wird dabei volles Tuch gesetzt, das Tenderboot umkreist das Schiff bei der langsamen Fahrt in den Sonnenuntergang. Die Bilder, die dabei entstehen, verewigen sich nicht nur auf Speicherkarten der Digitalkameras, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Passagiere.

Spätestens jetzt dürften sich viele der Mitreisenden überlegen, eines Tages als „Repeater“ erneut an Bord eines der großen Segelschiffe zu kommen, um diese romantische und zugleich sehr legere Nische der Kreuzfahrt zu erleben. Im Schnitt sind 60 Prozent an Bord Wiederholer, die das Tendern genauso lieben wie das Segeln.

Tipps & Informationen

Die „Star Clipper“ ist eines von insgesamt drei Segelschiffen der Reederei Star Clippers. Ein viertes Schiff ist derzeit im Bau und soll 2018 in Dienst gestellt werden. Weitere Anbieter von Segelkreuzfahrten sind u. a. Sea Cloud und Ponant.

Ab Bali segelt die „Star Clipper“ auf zwei Routen, der im Text beschriebenen West-Route (ab 1610 Euro zzgl. Flug) sowie auf einer Ost-Route inklusive Komodo.

Buchbar ist diese Reise unter www.star-clippers.de, Tel. 00 800/78 27 25 47.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch die Reederei Star Clippers und den Veranstalter Star Clippers Kreuzfahrten.)