Buenos Aires. Die legendäre Straße Ruta 40 in Argentinien ist 5000 Kilometer lang. Ein Roadtrip durch unterschiedliche Landstriche und Ortschaften.

Schnurgerade zieht sich das spiegelblanke Asphaltband mit dem gelben Mittelstreifen durch die leere Halbwüste in der Weite des argentinischen Westens. Am Horizont recken sich spitze, schneebedeckte Andengipfel in den sattblauen Himmel. Am Straßenrand tummeln sich Schafe. Ein einsamer Esel döst mitten auf der Fahrbahn. Nur selten kommt uns ein Wagen entgegen. Fast 5000 Kilometer erstreckt sich die Ruta 40 vom staubigen Hochland im Nordwesten bis an die Atlantikküste an der Südspitze Patagoniens.

Die Straße ist 1000 Kilometer länger als die Route 66 in den USA. Geplant und abgesteckt wurde die „Cuarenta“ schon 1935. Ausgangspunkt und Kilometer null war die Weinstadt Mendoza, erst vor zehn Jahren wurde der Nullpunkt hinunter in den patagonischen Süden verlegt.

Noch nicht sehr lange ist es her, dass Reisende auf der Ruta 40 vor allem mit Schotter, Sand und Geröll zu kämpfen hatten. Regen konnte schnell zum Problem werden, Reiseführer rieten zum Allradfahrzeug. Inzwischen habe sich einiges getan, hören wir in der Hauptstadt.

Argentiniens längste Eisenbahnfahrt

Buenos Aires am La Plata empfängt uns mit strahlendblauem Himmel und frühlingshaften 27 Grad. Beim Blick aus dem großen Fenster in der 14. Etage des modernen 5-Sterne-Hotels Alvear Art liegt uns das Häusermeer zu Füßen: der Obelisk, das Teatro Colon, der Palacio Barolo. Präsident Macri lädt zum „Tag der offenen Tür“ in die Casa Rosada, den Präsidentenpalast.

Doch wir müssen zum Bahnhof Retiro, zum Zug nach Tucumán. Freuen uns auf Argentiniens längste Eisenbahnfahrt, 1200 Kilometer. Der Hauptbahnhof von Buenos Aires hat bessere Zeiten gesehen. Doch der Zug mit den neuen weiß-blauen Pullmanwagen aus chinesischer Produktion setzt sich pünktlich in Bewegung, langsam schiebt er sich durch die Vororte von Buenos Aires.

Im Rhythmus der Schiene dem Sonnenuntergang entgegen

Aus dem Zugfenster sieht man weite Landschaften.
Aus dem Zugfenster sieht man weite Landschaften. © Getty Images/imageBROKER RF | Christian Heinrich

Eine Dame mit großer Sonnenbrille sitzt am Zugfenster und trinkt ihren Matetee. Am Nachmittag fahren wir durch weite, offene Landschaften mit viel Grün. Wacklige Telegrafenmasten tragen Vogelnester, riesige Weizenfelder wechseln mit Rinderherden. Glückliches Argentinien! Dann der Kontrast, das Elend in der Großstadt Rosario: Wellblechhütten, Bretterbuden, Schmutz, rostige Autowracks. Im Rhythmus der Schienenstöße rollen wir dem Sonnenuntergang entgegen.

Das geschäftige San Miguel de Tucumán mit seiner renommierten Universität ist die größte Stadt im Nordwesten. Hier erklärten am 9. Juli 1816 die Vertreter der Provinzen die Unabhängigkeit von Spanien. Ein abendlicher Stadtbummel, am nächsten Tag nehmen wir den Bus nach Salta.

Über die Ruta 51 in die Berge

Ausgedehnte Parks und historische Bauten aus der Kolonialzeit haben ihr den Beinamen „La Linda“, die Schöne, eingetragen. Am Morgen starten wir mit unserem Ford Ecosport in die Berge. Die Ruta 51 führt durch die Schlucht Que­brada del Toro hinauf nach San Antonio de los Cobres. Rechts der Straße ziehen sich Eisenbahngleise entlang.

Sie gehören zur berühmten, fast 800 Kilometer langen Bahnstrecke über die Anden, die das argentinische Salta mit dem chilenischen Hafen Antofagasta am Pazifik verbindet. Leider ist auch diese Strecke dem Niedergang des einst so stolzen argentinischen Eisenbahnnetzes zum Opfer gefallen.

Das anfangs helle Auto hat Farbe bekommen

Bis 1981 verkehrte einmal pro Woche ein Personenzug zwischen Salta und Antofagasta, danach bis 1993 ein wöchentlicher Güterzug, der gelegentlich Reisende mitgenommen haben soll ... Übrig geblieben ist der blaue Touristenzug „Tren a las nubes“, der „Zug in die Wolken“. Zur Sicherheit der Passagiere gibt es Sauerstoffgeräte und eine Krankenstation an Bord.

Mitten durch das staubige San Antonio de los Cobres führt die Ruta 40. Wir folgen der Schotterpiste nach Norden und bewundern den Salzsee Salinas Grande. Unser heller Ford hat schon Farbe bekommen. Am nächsten Tag geht es los Richtung Süden.

Neben der Serpentinenpiste gähnt der Abgrund – ohne Leitplanken

Die sandige und steinige Ruta 40 führt uns hinauf in eine wilde Berglandschaft. Immer höher klettern wir die Serpentinenstraße hinauf, immer großartiger werden die Ausblicke. Dann stehen wir in der dünnen kalten Luft auf dem 4995 Meter hohen Pass Abra del Acay – der höchste Punkt dieser Reise.

Die steile Abfahrt bietet Nervenkitzel. Links neben der engen Serpentinenpiste gähnt der Abgrund – ohne Leitplanken! Langsam schlängeln wir uns hinunter ins Tal. Dort wartet die nächste Herausforderung: Flussdurchfahrten. Mehrmals jagen wir den schlammbespritzten Ford durch das Wasser des Rio Blanco, der hier die Straße kreuzt. Zwar hat der Wagen reichlich Bodenfreiheit, doch ein Reifen nimmt uns die Zumutung übel: eine Reifenpanne.

Ein Weinstädtchen wie aus dem Bilderbuch

Entschädigt werden wir durch eine grandiose Landschaft mit hoch aufgeschossenen Kakteen und den von der Sonne beschienenen Gipfeln der Sierra de los Pastos Grandes, überragt vom 6380 Meter hohen Nevado de Cachi. Die Schotterpiste wird zur Asphaltstraße, und am Nachmittag erreichen wir den kleinen Touristenort Cachi mit hübscher Plaza.

Die Ruta 40
Die Ruta 40 © Frank Schüttig | Frank Schüttig

Cafayate ist ein Weinstädtchen wie aus dem Bilderbuch, mit schattiger, blumengeschmückter Plaza, fünfschiffiger Kirche im Kolonialstil, Restaurants, Hotels und einem Kunsthandwerksmarkt. Der Ort ist umgeben von Weinbergen, hier wächst der kräf­tige, trockene und fruchtige Torrontés-Wein. Mehrere große Bodegas keltern zusammen rund 60 Millionen Liter Wein im Jahr.

Die Finca Quara liegt südlich von Cafa­yate direkt an der Ruta 40, am Kilometer 4340. Das Grundstück ist gesäumt von einer Steinmauer mit großem Eingangstor. Wir sind angemeldet und dürfen passieren. Das Haupthaus im italienischen Stil umfasst Büros, Abfüllhalle, Verkaufsräume und Lager. An der Gartenseite ist es von säulengetragenen Arkaden umgeben.

Oliven- und Eukalyptusbäume, dahinter Weinreben so weit das Auge reicht

Bequeme Sessel laden Gäste ein, sich zu entspannen und die Gemälde an der Wand zu betrachten. Ventilatoren drehen sich an der Decke. Die großzügigen Gästezimmer haben einen Kamin, antike Betten, große Wandschränke und ein komfortables Bad. Im weitläufigen Garten genießen wir den Pflanzenduft und einen angenehmen Windhauch in der Mittagshitze.

Mitten auf dem Rasen, nicht weit vom Pool, steht ein begrünter Pavillon mit einladenden Schaukelstühlen. Der Blick fällt auf Pappeln, Oliven- und Eukalyptusbäume, Palmen, Kakteen und weiße Rosen. Dahinter Weinreben so weit das Auge reicht. 340 Hektar Anbaufläche. Dieses Paradies gehört Francisco Lavaque, einem hochgewachsenen, schlanken Mittdreißiger, der die Finca Quara von seinem Vater Rodolfo geerbt hat.

Das sonnige, trockene Klima sorgt für hervorragenden Wein

Die Vorfahren stammten aus dem Libanon. „Nennt mich Pancho, so heiße ich hier“, sagt er lächelnd und lädt uns und wei­tere Gäste für den Abend zum Asado und einigen Flaschen Malbec und Cabernet ein.

Pancho ist in Kalifornien zur Schule gegangen und spricht fließend Englisch. „Unser Wein wächst auf einer Höhe von 1600 bis 2000 Meter“, verrät er. „Das trockene, sonnige Klima bringt den Trauben ihre hervorragende Qualität.“ Die Ruta 40 zieht sich weiter Richtung Süden, ab Belén ist sie gut ausgebaut. Auch das Stück zwischen Nonogasta und Villa Union, das auf unserer Karte von 2014 als Schotterpiste verzeichnet ist, windet sich als nagelneue Asphaltbahn durch die Berge.

1997 wurde hier der Film „Sieben Jahre in Tibet“ gedreht

An der Grenze zur Provinz Mendoza erwartet uns – wie in Argentinien üblich – eine Polizeikontrolle. Zwei freundliche Polizistinnen lassen sich die Papiere zeigen und winken uns weiter. Auch Mendoza macht einen entspannten Eindruck, eine angenehm grüne Stadt mit schattigen Bäumen und einem ausgedehnten Park. Die Straße nach Uspallata führt steil hinauf in die Berge, wo sie zur serpentinenreichen Geröllpiste wird und wir den mehr als 3000 Meter hohen Pass Cruz de Paramillo überqueren müssen.

Im Frühstücksraum unseres Hotels Los Cóndores an der Hauptstraße von Uspallata hängen alte Fotos von Brad Pitt. 1997 wurde hier in den Bergen der Film „Sieben Jahre in Tibet“ gedreht, in dem er den jungen Heinrich Harrer spielte. Wir nehmen die gut ausgebaute Ruta 7 Richtung Chile. Neben der Straße zieht sich ein Schmalspurgleis entlang. Hier verkehrte der Transandino, die Transandenbahn von Mendoza ins chilenische Los Andes, 70 Kilometer nördlich von Santiago.

Einige Kilometer vor der Grenze nach Chile geht es rechts in den Parque Provincial Aconcagua. Nach einer halbstündigen Wanderung liegt er in seiner schneebedeckten Pracht am strahlendblauen Himmel vor uns: der Aconcagua, mit 6962 Metern der höchste Berg (ganz) Amerikas. Ein Anblick, der unvergesslich bleiben wird – auch wenn wir den Gipfel heute nicht erklimmen.

Erst eine Asphaltstraße, dann wieder Geröll und rote Erde

Südlich von Mendoza wird die Ruta 40 zur Autobahn. Hinter der Kleinstadt Pareditas ist sie auf unserer Karte als Schotterpiste verzeichnet, präsentiert sich aber überraschend als frisch asphaltiert. Doch bei Kilometer 3133 ist urplötzlich Schluss mit der Herrlichkeit. Wir müssen zurück und einen Umweg auf der RN 143 nach San Rafael nehmen. Erst am nächsten Tag stoßen wir bei El Sosneado an einer Tankstelle wieder auf die 40.

Bald zweigt rechts eine Straße nach Las Lenas ab – Südamerikas größtes Skigebiet am 4539 Meter hohen Cerro Paraguay. Wir fahren geradeaus und finden ein Hotel in Malargüe, einem Touristenstädtchen mit vielen Geschäften an der langgezogenen Hauptstraße. Tags darauf endet wieder die schöne Asphaltstraße. Eine Stunde Geröll und rote Erde im Tal des Rio Grande sind zu überwinden, hier wird die neue Ruta 40 gerade gebaut. Ein Gaucho treibt mittendrin ein paar Kühe vor sich her. Erst hinter den Bergen in Ranquil empfängt uns wieder der Asphalt. In der Mittagshitze erreichen wir Chos Malal. Siesta!

In San Martin de los Andes beginnt die „argentinische Schweiz“

Zapala ist ein zugiger Halbwüstenort mit breiten, leeren Straßen, durch die ein ewiger Sandsturm fegt. Kein Wunder, wir sind in Patagonien! Der riesige Bahnhof ist verödet. Hier endet die Eisenbahnstrecke von Bahia Blanca am Atlantik über Neuquén, die einst nach Chile weitergeführt werden sollte.

San Martin de los Andes. Jetzt beginnt das Seengebiet, die „argentinische Schweiz“. Die Ruta 40 zieht sich oberhalb des Lacar-Sees entlang. Hier wird sie zur Ruta de los Siete Lagos, Sieben-Seen-Straße. Im klaren Wasser der Seen spiegeln sich die schneebedeckten Berge. An einem der Seen steht verloren ein Wohnmobil. Holländer. Noch haben sie diese Idylle hier ganz für sich allein.

Einkehren im schönsten Hotel Südamerikas

Der von Bergen umgebene Lago Nahuel Huapi (in der Sprache der Mapuche „Tigerinsel“) ist 557 Quadratkilometer groß – etwas größer als der Bodensee. Er zieht sich bis nach San Carlos de Bariloche, auch „das argentinische Berchtesgaden“ genannt. Eine halbe Autostunde westlich von Bariloche, dort wo die Seenlandschaft der „argentinischen Schweiz“ am atemberaubendsten ist, erhebt sich auf einer langgezogenen Halbinsel das legendäre, 1940 vom damaligen argentinischen Stararchitekten Alejandro Bustillo erbaute Hotel Llao Llao, das Kenner für das schönste Hotel von Südamerika halten.

Hier lassen wir unsere vierwöchige Reise ausklingen. Wohnen im schönen Neubau mit Blick von der Badewanne auf den Lago Moreno und die schneebedeckten Gipfel am Horizont. Bewundern die Lobbybar mit dem großen Kamin. Entspannen uns im Outdoorpool mit Blick auf die Berge. Genießen noch ein exzellentes argentinisches Steak im riesigen Speisesaal und eine gute Flasche Malbec.

Tipps & Informationen

Anreise ab Berlin z. B. mit British Airways über London oder mit Lufthansa über Frankfurt nach Buenos Aires.

Übernachtung in Buenos Aires z. B. im Alvea Art (www.alvearart.com), Suipacha 1036, DZ ab ca. 250 Euro, Tel. 0054/ 11/4114-34 00. Im Llao Llao, dem schönsten Hotel Argentiniens (www.llaollao. com) in San Carlos de Bariloche, DZ ab ca. 380 Euro, Tel. 0054/ 294/444-8530.

Mietwagen buchbar z. B. über Latin Travels in München (www.latintravels. de; Tel. 089/41614694) für Individualreisen auf der Ruta 40.