Ponta Delgada. Die Azoren im Atlantik sind ein Ziel für Naturliebhaber. Ein Besuch auf São Miguel zeigt aber auch die reiche Geschichte der Inseln.

Grün so weit das Auge reicht. In allen Schattierungen. Dunkelgrüne Bäume und hellgrüne Wiesen, getrennt durch aufgestapelte Natursteinmauern als Windschutz, umgeben eine riesige mattgrüne Fläche, den Kratersee Lagoa das Furnas. Er ist einer der größten auf São Miguel, der Hauptinsel der Azoren.

Hier und da liegen kleinere Quintas, Fincas, die auch B&B für Touristen anbieten. Serafina Silva, unsere Reiseleiterin, ist in ihrem Element. Schon als Kind war sie oft hier mit ihrer großen Familie, und noch heute ist der erloschene Kratersee bei vielen Einheimischen und Touristen ein beliebtes Ausflugsziel.

Holzsteg führt über brodelnden Schlamm

Man spürt deutlich, dass die Azoren vulkanisches Gebiet sind. Es dampft aus dem Boden, riecht nach Schwefel, der mit heißen Quellen an die Oberfläche gebracht wird. Ein Holzsteg lenkt die neugierigen Touristen vorbei an brodelndem Schlamm, wolkigen Dämpfen und kleinen Erdhügeln.

Serafina verweist auf die Schilder, die in manchen Hügeln stecken. „Hier seht ihr genau, welche Kochstelle von welchem Koch betreut wird“, sagt sie mit ihrer kräftigen Stimme. Kochstelle? Serafina lüftet das Geheimnis, erzählt vom Cozido das Caldeiras, dem traditionellen Eintopf, der mit Fleisch und Gemüse gefüllt etwa einen Meter tief im Erdreich gart.

Entschleunigung in üppiger Natur

Ohne Wasser, nur durch den heißen Dampf, bis zu sechs Stunden. Der große Topf wird dann von zwei Männern aus dem Erdreich geholt, der schmackhafte Inhalt reicht gut für zehn Personen. Ein Erlebnis, und schon nach dieser ersten Wanderung und dem üppigen Essen spürt der Gast, wie hier mit und durch die Natur gelebt wird.

Wandern auf der Azoren-Hauptinsel São Miguel.
Wandern auf der Azoren-Hauptinsel São Miguel. © HA | Conrad Bauer-Schlichtegroll

Dass hier alles etwas langsamer zugeht, merkt man deutlich, wenn in den Dörfern die typische eineinhalb Stunden lange Mittagspause gepflegt wird. Eine Tradition, die dem Massentourismus entgegenwirkt, den man auf den Inseln aber auch nicht haben möchte. Entschleunigung in einer unglaublich üppigen Natur, die zu Wanderungen einlädt und ein hügeliges Eldorado für Radsportler ist.

Einzigen Teeplantagen Europas

Hitze und Kälte sind hier nicht üblich, der warme Golfstrom sorgt für ein eher ausgeglichenes Klima, das die neun Inseln, die zu Portugal gehören, zu einem ganzjährigen Reiseziel macht. Hauptreisezeit ist dennoch der Sommer. Das milde und feuchte Klima sorgt auch dafür, dass es hier die einzigen Teeplantagen Europas gibt.

Einst waren es 62 Betriebe, heute findet man auf der Azoreninsel São Miguel die beiden letzten Teeplantagen, Chá Gorreana und Chá Porto Formoso. Nach asiatischem Vorbild wird hier schwarzer und grüner Tee produziert. Bis zu 90 Jahre werden die etwa 1,5 Meter hohen Teebüsche alt, die mit ihrem geometrischen Ernteschnitt ein spannendes Gegengewicht zur hügeligen Landschaft bilden.

Wandern durch weiße Hortensienpracht

Die Umgebung erinnert an Schleswig-Holstein. In der Ferne das stahlblaue Meer, eine leichte Brise, der Himmel ist klar, die Sonne scheint. „Der Tee wächst hier so gut, weil das Klima feucht ist und Tee einen bedeckten Himmel braucht“, sagt Serafina.

Schon der nächste Tag zeigt uns das typische Wetterbild der Inseln. Es sind um die 23 Grad Celsius, die Luft ist feucht, aber nicht schwül, und die Sicht liegt bei etwa 50 Metern. Wir wandern. Unser Ziel ist der Lagoa Azul. Sind solche Wege daheim mit Brennnesseln und Giersch gesäumt, erlebt der Wanderer hier eine weiße Hortensienpracht, die mit keiner Kamera einzufangen ist.

Fischer bestücken 500 Reusen per Hand

Ganz anders wieder das Wetter am darauffolgenden Tag. Die Sonne knallt, und wir wünschen uns eine schützende Wolke. Sonnengebräunt ist auch das Gesicht von Fischer Paulo Silva, der seit seinem sechsten Lebensjahr rausfährt und täglich zwischen 15 und 20 Kilogramm Fische fängt, in der Regel Barrakuda, Schwertfisch und Gabeldorsch, die anschließend auf dem Fischmarkt der Hauptstadt Ponta Delgada verkauft werden.

Ein hartes Geschäft, denn an die 500 Reusen gilt es mit kleinen Garnelen als Köder zu bestücken, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Aber er glaube an die Heiligen der Fischer: Petrus und – Gonzalo. Auch wenn wir nicht wissen, wer das sein soll, glauben wir ihm.

Von Delfinen auf dem Meer begleitet

Und wie es Paulo mit seinen ­Fischen geht, so geht es uns bei der anschließenden Wal- und Delfinbeobachtung im Zodiac von Miguel Cravinho. Es ist Glückssache. Miguel gründete vor ­einigen Jahren sein Unternehmen ­Terra Azul und bietet mit einem internationalen und jungen Team Ausfahrten zur Wal- und Delfinbeobachtung an. Gleichzeitig sammelt die Crew auch wichtige Erkenntnisse zum Verhalten der Tiere und leitet diese an wissenschaftliche Institutionen weiter.

Und tatsächlich sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Fleck, denn diverse Delfine begleiten unser Boot, verschwinden plötzlich wieder und tauchen an ganz anderer Stelle wieder auf. Gleichzeitig ist es beeindruckend, die Insel mit ihrer teils recht steil aufsteigenden Felsküste vom Meer aus zu sehen.

Pause mit süßen Köstlichkeiten

Bevor es am nächsten Tag nach Ponta Delgada geht, zeigt Serafina uns den Terra-Nostra-Park von Furnas. Die Gründung dieser Anlage geht auf das Jahr 1780 zurück und zeigt Pflanzen aus allen Teilen der Welt, die sich in diesem feuchtwarmen Klima einmalig schön entwickeln können. So findet man hier zum Beispiel eine der größten Sammlungen von Kamelien mit über 600 verschiedenen Arten – und auch Europas größte Sammlung von Sagopalmfarnen.

So üppig die Natur auf den Azoren, so üppig geschmückt sind auch die Kirchen der Inselgruppe.
So üppig die Natur auf den Azoren, so üppig geschmückt sind auch die Kirchen der Inselgruppe. © HA | Conrad Bauer-Schlichtegroll

Den Nachmittag verbringen wir in der Hauptstadt der Azoren. Ihr Stadtbild ist geprägt von weiß verputzten Häusern, deren Hauskanten aus dunklem Lavagestein dem Gebäude seine Form geben und sehr gut mit der Renaissancearchitektur harmonieren. Dazwischen laden kleine Plätze mit Cafés und süßen Köstlichkeiten zu einer Pause ein. Einheimische Geschäfte bieten touristische Mitbringsel oder auch Kuriositäten für Augen und Gaumen an.

Kirchen voll wertvollem brasilianischen Blattgold

Und schon beim Besuch von nur einer Kirche merkt man sofort, welcher Wohlstand hier einst mal vertreten war – die kunstvoll geschnitzten Altäre ­waren nicht nur vergoldet, sondern auch die gesamten Nischen bildeten mit dem Gold der Altäre eine Einheit. Das ­wertvolle Blattgold aus der damaligen Kolonie Brasilien wurde auch hier verarbeitet, teilweise mit den typisch ­blauen, portugiesischen Fliesen kombiniert. Interessant – so farbenprächtig die Inselwelt draußen in der freien Natur ist, so üppig sind auch die Kirchen auf diesen neun kleinen Inseln weit draußen im Atlantik.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. ab HH oder Berlin mit Air Berlin über Düsseldorf nach Ponta Delgada.

Unterkunft Furnas Boutique Hotel Thermal & Spa, Design Hotel, Furnas, DZ je nach Saison ab 100 Euro, www.furnasboutiquehotel.com/en/; Hotel Azor, Ponta Delgada, Design Hotel, DZ ab 100 Euro, www.azorhotel.com; Hotel the Lince, Ponta Delgada, DZ je nach Saison ab 82 Euro, www.thelince-azores.com/de/quartos

Pauschal z. B. „Azoren aktiv“, achttägige Erlebnisreisen unter www.gebeco.de

Aktivitäten Whalewatching, www.azoreswhalewatch.com

Auskunft www.visitazores.com/de, www.gebeco.de

(Die Reise wurde ermöglicht durch Gebeco und Air Berlin)