Gastein. Der Glanz als das „Monte Carlo der Alpen“ ist verblasst. Eine Reise ins Salzburger Land lohnt sich trotzdem – oder gerade deshalb.

Schschschschsch … Donnernd rauscht das klare Wasser der Gasteiner Ache in die Tiefe. Der tosende Lärm wird von den Felsen zurückgeworfen, die im Halbrund die Ortsmitte von Bad Gastein wie eine schützende Hand umschließen. Mehr als 300 Meter stürzt der Fluss in die Tiefe. Unmittelbar daneben bilden die schönbrunner-gelbe Fassade des leer stehenden Badeschlosses, das totenblasse Hotel Straubinger und das verblichene Hotel Austria mit kaputten Fensterscheiben kontrastreiche Kulisse zum Naturschauspiel. Nicht nur im 100 Kilometer entfernten Salzburg versteht man etwas von morbiden Inszenierungen, sondern auch im Nationalpark Hohe Tauern auf 1000 Metern Seehöhe.

Schon in zweiter Generation wedelt eine Wiener Familie mit Plänen für die verfallenden Häuser, die sie vor Jahren der Gemeinde und pleitegegangenen Betreibern abgeschwatzt hatte. Passiert ist bisher: nichts. Auch das Kongresszentrum, in den 70er-Jahren als großer Wurf gefeiert, gehört dem Spekulanten und gammelt vor sich hin. Doch selbst bei einem massiven Wasserschaden gewährte der Besitzer keinen Zutritt, erzählt ein Einheimischer sauer. Inzwischen hat sich die Gemeinde mit dem Missstand arrangiert und konzentriert sich auf die Betonung der angenehmen Dinge des Lebens. Schließlich ist – oder vielmehr war – Gastein das „Monte Carlo der Alpen“.

Schauspieler und Politiker posierten einst

Es ist schon lange her, dass die Weltprominenz hier ein und aus ging. 1937 ließ sich First Lady Eleanor Roosevelt wie alle Besucher auf der Brücke am Wasserfall fotografieren. 1939 lächelte Schauspielerin Lil Dagover bezaubernd in die Kameras. 1965 posierte der Schah von Persien an der Talstation vom Stubnerkogel lässig-elegant mit Skilehrern. Die historischen Aufnahmen kleben heute an den Erdgeschossfenstern des Austria-Hotels. „Der goldfarbene Bauzaun davor ist im Rahmen einer Kunstaktion aufgestellt worden“, erzählt Stephanie Gschwandtner vom Gasteinertal Tourismus.

Nachdem sich der Heil- und Kurort, in dem schon Kaiserin Sisi gern verweilte, lange auf dem guten Ruf von vorgestern ausruhte, ist Aufbruchstimmung angesagt. Die einzigartige Patina, gepaart mit Wellness und Bergschönheit, zieht schon seit einigen Jahren Kunstsinnige und Lebenslustige aus Berlin und Hamburg nach Gastein.

Hinauf bis auf 2686 Meter

Festivals wie „Sommer.Frische.Kunst“ und Yoga-Sessions sind en vogue. Ob die Macher vom retro-stylishen Hotel Miramonte oder vom Waldhaus Rudolfshöhe der Zeit hinterher oder vielmehr voraus sind, liegt im Auge des Betrachters. Im neuen Café-Restaurant im alten Kraftwerk finden Ausstellungen statt, die Gäste trinken ihren Verlängerten zwischen mächtigen Turbinen. Das Flair lässt Großstadt-Hipster jubeln. Und hohen Erholungswert hat das Gasteiner Tal ohnehin reichlich zu bieten.

Das Tal erstreckt sich in vier Etappen vom gemütlichen Dorfgastein über Bad Hofgastein bis Bad Gastein und weiter ins Alpin- und Loipenparadies von Sportgastein. Dort liegt der höchste Berg des Pistenverbundes Ski Amadé, der 2686 Meter hohe Kreuzkogel. Ein Wintererlebnis der besonderen Art ist das üppige Gipfelfrühstück, das Kellner Mario von der Weitblick-Hütte in einer Art Metall-Iglu-Kugel knapp unter der Bergspitze serviert (48 Euro, Anmeldung beim Tourismusverband).

Blick auf 36 Dreitausender

Bei guter Sicht sind von hier 36 Dreitausender zu sehen, verrät Skilehrer und Nationalpark-Ranger Hans Nagelmayr. An diesem Januartag sind die Scheiben bei minus 25 Grad zugefroren, die Wolken hängen tief. Doch nachdem das vermutlich höchste Rührei der Alpen verputzt ist, bricht über dem fantastischen Panorama die Sonne durch. Die Skifahrer ziehen noch vor allen anderen die ersten Linien auf der frisch präparierten Neuschneepiste. Glücksgefühle satt.

Die Kalorienbalance zwischen Essen, Trinken und Bewegung zu halten, ist in Gastein eine Herausforderung. Dabei bieten die 208 Pistenkilometer reichlich Gelegenheit, herrlich zu carven oder im Kurzschwung Richtung Tal zu sausen. Schon die Namensgebung mancher Pausenstationen lässt jedoch ahnen, dass bald die Hose kneift. Wie wär’s mit einem Abstecher zur Via Culinaria-Hirschenhütte mit Backhenderl oder Kasnocken?

„Food:Moarkt“: Street-Food-Festival im Ort

Romantiker lassen sich mit dem Pferdeschlitten dorthin bringen, inklusive Glühwein-Stopp. Schön ist auch ein Einkehrschwung in der Weitmoser Schlossalm. In der urigen Hütte steht die Opower Wintersuppe auf der Karte. Die würzige Cremesuppe aus Topinambur, Steinpilzen, Sellerie, Kraut und Karotten ist eine Kreation des Salzburger Haubenkochs Karl Obauer.

Mit Hauben werden in Österreich Spitzenköche ausgezeichnet. Sieben verschiedene Gerichte, von Vorspeise bis Dessert, werden im Rahmen der „Gasteiner Skihauben“ in ausgewählten Gastronomiebetrieben serviert. Juniorchef Josef Scharfetter freut sich: „Der Trend geht hin zu Service und gehobenen Speisen. Immer mehr Gäste wissen Beef Tartare oder unsere Auswahl an 50 verschiedenen Weinen zu schätzen.“ Der 22-Jährige, der unter anderem Erfahrungen in der Hanselounge in Hamburg gesammelt hat, gehört zu den jungen Kreativen in Gastein. Zusammen mit Freunden rief er den „Food:Moakt“ ins Leben. Das regionale Street-Food-Festival findet donnerstags bis einschließlich 2. März vor der Alpentherme in Bad Hofgastein statt.

Thermalwasser wird von 46 Grad herunter gekühlt

Die Alpentherme, die im Sommer zwei neue Thermalwasser-Badeseen bekommt, lädt neben der Felsentherme zur Entspannung nach einem ausgiebigen Skitag ein. Insgesamt 17 Thermalquellen sprudeln im Gasteiner Tal. Gepflegte Hotels wie das neue Alpenhaus in Bad Hofgastein oder der Europäische Hof in Bad Gastein, der demnächst in Cesta Grand umfirmiert wird und mit behutsamer Renovierung begonnen hat, können ihren Gästen großzügige Pools anbieten.

Das Thermalwasser kommt mit 46 Grad aus der Erde und wird auf angenehme Temperatur heruntergekühlt. Außerdem wird ihm das Radon entzogen. Das radioaktive Edelgas darf nur unter medizinischer Aufsicht verwendet werden und wirkt in geringer Dosierung gesundheitsfördernd. Im Gasteiner Heilstollen wird es bei Wärme und hoher Luftfeuchtigkeit eingeatmet und soll Gelenk- und Atemwegserkrankungen kurieren.

Der Heilstollen ist ein Gastein-Klassiker wie die hinreißend klapprige Schlossalm-Standseilbahn. Doch ihre Tage sind gezählt: Sie soll bis zur Wintersaison 2018/2019 durch eine neue große Kabinenbahn ersetzt werden. Gesamtinvestitionssumme: 84 Millionen Euro. Ein Drahtseilerlebnis der anderen Art können besonders mutige Gastein-Urlauber schon jetzt absolvieren. Bei „Flying Waters“ sausen sie hoch übers Ortszentrum mit Blick auf die Belle-Epoque-Bauten. Wenn das die Sisi noch erleben würde.

Tipps & Informationen

Anreise mit dem Pkw in knapp zehn Stunden von Hamburg nach Bad Gastein, mit dem Flugzeug z. B. mit Easyjet oder Eurowings nonstop nach Salzburg.

Unterkunft z. B. Das Alpenhaus Gasteinertal in Bad Hofgastein, Ü/HP ab 109 Euro, www.alpenhaus-gastein.at, Tel. 0043/64 32/63 56. Cesta Grand Aktivhotel & Spa, ehemals Europäischer Hof, in Bad Gastein, DZ/HP ab 169 Euro, www. cesta-grand-hotel.com,
Tel. 0043/64 34/252 60

Skifahren Specials z. B. mit Gratis-skipässen für Senioren („Sixty Plus“) oder Kinder („Ostern für Familien“), Termine unter www.skiamade.com

Auskunft www.gastein.com

(Die Reise wurde unterstützt von Ski Amadé.)