Skukuza. Wer jetzt den Krüger-Nationalpark in Südafrika besucht, erlebt sommerliche Natur. Zugvögel machen Station, Antilopen gebären Nachwuchs.

Das Land verzaubert sich. Nicht urplötzlich, sondern ganz behutsam: Angesichts von fast zwei Millionen Hektar Fläche wäre eine Verwandlung über Nacht selbst von den allmächtigen Wettergöttern zu viel verlangt. Am Himmelszelt fliegen bei der Jahreshauptversammlung der Regenmacher also viele Wochen lang mächtig die Fetzen. Unaufhörlich blitzt und donnert es, bis sich die Spannung eines Tages entlädt. Nachmittag für Nachmittag rollen dann dunkle Gewitterwolken heran. Schauer ergießen sich über die ausgedörrte, nach Wasser lechzende Natur.

Wenn im November oder Dezember endlich der Regen kommt, verschwinden in Südafrikas Krüger-Nationalpark die Erdtöne und das bunte Laub der langen Trockenzeit. Blätterlose Büsche treiben wieder aus, blühende Akazien werben mit süßem Parfüm. Leberwurst- und Marulabäume präsentieren wenig später ihre Früchte. Es ist ein Bild aus etlichen Tausend Puzzleteilen in scheinbar unendlich vielen Variationen saftigen Grüns. Antilopen gebären ihren Nachwuchs und Zugvögel finden reichlich Nahrung.

Wildreichstes Gebiet im Süden Afrikas

Wie Adlerhorste thronen die Suiten der Singita Lebombo Lodge über dem N’Wametsi River. Die Lodge befindet sich in einer privaten Konzession im Osten des Krüger-Nationalparks.
Wie Adlerhorste thronen die Suiten der Singita Lebombo Lodge über dem N’Wametsi River. Die Lodge befindet sich in einer privaten Konzession im Osten des Krüger-Nationalparks. © Helge Bendl | Helge Bendl

„Wer den Krüger jetzt erkundet, sieht die Natur im Sommerkleid“, meint Sean Messham, Guide des &Beyond Kirkman’s Kamp. Am ersten Abend, in der Runde nach dem Dinner, erzählt der junge Mann aber erst einmal die Geschichte von Harry Kirkman. Dessen historisches Farmhaus ist heute die charmante Lodge von &Beyond: Wer vor dem Kamin sitzt und die alten Waffen studiert, kann sich hier leicht zurückversetzen in vergangene Zeiten.

Kirkman arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1969 erst als Ranger im Nationalpark und dann als Aufseher im privaten Sabi-Sand Game Reserve. Durch Männer wie ihn wurde die Region bekannt als eines der wildreichsten Gebiete im Süden Afrikas.

Besucher wollen Elefanten und Co. sehen

Am nächsten Morgen, in der Kühle der Morgendämmerung, fährt Sean Messham mit seinen Gäste mitten hinein ins grüne Dickicht. „In der Regenzeit ist der Busch alles andere als licht: Tiere zu finden, ist eine Herausforderung. Aber die satten Farben der Vegetation sind eine tolle Kulisse.“

Der Guide hält vor allem nach den „Big Five“ Ausschau – viele Besucher des Kirkman’s Kamp wollen hier Elefant, Nashorn, Büffel und Löwe sehen. Und vor allem eine Raubkatze, die sich sonst meist rarmacht: Im Sabi-Sand-Reservat sind auch die normalerweise scheuen Leoparden an Fahrzeuge gewöhnt und lassen sich von ihnen nicht stören.

Ebenen mit Lehmboden und enge Schluchten mit Granit

Wer mit dem erfahrenen Führer im Land Rover auf die Pirsch geht, erfährt viel über das Ökosystem der Region, über große und kleine Tiere – und hat nach ein paar Touren tatsächlich vier der „Big Five“ gesehen. Doch dabei bleibt es nicht: Er stöbert mal eine Goldene Radnetzspinne auf und mal ein Chamäleon, mal ein Rudel Wildhunde und mal eine gerade ein paar Tage alte Impala-Antilope. Er und sein Tracker finden dann auch die legendären Leoparden – einmal sogar ein Männchen, das auf einem Ast genüsslich an einem Kuduschenkel knabbert.

Chris Erasmus arbeitet für die zwei exklusiven Lodges von Singita, die sich östlich des staatlichen Satara-Camps in den Lebombobergen verstecken. Hier ist die Landschaft abwechslungsreich wie keine andere Region zwischen Crocodile Bridge im Süden und Pafuri im Norden. „Die offene Savanne geht in lichte Wälder über. Wir haben flache Ebenen mit Lehmboden, aber auch enge Schluchten mit mächtigem Granitgestein. Das sorgt für eine Vielzahl an Lebensräumen.“

Der Guide weist auf Dinge hin, die Touristen oft einfach übersehen

Nahrung gibt es dort im Osten des Nationalparks also zur Genüge. Auch Wasser ist hier weniger knapp als an ­anderen Stellen im Krüger. Nicht nur wie jetzt im feuchtwarmen Sommer, auch in der Trockenzeit gibt es viele Tränken. An jeder Ecke stehen folglich Antilopen und Gazellen, Zebras und ­Giraffen. Auf den Wildreichtum angesprochen, meint Chris Erasmus: „Das ist der Grund, warum die Löwenrudel hier so groß sind. Sie können alle ihre Babys durchbringen.“

Von Raubkatzen ist indes weit und breit nichts zu sehen. Die Nachfrage, ob er bei der heutigen Ausfahrt gezielt nach ihnen suchen wird, wehrt Chris Erasmus trotzdem ab. Zu den Kompetenzen eines guten Guides gehört es eben auch, die Aufmerksamkeit der Gäste auf jene Dinge zu lenken, die sie normalerweise übersehen – um sie am Ende dann vielleicht mit etwas Außergewöhnlichem zu überraschen.

Farbenprächtigste Vögel der Welt

So erfahren wir nun, dass es sich bei der gegen den Wind in der Luft stehenden Silhouette am Himmel um einen Schreiadler handelt. Gäbe es Olympische Spiele in der Welt der Federtiere, so würde diese Art wohl alle anderen Raubvögel übertrumpfen und einen Sieg in der Langstrecke davontragen. Vor einigen Jahren beobachteten Ornithologen in Rostock einen Schreiadler – das war Ende September. Zwei Monate später tauchte der Vogel in Sambia auf, wo er wohl ein wenig ausruhte. Im Januar baute er im Krüger-Nationalpark seinen Horst, zog seine Jungen groß und machte sich dann auf den Weg zurück nach Europa.

Nach dem ersten Regen fliegen auch die Insektenfresser ein: Viel Wasser bedeutet für sie viel Nahrung. „Einige der farbenprächtigsten Vögel der Welt verbringen hier ihren Sommerurlaub“, kommentiert Chris Erasmus und zeigt auf einen auf einem Ast rastenden Scharlachspint. Das Schmuckstück mit seinen karminroten Flügeln und einem Köpfchen in strahlendem Türkis gräbt seine Bruthöhlen in die Uferböschungen der Flüsse Luangwa und Sambesi und zieht im Frühling bis nach Zentralafrika. Zwischendrin halten sich die Vögel aus der Familie der Bienenfresser aber einige Monate lang im Krüger-Nationalpark auf.

Weiße Löwen, eine sehr seltene Laune der Natur

Die Gabelracke – der englische Name „Lilac-breasted roller“ klingt deutlich netter – sieht man in vielen Ländern des südlichen Afrikas gelegentlich auf Safari. Nun ist aber auch ihre Verwandte aus Zentralasien herbeigeflattert, die Blauracke. Zwar bringt sie wie ein Eichelhäher nur ein Krächzen hervor. Doch ihr Gefieder schillert in der Sonne zimtfarben, hellblau und dunkelgrün. Der Vogel ist so prächtig, dass ihn sogar schon Al-brecht Dürer in einem Aquarell verewigt hat.

„Was die Löwen angeht“, nimmt Chris Erasmus das alte Thema wieder auf, als wir weiterfahren, „da gibt es bei uns die Shishangane Pride.“ Die Tiere mögen zwar lautlos durch den Busch schleichen, um ihre Beute zu überraschen. Doch ihre Anwesenheit vor den Augen des Profis auf dem Geländewagen verbergen können sie trotzdem nicht. Auf dem feuchten Boden des Weges zeichnen sich die Spuren unzähliger Pranken ab. Kleine und große, erst nebeneinander und dann übereinander: Es muss ein ziemlich großes Rudel sein, das hier unterwegs ist.

Aktiver Nachwuchs, faulenzende Löweneltern

Wir verfolgen die Abdrücke für ein paar Hundert Meter bis zu einer Wiese mit einigen vereinzelten Akazienbüschen. Dann beginnt die große Zählerei, und anders als früher im Matheunterricht ist sie hier noch ein echtes Vergnügen. Das Männchen mit seiner langen schwarzen Mähne sieht man schnell, auch das Fell der zwei Weibchen sticht aus dem üppigen Dunkelgrün der Vegetation heraus.

„Die Koalition besteht eigentlich aus fünf Männchen und zehn Weibchen. Die anderen Tiere sind wohl gerade in ihrem Revier unterwegs. Oder sie liegen, für uns unsichtbar, ein paar Hundert Meter weiter“, kommentiert der Guide. Die drei erwachsenen Löwen machen das, was erwachsene Löwen tagsüber eben am liebsten machen: Sie ruhen sich im Schatten aus und öffnen nur gelegentlich ein Auge. Aber der Nachwuchs, den sie bewachen, ist deutlich aktiver.

Löwenbaby Nummer 16 is etwas ganz Besonderes

Sie hüpfen herum, als wollten sie Grashüpfer fangen. Sie klettern aufein-ander, balgen und kabbeln sich, als sei die Wiese ein Spielplatz – und trainieren dabei auch jene Muskeln, die sie eines Tages für die Jagd dringend brauchen werden. Die jungen Löwen sind mal sechs Monate alt, mal acht Monate, mal neun Monate: Also gerade entwöhnt von der Muttermilch und mutig genug, um ihren neuen Lebensraum zu erkunden und auf Entdeckungsreisen zu gehen.

Wie viele es sind? Wir kommen auf 15 Jungtiere und erfahren, dass sich noch sechs weitere irgendwo verstecken. Eines davon ist anscheinend so neugierig, dass es seine Deckung aufgibt und in Richtung Wagen marschiert. Nummer 16 benimmt sich wie die anderen Löwenbabys – und ist doch etwas Besonderes.

Denn seine kleinen Augen sind nicht gelb wie ein Bernstein, sondern hellgrau. Und sein weiches Babyfell hat nicht die typische dunkelbraune Farbe, sondern leuchtet wie frisch gefallener Schnee. Das Aussehen der kleinen Raubkatze ist eine faszinierende Laune der Natur, die als Leukismus beschrieben wird und als genetische Besonderheit extrem selten vererbt wird: Er ist einer der legendären weißen Löwen.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Iberia und Airberlin über Madrid nach Johannesburg. Weiter geht es mit SA Airlink in den Krüger- Nationalpark nach Skukuza.

Reisezeit Grün ist der Krüger-Nationalpark im Sommerhalbjahr von November bis April. Der
Eintritt in den Krüger-Nationalpark kostet umgerechnet ca. 20 Euro.

Pauschal z. B. mit Karawane Reisen sieben Tage Schnuppersafari Sefapane, 806 Euro, Tel. 07141/28 48 30, www. karawane.de oder mit Abendsonne Afrika
fünf Tage im Mietwagen, Krüger-Nationalpark und Panorama-Route, 547 Euro, Tel. 07343/929 98-0, www.abendsonneafrika.de

(Unterstützt von South African Airways, South African Tourism und Karawane Reisen.)