Grövelsjön. Im Westen Dalarnas in Mittelschweden genießen Urlauber die winterliche Stille. Sie können Eisangeln, Ski fahren oder in die Sauna.

Auf eines ist in Mittelschweden Verlass. Wer sich im Januar oder Fe­bruar dorthin aufmacht, muss einen Mangel an Schnee nicht fürchten. Einen Meter ist die Schneedecke unweit des Sees Grövelsjön eigentlich immer dick. In einem guten Winter können es auch zwei oder drei Meter werden. Skilangläufern kann das egal sein. Die Loipen sind jeden Morgen perfekt gespurt.

Schon Carl von Linné war von dieser Gegend zwischen Schweden und Norwegen angetan und schrieb nach einem Besuch: „… ging man hinunter in ein Tal mit Wald, ausgefüllt von einem kleinen See, der Grövelsjön genannt, an dessen südlichem Strand der Dalälven hinausfloss, den die Pferde durchquerten.“ Zurzeit würden keine Pferde des schwe­dischen Naturforschers durchs Wasser waten müssen. Längst hat der Winter die Region fest im Griff, und eine dicke Eisdecke bedeckt den See. Er komme früh und gehe spät, der Winter, heißt es von den Einheimischen.

Minus 40 Grad sind drin, doch das ist eher die Ausnahme

Der Schnee ist trockener als in Mitteleuropa und wegen der konstanten Temperaturen die ganze Saison von ähnlicher Konsistenz. Es ist ziemlich egal, wann man hier Station macht. Allerdings ist der Februar geeignet, weil kalt und schneereich, oder der März, weil die Tage schon etwas länger werden.

Natürlich spielt auch in der Region um den Grövelsjön – wie immer in den Bergen – das Wetter eine wichtige Rolle. Strahlt die Sonne vom klaren, blauen Himmel herab, können sich die Urlaubsgäste auf deftige Minusgrade einstellen. Selbst minus 40 Grad sind drin, allerdings die Ausnahme. Ein unglaublicher Sternenhimmel oder wunderbar mit Tausenden Eiskristallen verzierte Bäume kompensieren die Kälte.

Wolken, die sich über die Bergkuppen quälen, signalisieren mildere Temperaturen; wobei der Begriff milde hier nicht Plusgrade meint. Die Länge des Winters ist atemberaubend. Zwar mag das Thermometer Anfang März schon mal die Nullgrenze überschreiten. Aber das bedeutet kein Tauwetter.

Die Bewohner des hohen Nordens nutzen bereits seit mehreren Tausend Jahren im Winter Skier als Fortbewegungsmittel. Früher waren die aus Holz hergestellten Ski etwas breiter, um nicht so tief im Schnee zu versacken. Lebensmittel, Handelswaren, ja sogar Baustoffe wurden auf Skiern in die ­entlegenen Siedlungen transportiert. Heute haben Langlaufski längst eine handliche Länge erreicht, die die eigene Beweglichkeit deutlich erhöht.

Die Berge wirken eher wie Hügel

Die Grenzregion Dalarna im Herzen Schwedens ist ein wildes Land. Die Berge kratzen schon mal an der 1000-Meter-Höhenmarke, was für jemanden, wer um die Alpen oder die Rocky Mountains weiß, nach nicht viel klingt. Aber der Grövelsjön liegt gut 1000 Kilometer nördlich von Hamburg, und der Polarkreis ist auch nicht mehr ganz so weit. Wegen der nördlichen Lage liegt die Baumgrenze hier schon bei gut 800 Metern.

Zum Vergleich: In den Alpen wachsen noch in der Höhe von deutlich über 1500 Metern Bäume. Allerdings wirkten in der Grövelsjöner Region die Berge eher wie Hügel. Wind, Sonne, Regen, Schnee und Eis haben hier über Jahrtausende gewerkelt und – so scheint es – an den Bergen alles Eckige und Kantige weggeschmirgelt.

Geradezu sanft ziehen sich die verschneiten Höhenlinien in Dalarna dahin, gehen ineinander über. An richtig guten Tagen taucht die Sonne sie in fahles Licht. Dann bekommt der Betrachter eine Ahnung davon, wie viele unterschiedliche Schattierungen der Farbe Weiß es geben kann. Wenn dann der Wind noch sanft über die Gipfel streift, kleinste Schneepartikel aufwirbelt und vor sich herträgt, fühlt man sich wie der Entdecker einer neuen Welt.

Die Region um Grövelsjön ist gespickt mit einer Vielzahl von Seen. Jetzt im Winter sind sie mit meterdickem Eis und Schnee bedeckt. Die vielen Gewässer sind Überbleibsel der Eiszeit, deren dicker Panzer einst die Region durchpflügte und landschaftlich prägte. Beeindruckend, mit welcher Vielfalt der Eiskoloss Mulden aushob, die sich nach seinem Rückzug mit Wasser füllten. Im Sommer kann man aus der Luft kaum erkennen, wo der eine See aufhört und der andere anfängt. Die tief verschneiten Wälder wirken nicht nur majestätisch. „Tystnad“ lautet das schwedische Wort für Stille, „Säkerhet“ für Geborgenheit. Beides ­erlebt, wer die Ski anschnallt und sich auf den Weg macht. Die meterdicke Schneedecke verschluckt fast jeden Laut. Man hört nur den eigenen Atem und das Knirschen, wenn die Spitze des Skistocks sich in den Schnee bohrt.

Das Loipennetz kommt auf gut hundert Kilometer

Stille und Geborgenheit sind auch allgegenwärtig, wenn man beim Eisangeln oder beim Betrachten schneebehangener Bäume ins Grübeln kommt. Über die Langsamkeit, die in unserer hektischen Welt ein Nischendasein fristet. Über den Rhythmus des eigenen Seins, das hier nicht mehr braucht als acht, neun Stunden Schlaf, ein nahrhaftes Frühstück, einige Stunden auf Langlaufskiern und – das ist schon Luxus – die Sauna am späten Nachmittag.

Nein, die Region um den Grövlsjön im Winter ist kein lärmender Freizeitpark. Wer hierher kommt, sucht Bewegung, sucht Draußensein, sucht den Moment tiefer Zufriedenheit, der sich nach schweißtreibendem Stapfen im Schnee oder stundenlangem Wandern einstellt. Ein wenig müssen die Muskeln schmerzen. Hin und wieder muss ein tiefes Durchatmen nötig sein. Dann wandelt sich der Augenblick zur Ewigkeit, und der Gast wird Teil der Natur.

„Es ist die Ruhe der Natur, des Feldes Schweigen“, schrieb Friedrich Hölderlin in seinem Gedicht „Winter“. Hier kann man diese Momente finden. Das mag an der Ruhe und der Authentizität liegen, die das eigentliche Kapital der Landschaft rund um den Grövelsjön sind. Einer Landschaft, die oft sich selbst überlassen ist und die keine künstlichen Reize benötigt.

Alles ist auf Naturliebhaber ausgerichtet

Auf rund hundert Kilometer Länge kommt das Loipennetz. Gut ausgeschildert, häufig Rundkurse, sodass der Wanderer stets die Orientierung behält. Und das, obwohl die Grenzregion kaum besiedelt ist, die Ansammlung von zehn, 15 Häusern schon als Stadtzentrum durchgeht, der Arzt nur zweimal die Woche kommt, und der Lebensmittel­laden alles vorrätig hat: Essen, Trinken, Feuerholz, Geschirr, Kleidung und – draußen an der Tanksäule – Benzin.

An den Loipen laden in regelmäßigem Abstand Unterstände zum Verweilen ein. Kaffee oder Tee muss man sich in der Thermoskanne mitbringen, ebenso das geschmierte Brötchen oder den selbst gebackenen Kuchen. Ein mit gutem Whisky gefüllter Flachmann erleichtert, dass man mit anderen Skiläufern ins Gespräch kommt. Englisch hilft immer – und vornehmlich bei älteren Menschen kommt man auch mit der deutschen Sprache weit.

Große Hotels gibt es nicht. Das Störsätra Fjällhotell beispielsweise ist ein Familienbetrieb mit rustikalem Ambiente. Alles ist auf den Naturliebhaber ausgerichtet. Die Loipen beginnen vor der Tür. Beim Frühstück ist gewünscht, sich eine Mittagsbrotzeit selbst zusammenzustellen. Wer Kaffee oder Tee auf die Skiwanderung nehmen will, stellt am Abend zuvor nur seine Thermoskanne in das entsprechende Regal. Ansonsten, und das passt zur Natur und dem Zwecke der Auszeit, wird der Gast in Ruhe gelassen. Es sei denn, er wünscht Kontakt. Dann kann er erleben, wie herzlich es hier im Norden zugeht.

Tipps & Informationen

Anreise Mit dem Pkw über Flensburg, Hirtshals und Oslo bis nach Grövelsjön. Fahrzeit rund 17 Stunden. Eine Übernachtung unterwegs ist sinnvoll.

Übernachtung z. B. im Storsätra Fjällhotell, Grövelsjöfjällen, DZ/VP ca. 276 Euro, Tel. 0046/253/231 50, www.storsatra.se; schlichter eingerichtet ist das Sporthotel Gunneborg, DZ/F ab 100 Euro, www.sporthotellet.se

Auskunft www.visitsweden. com