Kapstadt. Eine ungewöhnliche Schiffstour führt Passagiere der MS „Hamburg“ die Küste Westafrikas entlang. Auf dem Programm stehen acht Länder.

Es ist eine ziemlich überschaubare Truppe, die von Kapstadt aus in See sticht. Jedenfalls für heutige Verhältnisse, in denen ein modernes Kreuzfahrtschiff durchaus die Bewohnerzahl einer Kleinstadt beheimaten kann. Die MS „Hamburg“ hat Platz für rund 400 Passagiere, und weil manche Kabinen von Einzel­reisenden belegt sind oder leer bleiben, checken letztlich nur 280 Gäste ein, um eine der ­ungewöhnlichsten Routen im Kreuzfahrt-Kosmos zu erleben: die Küste Westafrikas bis hinauf nach Dakar im ­Senegal.

Acht sehr unterschiedliche Länder stehen auf dem Programm. Das Abenteuer beginnt in Südafrika, wo sich eine kleine Gruppe zum ersten Sundowner auf dem Signal Hill einfindet. Der Blick auf die Lichter der Stadt ist atemberaubend. Es gibt Sushi und hervorragenden südafrikanischen Sekt. Bevor es „Leinen los“ heißt, darf sich das Land am Tag darauf von seiner schönsten Seite zeigen – mit dem Kap der guten Hoffnung, Simons Town mit seinen 2500 Pinguinen und dem unvergleichlichen Tafelberg. Ein gelungener Auftakt für eine Reise, die noch manchen harten Kontrast bieten wird.

Mit Geländewagen geht es durch die Namibwüste

Einen Seetag benötigen wir für die 484 Meilen bis nach Lüderitz, ein Hafenort in Namibia, der in der deutschen Kolonialzeit entstand. Die Besichtigungstour führt uns tatsächlich durch eine malerische „deutsche“ Kleinstadt. Karl, ein rüstiger Rentner aus dem Rheinland, ist begeistert: eine Kegelbahn in Namibia, im Originalzustand – mit Bildern der Klubs „Radieschen ­Lüderitz“ und „Hindenburg“! Früher reiste Karl nach Thailand, aber nun, im fortgeschrittenen Alter, unternimmt er Kreuzfahrten. Und diese sei ja nun mal etwas ganz Besonderes!

Der nächste Hafen ist die Walvis Bay. Mit mehreren Geländewagen geht es durch die Namibwüste. Unser Tourguide Juliana entdeckt für uns im Dünengürtel Geckos, Chamäleons, Käfer, Echsen und einen großen Skorpion. Es ist extrem beeindruckend, in dieser Dürre der Wüste überhaupt etwas ­Lebendiges zu finden.

Zurück an Bord, kühlt am Abend eine frische Brise, die vom Benguela­strom herüberweht. Wir nehmen Kurs auf Angola – zwei Seetage Verwöhn­programm an Deck stehen bevor. Doch plötzlich wendet das Schiff, es folgt eine Durchsage: „Wegen eines medizinischen Notfalls müssen wir leider nach Namibia zurückkehren.“ Einige Stunden später dreht das Schiff erneut, ohne Durchsage. Doch die meisten kennen den Grund und schweigen. Der dichte Seenebel, das nächtliche Meeresleuchten und das Tuten des Nebelhorns wirken gerade jetzt ziemlich­ ­gespenstisch.

Bewusstseinsveränderung geht in Westafrika per Schiff

Wir legen in Lobito, Angola, an und fahren ein Stück mit dem historischen viktorianischen Zug aus der Kolonialzeit, vorbei an Flamingos, Slums und Menschen, die sich darüber freuen, endlich wieder Touristen im eigenen Land zu sehen. Wir bleiben in Angola und laufen am nächsten Tag in Luanda ein. Von Weitem sieht die Stadt aus wie eine westliche Großstadt, doch von Nahem werden die Slums immer erkennbarer, der Müll am Strand ist nicht zu übersehen. Die Stadtrundfahrt macht uns bewusst, dass wir nicht in einem Urlaubsgebiet, sondern im tiefsten ­Afrika angekommen sind – vor uns eine boomende Großstadt mit viel Armut, die für Ausländer eine der teuersten Städte der Welt ist.

Schwer bewaffnete Militärs stehen an jeder Straßenkreuzung, die Stadt wirkt wie in einem Belagerungszustand. Wir besichtigen das gut restaurierte Fort San Miguel von 1576, das vor Angriffen der Franzosen, Spanier oder Niederländer schützen sollte. Beim Anblick der Soldaten mit scharfer Panzerfaust und bösem Blick fühlt man ihn sofort wieder, den Belagerungszustand. Das Mausoleum des ersten Staatspräsidenten Angolas, Agostinho Neto, passt zu dem poststalinistischen Eindruck, den das Land vermittelt. Armut, Verschwendungssucht und Größenwahn lagen und liegen hier nah beieinander. Das Parlamentsgebäude wurde gerade fertiggestellt, der Rasen des Prachtbaus wird ständig gewässert, doch im Supermarkt nebenan gibt es kein Wasser für die Bevölkerung. Unser angolanischer Reiseführer Espanto führt uns durch die Innenstadt, zeigt uns begeistert die Haupteinkaufsmeile Luandas und versucht uns das Zentrum dieser Metropole schönzureden. Das klappt aber nicht wirklich.

In Ghana empfängt uns eine freundliche Stimmung

Die nächsten vier Tage verbringen wir wieder auf See und genießen die entspannte Ruhe an Deck. Doch sie ist trügerisch. Seit einiger Zeit kursieren Gerüchte von Piratenüberfällen vor São Tomé und Príncipe, dem zweitkleinsten Staat Afrikas. Noch am Abend werden wir in der Lounge vom Kreuzfahrtdirektor informiert: Es gab in den vergangenen Wochen tatsächlich einige Entführungen durch Piraten. Unser Schiff ändert deshalb den Kurs, um den Abstand zur Küste zu vergrößern. Abends wird das Heck abgedunkelt. Einige Passagiere zeigen sich enttäuscht, doch die Entscheidung, kein Risiko einzugehen, findet bei den meisten Gästen Zustimmung.

Ghana empfängt uns nach einer entspannten Zeit ohne Zwischenfälle in der Zwillingsstadt Sekondi-Takoradi mit den typischen farbenfrohen Kleidern und Kopfbedeckungen der Ghanaer. An Land fühlen wir eine freund­liche Stimmung, die wir in Angola vermisst haben. Unser Ausflug führt uns zu einem faszinierenden Fischmarkt, der so bunt wie lebensfroh ist. Der Fisch wird traditionell auf dem Kopf in großen Blechschalen transportiert, und es riecht genau so, wie man es sich an einem Ort fernab jeder Hygiene­vorschrift vorstellt. Hunderte Boote liegen dicht an dicht, überhäuft mit Netzen, Fisch und Eis zum Kühlen. Die Händler machen einen Höllenlärm, die Luft ist heiß und stickig. Das Stangeneis der Fischer erinnert an woanders längst vergangene Zeiten.

Weiter geht es durch die Innenstadt von Takoradi zu einem quirligen Markt, auf dem farbenfrohe Drucke, Tücher, Stoffe sowie Obst und Gemüse feilgeboten werden. Nach dem Ausflug freut sich Karl, der rüstige Rentner, schon auf das südafrikanische Büfett an Bord –„Das will ich nicht verpassen!“ Später schwingt er noch das Tanzbein auf dem Pooldeck. Die Stimmung hat sich gebessert.

Masken im Museum der Elfenbeinküste

Am nächsten Tag geht es an die Elfenbeinküste. Die MS „Hamburg“ legt mittags im Hafen von Abidjan an und wird von einem Prinzen empfangen. Standesgemäß mit weißem Anzug und weißer Fliege begrüßt er jeden Passagier persönlich und mit einem freundlichen Lächeln. Karl vermutet, dass das „alles nur Show“ ist und der Prinz eigentlich in Hamburg wohnt. Trotzdem zeigen wir uns beeindruckt, und sicherlich ist der Prinz auch bald in ­jedem Fotoalbum über diese Reise vertreten. Abidjan ist der drittgrößte Ballungsraum West­afrikas.

Autos mit deutscher Aufschrift machen klar, wohin unsere alten Fahrzeuge ex­portiert werden. Wir fahren durch die Rue Commerz, die einer normalen Einkaufsstraße gleicht, und passieren danach die Innenstadt, in der wir Bauern mit ihren Ziegen neben Schrottplätzen und Autowerkstätten mit hoffnungslosen Wracks entdecken, die wieder repariert werden sollen.

Das Kulturprogramm führt anschließend ins historische Museum der Elfenbeinküste zu alten afrikanischen Masken und Schnitzereien. Auf der Fahrt zurück stoppen wir an einem Fluss, an dem Einheimische eine Ausbildung zum Wäscher erhalten. Es ist ein verstörender Anblick: Menschen bei der Wäsche im schlammigen Fluss zuzusehen und zu erfahren, dass die Möglichkeit zu waschen in der Elfenbeinküste selten ist. Wer seinen Job gut macht und zuverlässig die Wäsche wieder der passenden Familie zuordnen kann, erhält einen Stammplatz und hat seinen eigenen Autoreifen, an dem er waschen darf. Wieder ein Kontrast zum sorglosen Leben an Bord.

Im Senegal endet die Kreuzfahrt

Der Kapitän nimmt Kurs auf Freetown – Sierra Leone. Nach Ebola und dem Ende des Bürgerkriegs liegt die Lebenserwartung in diesem Land bei nur 45 Jahren und ist damit die niedrigste in Westafrika. Da es große Armut und Hunger gibt, werden sogar Affen als „Bush Meat“ gejagt und verzehrt. Doch es gibt auch Projekte, wo Affenwaisen aufgezogen und wieder ausgewildert werden. Eines davon ­dürfen die Kreuzfahrttouristen aus Deutschland besuchen. Dann müssen wir wieder zurück an Bord, vor uns liegen weitere 463 Seemeilen Richtung Banjul in Gambia.

„Dies ist euer Faultag!“, begrüßt uns „Kante“, unser freundlicher Tourguide. Auf einem Ausflugsboot fährt er mit uns durch die Mangroven des Gambia River. 550 verschiedene Vogelarten soll es in dem kleinen Land ­geben, einige davon sind heute vom Oberdeck aus zu sehen. Mitten im Fluss vor einer Sandbank wird geankert. Dann bauen „Kante“ und seine Helfer in Windeseile ein Mittagsbuffet auf, gebrutzelt in der kleinen Bordküche.

Im Senegal, wo diese Kreuzfahrt endet, besuchen wir ein Wildreservat. Nashörner, Giraffen, Zebras und Büffel führen hier noch einmal die „klassische“ Faszination Afrikas vor die Touristenaugen, bevor es zurück in die Heimat geht. Karl, unser Rheinländer, zieht bei dem letzten gemein­samen Abendessen sein persönliches Fazit: „Was ich an Armut und Hoffnungslosigkeit auf dieser Reise gesehen habe, macht mich sehr nachdenklich. Ich glaube, ich kann das Leben in Deutschland jetzt ganz anders schätzen.“

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Air France über Paris nach Kapstadt.

MS „Hamburg“ Das Schiff bietet auf sechs Decks Platz für 197 Kabinen.

Kreuzfahrten Die beschriebene Strecke wird derzeit nicht angeboten, ähnliche Touren über www.e-hoi.de.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Plantours & Partner.)