Saint-Denis. La Réunion ist nicht nur für wunderbar duftende Vanille bekannt. Über eine Insel mit faszinierender Natur und geheimnisvoller Küche.

Holzfeuer und Gaskocher knistern unter gusseisernen Töpfen. Es duftet nach Huhn mit Kurkuma, Koriander und Kreuzkümmel, daneben nach Fisch und verschiedenen Gemüsen. Es ist das Gericht „Cari“, ein Ragout mit verschiedenen Zutaten. Philippe Beque läuft das Wasser im Mund zusammen. „Endlich Wochenende, Zeit für ein Picknick“, sagt er und würzt noch ein bisschen nach. Freunde und Verwandte kommen und bringen Rum und Saft für den typischen Punsch mit. Picknicken gehört am Wochenende zu den Lieblingsbeschäftigungen der Réunionaisen. Dann ziehen sie mit Töpfen, Pfannen und Kochutensilien an den Strand oder in die Berge und suchen sich ein schattiges Plätzchen. „Zusammen gut essen ist bei uns wichtig, das gehört zu unserer Kultur“, sagt der 44-Jährige.

Nach einem Abstecher an der Lagune starten Besucher aus Deutschland und Luxemburg ihre Tour über die Insel. Mit dabei ist Jean-Paul Carminati. Der gebürtige Franzose lebt seit 25 Jahren auf der Insel. Die Gruppe fährt Richtung Norden, durch das Hafenstädtchen Saint-Gilles-les-Bains, an den picknickenden Réunionaisen vorbei und macht Zwischenstopp auf dem Markt von Saint-Paul. Hier liegen die guten Zutaten, die den Geschmack der Insel ausmachen: Ananas, Mangos, Litschis, Palmenherzen, Chilis, Tamarinden, der schrumpelige grüne Kürbis Chouchou, Baumtomaten, Vanille und vieles mehr. Die Köche wissen, wo sie die besten Produkte finden.

Teile der Insel gehören zum Unesco-Kulturerbe

Vorbei an Zuckerrohrfeldern geht es über eine Serpentinenstraße in Richtung Piton des ­Neiges, dem höchsten Berg der Insel. „Dort unten im Talkessel Mafatte liegt das Tal der zehn Dörfer“, erklärt Jean-Paul am Aussichtspunkt. Nur knapp 1000 Menschen leben dort. Baumaterialien für Häuser kommen per Hubschrauber, bis zur Bushaltestelle werden zwei Stunden einen beschwerlichen Weg entlang zu einer halben Ewigkeit. Plötzlich reißt eine dicke Wolke auf und gibt den Blick ins Tal frei.

Der Nationalpark mit seinen Vilkanlandschaften gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.
Der Nationalpark mit seinen Vilkanlandschaften gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. © Getty Images/Hemis.fr RM | SPANI Arnaud / hemis.fr

„Diese Insel mit ihren Bergen, Schluchten und Wasserfällen lässt einen nicht los“, sagt Larissa Metke aus Frankfurt, die hier schon mehrmals wandern war. Die Vulkanlandschaften, Talkessel und Hochebenen gehören zum Unesco-Weltnaturerbe.

Am nächsten Morgen bricht die kleine Gruppe früh in den Süden auf. Am Ende einer hügeligen Straße erwartet sie auf einer Höhe von rund 1000 Metern Jacques Lepinay auf seiner Kaffeeplantage. Hier wächst eine der edelsten Kaffeesorten überhaupt, der Café Bourbon Pointu Grand Cru. Lepinay nimmt die Reisenden mit zu seinen 2000 Bäumen und greift sich eine reife rote spitze Frucht.

Kulinarisches: Schweinefüße in Café Bourbon

„Wir haben hier beste Klimabedingungen“, sagt der Plantagenbesitzer, der zwischen November und Januar seine Bohnen mühsam per Hand erntet. Dünge- und Insektenschutzmittel sind tabu. Während er seine Gäste ­zurück zum Haus führt, stellt seine Frau die Schüsseln mit gelbem Reis, Rougail, einer scharfen Soße aus Zwiebeln, Tomaten, Ingwer und Chili, sowie einen Topf mit Schweinefüßen in Café Bourbon auf den Tisch. Ihre Gäste blicken skeptisch, doch mit dem ersten Biss in das zarte, fein gewürzte Fleisch mit einer fruch­tigen Note ist jeder Zweifel dahin. Zum Dessert gibt es hausgemachte Pralinen und natürlich die Spezialität des Hauses. „Der Kaffee ist mild, aber wunderbar aromatisch“, sagt der Luxemburger. Sehr beliebt ist das koffeein­arme ­Getränk in Japan und wird laut Lepinay für rund 600 Euro pro Kilo verkauft. Zum Leben reicht die Kaffee­leidenschaft nicht, deshalb arbeitet er hauptberuflich in der Verwaltung eines Krankenhauses an der Küste.

Der Markt von Saint-Paul ist voller mit kulinarischen Highlights: .
Der Markt von Saint-Paul ist voller mit kulinarischen Highlights: . © Getty Images/Lonely Planet Images | Olivier Cirendini

An kulinarischen Spitzenprodukten mangelt es auf La Réunion nicht. So wächst zwischen dem höchsten Berg in der Mitte und dem Vulkan Piton de la Fournaise im Südosten auch die Königin der Ananas namens Queen Victoria. Bertrand Beque, einer von 150 Produzenten, ist stolz auf seine stachligen Felder. Er exportiert seine Früchte nach Paris, wo sie in Feinkostläden schnell ausverkauft sind. Noch mit dem süßen fruchtigen Geschmack auf der Zunge erzählt Jean-Paul Carminati während der Fahrt zum Vulkan von der Geschichte La Réunions.

Viele Jahrhunderte war die Insel unbesiedelt bis arabische Seefahrer sie unterwegs auf der Gewürzstraße als Zwischenstation nutzten. Es folgten Portugiesen sowie englische und niederländische Schiffe auf dem Weg nach Indien. Im Zuge der Kolonisierung kamen Siedler auf die Insel, die für den Anbau von Zucker, Kaffee und Vanille Sklaven aus Madagaskar, Ostafrika und Indien auf die Plantagen verschleppten. Nach dem Ende der Sklaverei 1848 wurden Arbeitskräfte aus Indien, Afrika und China angeworben. Nachkommen der kolonialen Siedler und Sklaven werden als Kreolen bezeichnet. Die Mischung der Ethnien und das friedliche Zusammenleben bestimmt längst die Identität aller Réunionaisen. Bis heute prägen die verschiedenen Einflüsse der Bevölkerung auch die Küche La Réunions.

Dolden der Vanille werden nur per Hand bestäubt

Nach mehreren Namenswechseln behielt die östlich von Madagaskar und 180 Kilometer von Mauritius im in­dischen Ozean gelegene Insel ihren Namen La Réunion. Seit 1946 ist sie französisches Überseedepartement und durch Zugehörigkeit zu Frankreich Teil der Europäischen Union. Die Bourbonvanille kam ursprünglich aus Mexiko, und hier fehlte die richtige Biene, um die Orchidee zu befruchten. Der entscheidende Kunstgriff gelang dem jungen Sklaven Edmund Albius. Er war wütend auf seinen Herrn und zerdrückte sämtliche Vanilleblüten mit den Fingern. Doch statt zu welken, wuchsen plötzlich Schoten aus den Schlingpflanzen, ­größer, dicker und ertragreicher als in andern Ländern. Seither werden die Dolden auf La Réunion nur per Hand bestäubt. Durch ihr besonderes Aroma und den hohen Anteil natürlichen Vanillins gilt die Vanille La Réunions als die hochwertigste.

Eine weite Landschaft mit roter Erde erstreckt sich vor ihnen, bis am Horizont schließlich der Vulkan Piton de la Fournaise zu sehen ist. Er ist einer der aktivsten der Erde, bricht mehrmals im Jahr aus. Dann heißt es bei den Réunionaisen „der Vulkan pupst“. „In fünf Stunden kann man vom Aussichtspunkt auf den Gipfel wandern, der Ausblick von oben ist fantastisch“, erklärt Jean-Paul.

Talkessel Salazie ist die grünste Gegend der Insel

Aus der trockenen Vulkanlandschaft geht es zum Talkessel Salazie in die Inselmitte. Es ist die feuchteste und grünste Gegend auf La Réunion. Ein Wasserfall nach dem anderen stürzt an den Steilwänden ins Tal. Die wuchernden herzförmigen Blätter des Kürbis Chouchou liegen wie ein Teppich auf den Hängen. Weiter oben schießen riesige Bambuspflanzen und Baumfarne in die Höhe. Klare Was­serläufe durchziehen den Urwald Bélouve, in dem rund 600 endemische Pflanzen wachsen. Die Luft ist saftig, es riecht mal frisch, mal erdig. Palmen, wilde Fuchsien und Orchideen sprießen im grünen Dickicht. Ein Pfad führt zu einer kleinen Plattform, von der sich der Blick auf „Trou de Fer“, das Höllenloch, eröffnet und ein tosender Wasserfall in eine 300 Meter tiefe Schlucht hinabrauscht.

Nach der Wanderung durch den Urwald ist es Zeit für eine Stärkung mit kreolischer Kochkunst. Wie ein Cari zubereitet wird, zeigt Koch Jacky Aroumougom in seiner Kochschule Farfar Créole in der Nähe des nörd­lichen Küstenstädtchens Saint-Suzanne. Die Besucher zerkleinern ein Huhn, hacken Koriander, legen einen dünnen Teig millimetergenau zu Drei­ecken für gefüllte Samosas zusammen und schauen ihrem Meister über die Schulter. Es ist Wochenende und Zeit für ein Picknick am Strand.

• Tipps & Information

Anreise: Air Austral fliegt von Paris nach Saint Denis auf La Réunion.

Übernachtung: z. B. im Lux direkt an der Lagune, DZ mit Frühstück ca. 300 Euro, www.luxresort.com

Ausflug: Helikopterflüge über Wasserfälle, Vulkan, Lagune: www.helilagon.com

Auskunft: www.insel-la-reunion.com

(Die Reise wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt La Réunion.)