Hamburg. Trotz Handlungsbedarfs und altem Wohnungsbestand passiert in vielen WEGs nichts – mit fatalen Folgen. Experten geben Ratschläge.

Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) stellen hierzulande die zweitgrößte Eigentümergruppe. Ihnen gehören 9,1 Millionen von insgesamt 40,5 Millionen Wohnungen. Die meisten davon wurden vor 1970 gebaut, nur 27 Prozent vor 1990. Der Bestand ist also mehrheitlich veraltet, dennoch bilden WEGs in puncto energetische Sanierung das Schlusslicht.

Die Sanierungstätigkeit bei der Gebäudehülle, entscheidend für Energieeinsparung, liegt nur bei jährlich knapp einem Prozent. Anlass genug für die Wüstenrot Immobilien GmbH (WI) und das Europäische Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) nach Gründen zu suchen.

Ebenso wie der Verein Wohnen im Eigentum, der aktuell alle Mitglieder einer WEG dazu aufruft, an einer bundesweiten Umfrage zu diesem Thema teilzunehmen (www.wohnen-im-eigentum.de). „Als Belohnung winken ein kostenfreier PDF-Ratgeber zur Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum sowie Restaurantgutscheine“, sagt Gabriele Heinrich vom Verbraucherschutzverband.

Neuregelungen des Wohnungseigentumsgesetzt notwendig

Das geschäftsführende Vorstandsmitglied ahnt, warum es vielen WEGs so schwer fällt, Sanierungsmaßnahmen zu beschließen: „Es kommt darauf an, einen Finanzierungsweg zu finden, den möglichst alle Eigentümer mitgehen können.“ Eine Sanierung von „oben“ nach „unten“ durchzusetzen, habe sich als wenig erfolgreich erwiesen. „Die notwendigen Mehrheiten sind nur zu erreichen, wenn über die Verwaltungen und einige engagierte Eigentümer hinaus Informationen mit allen geteilt und Diskussionen erlaubt, ja gefördert werden“, sagt die Juristin.

Der Verbraucherschutzverein sieht einen enormen Handlungsbedarf seitens der staatlichen Energie- und Förderpolitik, um hier geeignete Unterstützungsangebote zu erstellen. „Denn nur wenige Wohnungseigentümer kennen die Rechtsvorgaben für Sanierungsbeschlüsse, verstehen die Gutachten und wissen, ob und wie ein Bauausschuss gegründet werden sollte und was dieser dann zu tun hat, um die Verwaltung im Sinne der Eigentümer zu lenken und zu leiten“, sagt Heinrich.

Auf veraltete, praxisferne Rahmenbedingungen verweisen Jochen Dörner, Geschäftsführer der WI, und Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des EBZ: „Die Gesetzgebung stammt aus dem Jahr 1951. Mehrere Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes wurden seither zwar novelliert, aber um dringend notwendige Modernisierungsmaßnahmen den Weg zu bahnen, sind Neuregelungen notwendig.“

Dazu gehörten: Eine Abänderung des Paragrafen 22 Abs. 2 WEG, sodass Modernisierungsmaßnahmen bereits mit 75 Prozent der in der Eigentümerversammlung vorhandenen Stimmen verabschiedet werden können – statt des jetzt durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschlusses. „Der wird nur in Ausnahmefällen meist erreicht“, so die Erfahrung beider Experten.

Marktwert einer Immobilie sinkt mit Auswirkung auf Miethöhe

Zweitens sollten im Wohnungseigentumsgesetz keine konkreten Vorgaben zur „Angemessenheit“ einer Instandhaltungsrücklage, etwa durch eine Mindestrücklage und ein Verbot der Zweckentfremdung, vorgehalten werden. „Es gibt zwar verschiedene Berechnungsmethoden, die berücksichtigen aber nicht die konkreten Gegebenheiten einer Liegenschaft und stehen damit einer bedarfsgerechten Investitionsplanung entgegen“, bemängeln Dörner und Leuchtmann.

Zu guter Letzt werde immer wieder festgestellt, dass die von der KfW erarbeiteten Förderprogramme höhere Anforderungen stellten als die Energieeinsparverordnung (EnEV). „So fordert die KfW für die Vergabe von Fördermitteln beispielsweise geringere Wärmedurchgangskoeffizienten, als in der EnEV vorgesehen“, so die Experten. Eigentümergemeinschaften seien so gezwungen, deutlich mehr zu investieren, um entsprechende Förderungen in Anspruch nehmen zu können. „Für viele WEGs rechnet sich dies aber in den meisten Fällen nicht.“

Sowohl Dörner als auch Leuchtmann fordern daher eine Harmonisierung der Vorgaben von KfW und der EnEV. Nur dann könne man darauf hoffen, ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Dörner ergänzend: „Instandhaltungs- und Modernisierungsstau bei Gebäuden wirkt sich schnell negativ aus: Der Marktwert sinkt, und im Falle von Vermietungen wirkt sich das zusätzlich auf die Miethöhe aus.“